Allein die exponierte Lage des historisch, romantisch anmutenden Gasthauses mit seinem Kastaniengarten und dem Blick auf das mittelalterliche Nördlingen juckt direkt am Lustempfinden. Hier schmeckt bereits die Luft besser als daheim. Es ist Freitagabend, 22 Grad, der Kastaniengarten gefüllt mit verliebten Pärchen, Familien, Geschäftsleuten. Der vollkommen überzeugende Service kredenzt zunächst die Karte. Wir haben die Wahl zwischen Landküche (solide Hausmannskost zu sehr fairen Preisen) und Kreativküche (Gourmetküche zu absolut verträglichen Preisen, wir sind ja in Nördlingen). Wir wählen einmal das vegetarische Drei-Gänge-Menü (29,50 Euro) und zweitens als Vorspeise den erfrischenden Salat von Zitronen-Tapioka, Salatgurke und Avocado mit mariniertem Saiblingsfilet (12,50 Euro) sowie als Hauptspeise die Bouillabaisse von heimischen Edelfischen (19,50 Euro). Als erstes empfiehlt sich das Küchenteam um Joachim Kaiser mit einem Amuse Bouche aus gebackenem Ziegenfrischkäse in einer herrlich tief schmeckenden, tomatigen Soße. Das Menü eröffnet mit einer weißen Cremesuppe von Rieser Tomaten mit Kräuterfrischkäse-Nocken. Wir sind binnen Sekunden überzeugt: Meisterhaft! Ebenso der Salat, der sein Versprechen, erfrischend zu sein, absolut erfüllt. Der Saibling darauf geht als Gedicht durch, die feinen Gurkenwürfel schmecken so intensiv wie authentisch. Exzellente Produkte zu einem Gesamtkunstwerk harmoniert, so funktioniert Spitzengastronomie. Unsere Hauptgänge setzen das Spiel fort. Bei den hausgemachten Tagliatelle lässt schon der Anblick des farbenfohen Sommergemüses das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Bouillabaisse duftet herrlich. Durch die angerösteten Fischstücke aus der Region und das Krebsfleisch hebt sie sich erfreulich deutlich von der französischen Vorlage ab. Allein das dazu gereichte Röstbrot und die cremige Aioli bestechen durch klar definierte Geschmacksdetails. Hier wird nichts übertrieben, alles optimal abgeschmeckt. Zum fulminanten Finale erreicht uns eine modern interpretierte Version eines Kirschenmichels, den eine Vanillesoße begleitet, die uns süchtig macht, und eine Kugel Sauerrahmeis, von dessen erfrischender Säure und Leichtigkeit wir noch den ganzen Abend sprechen sollen.