Gehen Hamburgs Männer zu selten zum Physiotherapeuten?

Die Physiotherapie gehört zu den am häufigsten genutzten Gesundheitsleistungen in Deutschland und die Praxen – gerade in Großstädten – sind mehr als ausgelastet. Die Hamburger Männer gehören allerdings zu den Schlusslichtern, wenn es um die Inanspruchnahme physiotherapeutischer Leistungen geht. Bleibt die Frage: Liegt es an der gesunden Seeluft oder am Ignorieren von Beschwerden?

Frauen nutzen physiotherapeutische Angebote häufiger als Männer. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Männer die Angebote weniger nötig hätten.

Deutliche regionale Unterschiede bei der Nutzung von Physiotherapie

Die Zeiten ändern sich und mittlerweile gehen nicht mehr nur ältere Menschen oder Personen, die eine Rehabilitation benötigen, zur Physiotherapie. Man wird gesundheitsbewusster und achtet mehr auf den eigenen Körper und die Signale, die er sendet. So wird in den Physiotherapiepraxen in Hamburg und anderswo vermehrt ein gesundheitsorientiertes Training in Anspruch genommen sowie Maßnahmen im Bereich der Prävention. Doch diese Entwicklung verläuft nicht allerorts gleich in Deutschland. 

Im Jahr 2017 konnte in einer GEDA-Studie des Robert-Koch-Instituts Folgendes festgestellt werden:

  • In der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen lassen sich die Menschen am häufigsten physiotherapeutisch behandeln: Knapp 31 Prozent der befragten Frauen und gut 20 Prozent der befragten Männer hatte in den 12 Monaten vor der Befragung einen Physiotherapeuten aufgesucht.
  • In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen besuchten 20 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer in jüngerer Vergangenheit eine Physiotherapie. 

Bei der Befragung waren zudem deutliche regionale Unterschiede festzustellen. Die Hamburger Männer gehören zur Personengruppe, die am seltensten physiotherapeutische Leistungen nutzten. Weniger als 19 Prozent waren in den zwölf Monaten vor der Befragung in physiotherapeutischer Behandlung. Von den Hamburger Frauen nahmen zwischen 23 und 27 Prozent eine Physiotherapie in Anspruch. Grundsätzlich werden die Behandlungen in den neuen Bundesländern und in Berlin häufiger genutzt als in den alten Bundesländern. In Sachsen beispielsweise nutzten in den Monaten vor der Befragung 23 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen physiotherapeutische Angebote.

Verordnungsverhalten der Ärzte unterschiedlich

Eine Erklärung für die regionalen Unterschiede bei der Nutzung physiotherapeutischer Angebote ist in einem regional unterschiedlichen Verordnungsverhalten der behandelnden Ärzte zu finden. Die Barmer Krankenkasse berichtet, dass der Anteil der Versicherten, die bei einer Indikation auch eine Verordnung für eine Physiotherapie bekommen, in den alten Bundesländern geringer ausfällt als in den neuen Bundesländern. Eine weitere Erklärung kann darin liegen, dass die Krankheitslast in bestimmten Regionen tatsächlich höher ist. Dazu fehlen bislang einschlägige Studien.

Fest steht: Die Inanspruchnahme der Physiotherapie als Gesundheitsleistung hängt nicht allein von medizinischen, sondern zudem von soziodemographischen und versorgungsbezogenen Faktoren ab. Und auffällig ist, dass Männer deutlich seltener einen Physiotherapeuten aufsuchen als Frauen.

Physiotherapie ist nichts, was nur Profisportler und alte Menschen in Anspruch nehmen sollten – das Behandlungsangebot ist umfassend.

Frauensache Physiotherapie?

Während bei der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen vorwiegend die Jungen durch Heilmitteltherapien unterstützt werden, scheint sich irgendwann im Erwachsenenalter ein Schalter umzulegen.

