An der Decke hängt noch die Dekoration der Halloween-Party, und die mit Stoff bezogenen Wände verströmen die tabakgeschwängerte Luft einer vergangenen Kneipen-Epoche. Die Betreiber des Pubs Shakespeare haben ihre Halloween-Feier mit einer Raucher-Abschiedsparty verknüpft, denn ab dem ersten November wird nun auch bestraft, was in Niedersachsen bereits seit August verboten ist: das Rauchen in Gaststätten, Kneipen und Discos. So sitzen die Raucher vor dem Pubin der Kälte und blicken sehnsuchtsvoll in den gut gefüllten und warmen Schankraum des Shakespeare. Vor drei Tagen konnten sie ihre Zigarette noch drinnen genießen. Aber am ersten Wochenende danach ist zumindest dieser englische Pub trotz des Rauchverbots sehr gut besucht. Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern ist in Niedersachsen das Gesetz „zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens“ bereits im August in Kraft getreten. Die Bewertung dieser Vorreiterrolle fällt wie die Beurteilung des Gesetzes selbst in der Bevölkerung unterschiedlich aus. Aber auch die Gastronomen sprechen sich nicht einheitlich für oder gegen das Gesetz aus und reagieren mit differenzierten Maßnahmen auf die neuen Bedingungen, wie die PRINZ-Recherche ergeben hat. Restaurants haben offenbar die geringsten Probleme bei der Umsetzung des Rauchverbots.

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Christian Stöver vom Restaurant Bell’Arte hat keinen separaten Nichtraucherraum eingerichtet. Trotzdem hat sich die Zahl der Gäste nicht verringert. „Viele unserer Gäste finden es richtig, dass in Restaurants nicht mehr geraucht wird. Wenn man isst und am Nachbartisch wird geraucht, ist das auch wirklich nicht so schön.“ Allerdings wird die Außenterrasse trotz Herbstwetters dieses Jahr länger benutzt, besonders von den Rauchern. Auch das Besitos im Tiedthof ist seit Anfang August ein Nichtraucherlokal. Betreiber Marc Schinköth hat zwar erlebt, dass bei telefonischer Anfrage nach einem Raucherraum keine Reservierung zustande kam, sieht darin aber keinen dauerhaften Trend. „Wenn sich alle dran halten, wird das Verbot in sechs Monaten keinen mehr interessieren. Raucher gehen aus, um soziale Kontakte zu pflegen, nicht um zu rauchen. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass die Raucher zuhause bleiben.“ Die Macher des Apollo Konzepts haben sich schon beim Bau auf das neue Gesetz eingestellt und einen extra Raucherraum eingeplant. Ihre Raucherlounge wird auch gut angenommen, da die meisten umliegenden Lindener Kneipen ihre Gäste zur Zigarettenpause vor die Tür bitten. Gerade das Rauchen vor der Tür wollte das Team des Apollo Konzept vermeiden, um Konflikten mit Anwohnern wegen Lärmbelästigung aus dem Weg zu gehen. Jaime Guzmán vom Chimu sieht das Gesetz kritisch und befürchtet: „Am Ende werden die großen Ket- ten es sich leisten können – und wir Kleinen werden eben weiter mit Qualität und Einzigartigkeit um unsere Gäste kämpfen müssen.“

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Kritisch sieht auch die Restaurant-Kette Schweinske das Gesetz. Dort hat man zwar zum 1. November auf Grund der Gesetzeslage einen Raucherraum eingerichtet; lieber hätten die Betreiber aber selbst entschieden. In den Kneipen und Bars ist der Unmut oft noch größer, weil viele nicht die räumlichen Möglickkeiten für Raucherbereiche haben. Die Auszeit-Betreiber meinen, dass man das Gesetz für die Einraum-Gastronomie lockern sollte und die Gäste selbst entscheiden können. Auch im Bronco’s müssen die Raucher vor die Tür, und Betreiber Heiko Seeger verzeichnet erste Umsatzeinbußen. „Fakt ist, dass sich Gäste, wenn sie rauchen dürfen, länger in der Bar aufhalten und somit mehr konsumieren.Wenn die Hälfte der Gäste vor der Tür steht, um zu rauchen, hat das in jedem Fall negative Auswirkungen auf die Stimmung innerhalb der Bar. Ferner muss man abwarten, wann sich die ersten Nachbarn beschweren.“ Nicht nur am Schwarzen Bären stehen die Raucher vor der Tür – auch der Eingang der Galerie Luise ist mit Heizpilzen ausgestattet worden, um den Rauchern des Espadas ein warmes Exil zu bieten. Serhan Terlemez von der Espada Bar räumt ein: „Die Luft ist schon angenehmer, wenn man in der Bar arbeitet – gar keine Frage. Aber nicht alle Raucher sind bereit, vor die Tür zu gehen. Viele Stammgäste haben schon angekündigt, dass sie demnächst nicht mehr kommen. Und sind weggeblieben.“

