Die Eingangshalle der Messe wirkt von außen wie eine riesige Schwimmhalle mit viel Glas und wuchtigen Stahlträgern. Drumherum reichlich Grün und davor eine mächtige Springfontäne. Erstes Ziel von Nina Arrowsmith: Halle 4A, Stand 301. Treffen mit Alexander Elspas vom Schweizer Buchverlag Kein & Aber. Auf dem Weg dorthin trifft sie eine elegante Dame, ebenfalls im schwarzen Kostüm. Luftküsschen links, Luftküsschen rechts, großes Hallo und weiter geht’s. Die Literaturagentin kommt kaum 100 Meter, ohne jemandem ein charmantes „Na, wie geht’s dir? Gut siehst du aus!“ zuzulächeln. Bei Kein & Aber erläutert der sympathische Marketingleiter das aktuelle Programm des Verlages. Kulinarisches, Legenden, Satire, eine gehobene Form von Nonsens Es fallen Autorennamen. Fitzgerald. Hornby. Yoko Ono. Dann ein kurzes Gespräch über die Branchensituation: Man muss trotz der Krise fleißig weiter Texte einkaufen. Weiter zum Ullstein-Verlag. Dicht gedrängt sitzen rund 50 Leute um weiße Bistrotische. Der Geräuschpegel ist hoch. Da schnackt der Autor mit dem Verleger, der Verleger mit dem Agenten, die Agentin mit dem Marketingleiter. Nina Arrowsmith beherrscht es perfekt, mit Menschen zu kommunizieren.
Eines ihrer aktuellen Buchprojekte ist der erste Roman von Sven Dobbertin alias Jan Winter: „Erzähl mir von den weißen Blüten“. Nach rund zwei Jahren Organisationszeit liegt es nun endlich als Hardcover vor ihm auf dem Tisch, stolz nennt er es „sein Baby“. Arrowsmith ist in dessen Hamburger Wohnung zum Essen eingeladen. Das Lammcurry mit viel Koriander und Knoblauch riecht fabelhaft. Authentisch asiatisch kochen hat er vor Ort gelernt, wo er auch seinen Roman geschrieben hat. Wie es tatsächlich dazu kam, dass dieser schließlich auch veröffentlicht wurde, erzählt er gerne und schmunzelnd: „Nina habe ich vor zweieinhalb Jahren als Taxifahrer abgeholt. Dabei sind wir ins Plaudern gekommen. Haben übers Reisen geschnackt. Und ich habe ihr erzählt, dass ich gerade schreibe. Da hat sie mich prompt aufgefordert, ihr das mal zu schicken. Und mir erklärt, dass sie Literaturagentin ist. Sie gab mir ihr Kärtchen und ich war sicher: Das ist Schicksal.“ Seine ersten fünf Versuche, sein Manuskript an einen Verlag zu bringen, scheiterten deprimierend.
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Jetzt hat er eine hohe fünfstellige Summe als Vorschuss bekommen und ist bei Marion von Schröder von der Ullstein-Verlagsgruppe gleich für zwei Bücher unter Vertrag. Monika Böse, Cheflektorin vom Ullstein Verlag: „Ich wusste nach der Lektüre, dass ‚Jan Winter‘ das Potential hat, der deutsche Nicolas Sparks zu werden.“ Ohne die Vermittlung durch Nina Arrowsmith hätte sie das Manuskript wohl nie zu lesen bekommen. Rund fünf solcher Buchverträge vermittelt die Arrowsmith Agency im Monat, circa 60 sind das im Jahr, Tendenz weiter steigend. Für ihre Arbeit bleiben 15 Prozent der fließenden Gelder in der Agentur. Die Branche aber ist hart. Manchmal kommt es zur regelrechten Jagd auf Autoren. Für Arrowsmith zählen ein Handschlag und das ungeschriebene Gesetz, sich Autoren nicht gegenseitig wegzunehmen. Nach Expertenschätzungen sind 85 Prozent aller großen Literaturerfolge von Agenten vermittelt worden.
Auf der Leipziger Buchmesse zieht Arrowsmith weiter zu Roman Pliske vom Mitteldeutschen Verlag. Erfreut schüttelt der junge Verleger mit der schwarzen Intellektuellenbrille ihre Hand. Sie setzt sich. Es hallt ganz schön in Halle 5, in der Ferne murmelt eine sonore Lesestimme. Die Agentin kommt gleich zur Sache: „Was ist denn Ihr Wunschbuch?“ „Ein Buch über ein typisches Land, das unsere Eltern bereisen würden, wenn sie Geld hätten“, antwortet er, „oder etwas mit ostdeutschem Bezug.“ Sie bietet ihm das Buch einer „ihrer“ Autorinnen an. Pliske geht in die Offensive: „Das Manuskript habe ich gelesen. Ich habe aber hinter der Härte nicht die Tiefe gespürt.“ Da bekommt Arrowsmith Feuer in den Augen. „Daran kann man ja noch schleifen. Die Autorin ist wirklich noch sehr jung, aber überaus talentiert.“ Eine ihrer großen Stärken ist es, Menschen mitzureißen und zu überzeugen.
In Leipzig werden die letzten Sektflaschen entkorkt und die noch übrigen Kekse auf die Teller gepackt. Die Freude auf Frischluft steigt. Gleich ist der Messetag zu Ende, zumindest für die Besucher. Für die Agentin folgen Verlagsempfänge und Partys. „Das Nachtgeschäft ist genauso wichtig wie der Messetag“, verrät sie. „Auch nachts werden Geschäfte gemacht. Da werden schon mal Zahlen auf der Papierserviette rüber geschoben.“
Tina Haderlein