25 Jahre Brille – 25 Jahre zu lang, findet Anna. Schon mit sechs Jahren bekam sie ihre erste Brille, mit 22 kaufte sie Kontaktlinsen. Die 33-jährige Lehrerin aus Berlin war kurzsichtig, hatte auf einem Auge -5 und auf dem anderen -6,5 Dioptrien – und die Probleme blieben nicht aus: „Durch das jahrelange Linsentragen hatte ich schon kleine Sprengsel auf der Hornhaut. Ich sollte auf harte Linsen wechseln, weil sie besser für die Hornhaut sind. Aber ich vertrug sie nicht“, erzählt Anna. Ihr blieb nur die Wahl: Brille oder OP.

Anna entschied sich für eine Lasik-OP. Lasik bedeutet Laser-in-situ-Keratomileusis, was so viel heißt wie „Formveränderung der inneren Hornhaut durch Laser“. Das noch recht neue Verfahren wurde 1993 in Deutschland eingeführt. Rund 300 Praxen und Kliniken führen heute Behandlungen mit der modernen Lasertechnik durch. Bisher ließen sich mehr als 900 000 Brillen- oder Kontaktlinsenträger in Deutschland operieren. Bis 2010 rechnet der VSDAR (Verband der Spezialkliniken Deutschlands für Augenlaser und Refraktive Chirurgie e. V.), mit mehr als einer Million Lasik-Korrekturen. Die „refraktive (lat. = zurückbrechen) Chirurgie“ umfasst alle operativen Verfahren, die Fehlsichtigkeiten korrigieren.

Weltweit wurden bereits 50 Millionen Menschen erfolgreich mit der Lasik behandelt. Im Vergleich mit anderen westlichen Industrieländern bildet Deutschland bei den Laser-OPs noch immer das Schlusslicht. Grund: „Die Deutschen sind generell zurückhaltender und ängstlicher,“ mutmaßt Dr. Kaweh Schayan-Araghi, Frankfurter Augenchirurg und Präsident des VSDAR. In den USA wird fast zehn Mal so wie gelasert wie bei uns, und auch in Finnland, Frankreich und England legen sich mehr Menschen unter den Laser. „Besonders bei den Italienern und Spaniern ist eine Brille so sexy wie ein Hörgerät. Eine junge Dame mit Nasengestell bekommt dort kaum einen Mann ab“, sagt Schayan-Araghi.

Keine Panik – nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts ist für immerhin 81 Prozent deutscher Nicht-Brillenträger die Brille kein Ausschlusskriterium bei der Partnerwahl. Trotzdem empfinden die Träger selbst ihre Brille oft als störend. Über 52 Millionen Deutsche sind fehlsichtig, davon tragen laut „Brillenstudie 2008“ 39 Millionen Brille. Fast genauso vielen, nämlich 35 Millionen Betroffenen mit einer Kurzsichtigkeit bis zu -10 Dioptrien, einer Weitsichtigkeit bis zu +4 Dioptrien oder einer Hornhautverkrümmung bis 4 Dioptrien, könnte mit einer Lasik-OP geholfen werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Für welche Methode Anna sich entschieden hat und warum Annas Angst vor dem Eingriff unberechtigt war.Die kurzsichtige Anna entschied sich für die Femto-Lasik. Die modernste Variante der Augenlaseroperationen gilt als so sicher, dass mittlerweile auch gelaserte Astronauten ins All dürfen. „Damit hat die Femto-Lasik ihre Eignung auch unter höchsten Belastungen wie extremem Druckverhältnissen und großen Höhen bewiesen“, bestätigt Laser-Experte Dr. Schayan-Araghi. Anna hatte trotzdem Angst vor dem geplanten Eingriff: „Ich schlief schlecht und machte mir Sorgen, dass etwas schief laufen oder ich sogar blind werden könnte.“ Ihre Bedenken waren nicht vollkommen unbegründet. Wie bei jeder Operation kann es auch bei den Augenlaser-Behandlungen Komplikationen geben. Es sind Unter- und Überkorrekturen möglich, wenn zum Beispiel der Laser zu viel oder zu wenig Hornhautgewebe abgetragen hat. Diese Fehlkorrekturen können meist mit einem zweiten Eingriff behoben werden. Auch kann es zu Augeninfektionen oder erhöhter Blendungsempfindlichkeit und Trockenheit kommen. In seltensten Fällen verschlechtert sich die Sehschärfe. Doch das Risiko zu erblinden kann nahezu ausgeschlossen werden.

