Ruhr Museum

Wie Röntgenaufnahmen hängen sie an Leuchtwänden auf der 17-Meter-Ebene der Kohlenwäsche: Fotos von Büdchen, Zechen, Siedlungen. Hier sonnt sich ein Paar am Kanal, dort erklimmen Kletterer Überbleibsel eines Hüttenwerks. 500 Ansichten bebildern die „Phänomene“ des Ruhrgebiets und führen ein in eine Ausstellung, die mehr sein will als ein Heimatmuseum. „Das Ruhr Museum ist ein Hybrid“, definiert Direktor Ulrich Borsdorf. „Es vereint in sich verschiedene Museumstypen: das naturkundliche, archäologische, historische und fotografische.“

Der Weg führt vorbei an Markierungen wie „Stadion“ oder „Bioschaf“, und von oben prasseln dazu wie aus einer Klangdusche die passenden Töne: lärmende Fußballfans, zufriedenes Grunzen. Die Schnupperprobe an der Riechbar ergibt: Die Emscher duftet noch immer faulig, eine Teernote charakterisiert die A40. Selbst bekannte Klischees erfahren eine sehr sinnliche Inszenierung. Vorbei an einem Fass der blauen Farbe, die Yves Klein im Gelsenkirchener Musiktheater verarbeitete, vorbei auch an Schimanskis Tatort-Jacke geht es eine Etage tiefer. Den Eingang der Zwölf-Meter-Ebene ziert ein halbes Mammutgerippe, dahinter geht es in aufgeschnittene Kohlebunker. Vor den düster nackten Stahlbetonwänden: Glasschränke, gefüllt mit dem Kartenwerk des Gerhard Mercator, mit antiken Pistolen oder Silberbechern, und im Trichter eines Kohlebunkers gruppieren sich riesige Ammoniten. HG Merz, der Ausstellungsarchitekt, erläutert: „Wir wollten subtil auf die derbe Umgebung reagieren, nicht gegen die Kohlenwäsche als größtes Exponat ankämpfen.“ Die Kohlenwäsche auf Zollverein – sie war eigentlich mehr Maschine als Gebäude.

Und genau so funktioniert das Ruhr Museum: Von Ebene zu Ebene dringt der Besucher tiefer in die Geschichte, aber auch in das Unterbewusstsein der Region ein. Die Sechs-Meter-Ebene erzählt von der Industrieregion: ein Schaudepot, in dem Grubenlampen ebensowenig fehlen wie Exponate des strukturgewandelten Ruhrgebiets, seien es Ausstellungsplakate oder Reisemagazine. Ein Regionalmuseum neuen Typs? Multimediale Mitmachschau? Die Faszination des Ruhr Museums entsteht aus dem Wechselspiel zwischen Ort und Ausgestelltem. Und fast nebenbei erfahren die pro Jahr anvisierten 150000 Besucher mehr über die Region – egal ob sie aus Bochum oder Stuttgart kommen.

Anja Kiel

Ruhr Museum
Gelsenkirchener Str. (Zeche Zollverein) 181
45309 Essen
Map data © OpenStreetMap contributors, CC-BY-SA
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