„Frauen haben zwar objektiv eine höhere Lebenserwartung als Männer, sie schätzen ihren Gesundheitszustand aber subjektiv schlechter ein, gehen häufiger zum Arzt und nehmen auch Physiotherapien entsprechend öfter in Anspruch, und zwar über alle Altersgruppen hinweg“, sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wirtschaftlichen Instituts (Wido) der AOK.

Dies beantwortet jedoch nicht die Frage, ob Frauen mit ihrer subjektiven Einschätzung (zu) ängstlich sind oder ob die Männer eher zu sorglos handeln, wenn es um körperliche Belange geht und ob sie zu viele vermeintliche „Zipperlein“ zu oft zu lange ignorieren. Für viele Männer ist Gesundheit noch immer mit Funktionsfähigkeit gleichgestellt. Sie gehen erst zum Arzt, wenn nichts mehr geht. Darüber hinaus schieben Männer verpasste Vorsorgeuntersuchungen und Arztbesuche häufig auf Zeitmangel. 

Dabei verpassen sie jedoch die Vorteile, die Vorsorgeuntersuchungen und ein schnelles Gegensteuern schon im Anfangsstadium von Beschwerden bieten. Schließlich ist die Physiotherapie nicht umsonst in vielen Fällen eine Kassenleistung und auch Präventionsmaßnahmen im Rahmen einer Physiotherapie werden von vielen Kassen bezahlt oder bezuschusst. 

Vorbeugen statt heilen

Vorbeugen statt heilen – dieses Motto bringt einige Vorteile mit sich. In der Physiotherapie werden als Prävention all die Maßnahmen benannt, die dem Auftreten einer Krankheit effektiv entgegenwirken oder mit denen sich die Folgen einer Erkrankung abschwächen lassen. Es ist ein großer Nutzen der Physiotherapie, dass sie schon dann greifen kann, wenn eine Erkrankung sich erst leise bemerkbar macht. 

Ein klassisches Beispiel sind Rückenschmerzen. Ein Großteil der Patienten in einer Physiotherapie kommt aufgrund von Beschwerden im Rücken. Dabei ist die Physiotherapie nicht nur darauf ausgerichtet, bereits vorhandene Schmerzen zu lindern. Sie gibt den Patienten zudem das notwendige Werkzeug in die Hand, um erneuten Beschwerden vorzubeugen bzw. einer Verschlechterung des Zustands zuvorzukommen.

Physiotherapie in Unternehmen

Da es oft schon kurz vor zwölf ist, wenn die Schmerzen beginnen, sorgen mittlerweile sogar einige Unternehmen dafür, dass ihre Mitarbeiter durch Fitnessprogramme und Physiotherapie gesund bleiben. Physiotherapie ist damit bereits ein Bestandteil der betrieblichen Gesundheitsmaßnahmen geworden. Natürlich lassen die Unternehmen diesen den Mitarbeitern nicht nur aus reiner Nächstenliebe zukommen. Denn die Gesundheitsförderung schützt vor Krankheitstagen der Mitarbeiter. Und tatsächlich ist der größte Teil der Arbeitsunfähigkeitstage auf Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems zurückzuführen. Davon stellen Rückenerkrankungen wiederum den Hauptteil dar. Nichtsdestotrotz zeugt es auch von einer Wertschätzung der Mitarbeiter und bringt jedem Einzelnen einen nachhaltigen Nutzen, wenn ein Unternehmen derartige Gesundheitsmaßnahmen fördert.

Fazit – keine Scheu vor der Physiotherapie

Physiotherapie ist nicht nur etwas, was nur Profisportler und ältere Menschen mit gutem Gewissen in Anspruch nehmen sollten. Das Einsatzgebiet der Physiotherapie ist breit und sie gehört zu den aktuell umfassendsten Therapieformen. Gezielte Übungen helfen nicht nur, Schmerzen zu lindern, sondern auch Beschwerden vorzubeugen und dienen damit nicht zuletzt einem möglichst langen Erhalt der Lebensqualität.

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