Annas beste Freundin ließ sich in einem türkischen Zentrum lasern. Sie war zufrieden und bezahlte rund 2000 Euro weniger als Anna. „Trotzdem kam es für mich nie in Frage, mich im Ausland behandeln zu lassen“, sagt Anna. „Ich habe schon zu viele Horrorgeschichten gehört. Zuhause sprechen die Ärzte meine Sprache, und ich fühle mich einfach besser aufgehoben.“ Ihre Freundin begleitete Anna an ihrem OP-Tag in die Berliner Klinik. Als Vorbereitung wurden ihre Augen mittels einer feinen Feder so aufgehalten, dass sie keinesfalls blinzeln konnte. Sie bekam Betäubungstropfen in die Augen, dann „absolute Dunkelheit, rotes Licht, ein Geruch wie verbrannte Haare.“ Der Spuk dauerte nur wenige Minuten.

Nach der OP musste Anna eine dunkle Brille tragen und die Augen möglichst sechs Stunden geschlossen halten. Viele Patienten können schon am Abend nach der OP klar sehen, nach einigen Wochen hat sich die Sehfähigkeit stabilisiert. In den ersten Tagen nach dem Eingriff sind Augenreiben und Schminken tabu. Gegen ein Trockenheitsgefühl, das bis zu acht Monate andauern kann, hilft künstliche Tränenflüssigkeit. Danach haben sich die Augen in der Regel erholt, weil die Nervenfasern auf der Hornhaut nachgewachsen sind. „Ich habe die OP absichtlich auf einen Freitag gelegt, damit ich am Wochenende meine Ruhe hatte. Am Montag bin ich wieder zum Unterrichten in die Schule gegangen. Es war anstrengend, denn meine Augen waren gerötet und noch sehr empfindlich.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Annas Nickelallergie zu Problemen führte, sie aber trotzdem glücklich über ihr neues Leben ohne Kontaktlinsen ist. Anna hätte sich mehr Zeit lassen sollen – ein Tipp, den man bei jeder Augen-OP beherzigen sollte. Je nach Befinden kann man eine arbeitsfreie Woche einplanen, um sich an das neue Sehgefühl und eventuelle Anfangsbeschwerden zu gewöhnen. Auf Sport, Sauna und anstrengende körperliche Aktivitäten sollte man zwei Wochen lang verzichten. Ebenfalls wichtig: Am besten trockene und stark klimatisierte Räume meiden und viel spazieren gehen, denn sauerstoffreiche Luft wirkt wie eine Augendusche.

Anna musste nach der OP eine Woche lang antibiotische Augentropfen nehmen, um Entzündungen vorzubeugen. Es gab trotzdem Probleme. Ihre Augen tränten und entzündeten sich. Zu den obligatorischen Nachuntersuchungsterminen kamen also weitere Untersuchungen. Das Ergebnis: Anna hatte eine Nickelallergie. Nickel ist in Kosmetikprodukten enthalten. Die Allergie wurde nicht durch die OP ausgelöst. Aber vermutlich reagierten Annas Augen auf einmal auf die Inhaltsstoffe von Wimperntusche & Co, weil sie nicht mehr durch Kontaktlinsen geschützt waren. Anna kauft heute nickelfreie Wimperntusche und sieht ganz ohne Probleme scharf. Sie freut sich über ihr neues Glück: Keine störenden Linsen mehr, die sie abends rausnehmen muss, weil sie weh tun. Keine Brille mehr, die drückt. Und endlich kann sie unkompliziert verreisen ganz ohne das nervende Sortiment aus Kontaktlinsenmitteln, Döschen und Brillenetui.
Kathrin Kunterding