RAUS AUS DEM STADION, RAUF AUF DIE TANZFLÄCHE
Es gibt strengere Mormonen als Brandon Flowers. „Ich gehe häufig zum Gottesdienst und versuche, mich an die Regeln zu halten“, sagt der 27-jährige Sänger der Killers. „Aber manchmal trinke ich Alkohol, und ich habe auch einige Zigaretten in meinem Leben geraucht.“ Der Spagat zwischen gläubigem Mormonentum (das Genussmittel verbietet) und praktizierendem Rockstarleben (das ohne Genussmittel unvorstellbar ist) erfordert gewisse Kompromisse. „Ich kann nicht immer die Spaßbremse sein. Aber Drogen, auch Hasch, werde ich niemals anrühren.“ Mormon wird aufatmen.

Die Killers sind schon komische Kerle, auch jenseits religiöser Befindlichkeiten. Auf gemeinsamen Fotos wirken sie immer so, als gehörten sie zu vier verschiedenen Bands. Dazu passt ein Sound, der sich immer wieder wandelt. Begannen die Killers auf „Hot Fuss“ als Synthierocker, setzten sie zwei Jahre später mit „Sam’s Town“ auf Stadionrock mit Bombast und Hymnen wie „When You Were Young“. Auf „Day & Age“ laufen sie nun begeistert in die Arme des verspielten, melodramatischen, glamourösen Pop. „Die neue Platte sollte leichtherziger sein“, so Flowers. „Auf ,Sam’s Town‘ haben wir es ein bisschen übertrieben, so sein zu wollen wie U2.“ Dafür sind inzwischen ja auch Coldplay zuständig. Das neue Album erinnert eher an hochwertigen Wavebeatbritpop der achtziger Jahre, an die Pet Shop Boys oder Elton John und wurde von Stuart Price produziert. Der war nicht nur für Madonnas „Confessions On A Dancefloor“ zuständig, sondern auch für den bisher besten Killers-Song: den „Thin White Duke“-Remix vom ersten Hit „Mr. Brightside“ – eine absolute Konsensnummer.

Zumindest äußerlich aber verweigern sich die Rocker aus Vegas dem Massengeschmack. Zwar hat Flowers seinen scheußlichen Schnauzbart wieder abrasiert, trägt nun aber Schulterklappen aus Kunstfell und andere modische Waghalsigkeiten. Die gefielen dem britischen „GQ“-Magazin so gut, dass es dem Frontgockel gerade den Titel „Sexiest Man in Indierock“ verlieh. Flowers: „Dass wir für unsere Mühen ein wenig Anerkennung bekommen, finde ich klasse.“ Und das von einem der behauptet, er finde es „krank und pervers“, dass Kinder heutzutage nicht mehr wissen, wie sie ohne Louis-Vuitton-Täschchen leben sollen. Stringenz ist einfach nicht seine Stärke.
Steffen Rüth

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