Zwischen Surfen und Welt retten – Xavier Rudd im Interview
Multiinstrumentalist Xavier Rudd kommt mit seinem Didgeridoo und der Band United Nations nach Deutschland. Wir sprachen mit dem australischen Sänger über Spirit, Surfen und sein aktuelles Album „Nanna“.
Nächstes Jahr wirst du 40 Jahre. Machst du dir über diese neue Lebensphase Gedanken?
(lacht) Woher weißt du das? Das ist nicht wahr. Ich bin erst 35. Es ist gerade eine wundervolle Zeit in meinem Leben. Man merkt, dass sich etwas verschiebt zwischen 20, 30 und 40 Jahren. Für mich fühlt es sich an, als sei es gerade eine besondere Zeit.
Gibt es Dinge, die für dich heute wichtiger sind als vor zehn Jahren?
Ja, ich habe eine neue Ehefrau. Sie ist sehr wichtig für mich. Ich weiß, dass wir unser Leben miteinander verbringen werden. Dieser Gedanke ist aufregend.
Was die Musik angeht, teile ich sehr viel mit der Welt. Ich liebe, was ich mache. Und es ist ein wichtiger Job. In der jetzigen Zeit ist es wahrscheinlich bedeutsamer denn je, in dieser Welt Positivität zu verbreiten. Die Menschen brauchen das dringend. Ich nehme diese Sehnsucht danach auch nicht auf die leichte Schulter. Ich habe großen Respekt davor und lasse da nicht mein Ego dazwischen funken. Ich versuche, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Dafür muss ich klar, clean und stark bleiben – jedenfalls so gut ich es kann.
Was meinst du mit clean?
Sauberer Körper, sauberer Geist. Ich trinke und rauche nicht und esse kein Fleisch. Wenn ich helfen kann, tue ich das. Das ist für mich der beste Ansatz.
Bereust du manches?
Nicht wirklich bereuen. Ich muss, wie jeder andere auch, gegen manche Dinge ankämpfen und Herausforderungen bewältigen. Aber genau solche Situationen sind meist großartige Lektionen. Ich bin mit den meisten Dingen sehr gesegnet.
Auf deiner Homepage wirst du beschrieben als: Australischer Musiker, Aktivist und Surfer. Ist das auch die richtige Reihenfolge für dich?
Ja, ich denke, das trifft es sehr gut (lacht). Ich schätze, Musik dominiert mein Leben. Und ich liebe das Surfen und tue es, wann immer es mir möglich ist.
Was bedeutet das Surfen für dich?
Es ist ein wichtiger Teil meiner Kultur. Ich bin mit dem Ozean und den Wellen aufgewachsen. Es nimmt mich mit zu verschiedenen Orten, es ist vergleichbar mit Meditation. Surfen gehört zu mir und meinem Leben. Jetzt auf Tour in der Schweiz, Italien und Deutschland ist es mehr als schwierig, das auszuüben (lacht). Aber sobald ich zu Hause bin, habe ich reichlich Zeit zum Surfen – und die nehme ich mir auch.
Deine Songs thematisieren oft soziale Missstände, Naturschutz und die Rechte von Aborigines. Gab es bestimmte Auslöser dafür?
Eigentlich nicht wirklich. Das ist einfach in mir. Ich kann nicht erklären, wie und warum. Wahrscheinlich kommt das auch wegen meines Stammbaums. Ich habe Aborigine-Vorfahren väterlicherseits. Und meine Ur-Großmutter war indigen. Der Spirit, den ich spüre, stammt wohl daher. Seit ich ein Junge war, haben mich diese Themen interessiert.
Und dein Lebensplan ist, dafür zu kämpfen?
Ja. Aber eigentlich denke ich darüber gar nicht nach. Es ist einfach das, was ich mache und was ich fühle. Ich hinterfrage es nicht, ich verstehe es. Es ist auch nicht die Zeit für Fragen, sondern einfach zu machen.
Du hast die Welt bereist. Was ist dein Lieblingsort?
Mein Lieblingsort ist zu Hause. Das Land ist einfach tief in mir verankert, in meinem System. Ich liebe es, Australien zu verlassen, um an einen anderen wunderschönen Ort zu reisen. Aber letztendlich komme ich dann immer wieder zum schönsten Ort zurück: nach Hause.
Was ist für dich der Sinn des Lebens?
Das ist einfach! Die Familie und der Ozean.
Welche Geschichte verbirgt sich hinter dem aktuellen Album „Nanna“?
„Nanna“ war eine Kollaboration mit Leuten aus verschieden Kulturen, die zusammen ihre Musik teilen wollten. Jeder einzelne Musiker von denen hat seine eigene Geschichte. Und der Titel kam zustande, weil es u.a. um die wundervollen Großmütter geht, die eine Tasse Tee trinken und dabei einfach alles beieinander halten. Ich wollte, dass die Großmütter dieser Welt den Respekt bekommen, den sie verdienen. Ich habe meine Großmutter auch Nanna genannt. Es geht um das Heiligste: die Familie.
Es gab Alben, da hast du jedes einzelne Instrument selbst eingespielt, Songs geschrieben und produziert. Nun hast du mit so vielen Musikern zusammengearbeitet und stehst auch mit ihnen gemeinsam auf der Bühne. Wie ist das für dich?
Das fühlt sich gut an. Sonst war ich auch nicht immer komplett alleine. Wir touren jetzt seit zwei Jahren zusammen und es ist wunderbar und kraftvoll. Aber auch sehr anders.
Denkst du, beim nächsten Album wirst du wieder mit den United Nations Musik machen und touren?
Nein, eigentlich nicht. Das Album, an dem ich gerade schreibe, ist wieder mehr mein eigenes Material. Vielleicht kommt es auch schon nächstes Jahr raus. Wir sind nun seit drei Jahren zusammen – das ist eine lange Zeit (lacht).
Du meintest mal, dass du deine Stimme nie wirklich mochtest. Ist das immer noch so?
(lacht) Ja, das stimmt. Ich empfand sie nie als wirklich angenehm. Aber es ist ein schöner Gedanke, wenn sie andere schön finden (lacht).
Du kommst auf deiner Tour auch nach Deutschland. Hast du eine Verbindung dazu?
Ich mag die Menschen dort sehr, sie sind freundlich, hilfsbereit und respektvoll. Ich habe die Welt bereist – und ohne zu sehr zu verallgemeinern – ich finde, die Deutschen sind wundervolle Menschen. Ich frage mich manchmal, ob es mit der düsteren Geschichte zu tun hat. Ich glaube, sie kämpfen noch sehr mit ihrer Vergangenheit und stehen unter einem immensen Druck. Aber heute stehen sie für das Richtige ein. Das Land ist sich seiner Verantwortung sehr bewusst, egal ob es um Umwelt oder soziale Probleme geht. Ich finde, es ist ein großartiges Beispiel für die Welt. Die Geschichte des Landes ist sehr dunkel, aber umso heller scheint es jetzt.
Nicht dass es wichtig wäre, aber stimmt es, dass Didgeridoo spielen gegen Schnarchen hilft?
(lacht) Das wäre großartig. Ich denke allerdings, dass das leider nicht wahr ist. Meine Frau würde sich sehr darüber freuen.
Xavier Rudd live in Deutschland
Köln: 2. Juli 2017 Summerjam
München: 3. Juli 2017 Tollwood Sommerfestival