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Auch im Mezzo gibt es abends moderate Umsatzeinbußen, da viele Biertrinker fortgeblieben sind. Für viele Gäste gehören das Bier und die Zigarette eben zusammen. Allerdings trifft man nun tagsüber im rauchfreien Mezzo viele neue Gäste mit Kindern an. Das Rauchverbot sehen die Betreiber durchaus positiv – langfristig wird ein Raucherraum im Mezzo kommen. Auch Michael Ruttkowski von Harry’s New York Bar denkt über eine Teilung der Bar in Mobiler Raucherraum: Bauwagen vor dem Lister Castillo Nichtraucher- und Raucherbereich nach. Dort bleiben Gäste weg, „da Zigarren nicht in der Bar geraucht werden dürfen. Zigarettenraucher haben weniger Probleme damit, vor die Tür zu treten.“ So verzeichnet er gerade bei Zigarren, Whiskey und Cognac Umsatzrückgänge. Die befürchten auch viele der kleineren Clubs in Hannover, die sich die Einrichtung einer Zigaretten-Lounge nicht leisten können. Besonders betroffen sind die Rock-Clubs, da die Fans von Punk,Heavy Metal und Hardrock nicht auf die Glimmstängel vezichten wollen. Party und Tabakqualm gehören in der Szene einfach zusammen. Das negative Feedback seiner Gäste kann Ingo Gembalies vom Steintorclub Rockers nur bestätigen. Zudem seien die Umsetzung des Rauchverbots zu kurzfristig und die Informationen seitens der Behörden über die Einrichtung eines separaten Raucherzimmers im Vorfeld mangelhaft gewesen.

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Auch Emilio Lozano vom neuen Scum Club in der Georgstraße sieht die Fehler beim Gesetzgeber: „Es ist schlicht ein Eingreifen in die persönlichen Rechte. Es ist ein Problem, dass die Regierung sich ein legales Konsumprodukt, das jeder erwerben kann und überall beworben wird, aussucht und per Gesetz bestimmt, wann und wo es konsumiert werden darf.“ Emilio Lozano fragt sich, was als nächstes dran ist. „Wird auch Kuchen verboten, weil Deutschland eine Bevölkerung mit einem drohenden Übergewichtsproblem hat?“ Er bemerkt im Scum Club die gleiche Problematik wie im Bronco’s: „Ja, es gibt Umsatzeinbrüche, weil die Leute Pausen zwischen dem Bestellen der Getränke machen, um rauchen zu gehen. Ich würde sagen ein paar Hundert Euro in der Woche.“ Nur wenig entspannter ist die Lage im Rock House. Dort ist ein extra Raum für Raucher vorhanden. Trotzdem ist die Gästezahl rückläufig, da „Rock und Rauch irgendwie zusammengehören.“ Zudem entstehen erhebliche Mehrkosten durch die Anmietung des Raucherraums. Im Chéz Heinz wird das Rauchverbot seit August umgesetzt, was trotz Rauchersalons zu Problemen führte. Da andere Clubs das Rauchen noch gestattet hatten, sahen sich auch einige Gäste des Chéz Heinz nicht an das Rauchverbot gebunden. Die Macher reagierten mit einer Aufklärungskampagne: Auf Plakaten und Infokarten wurden die Gäste auf das Verbot und den Rauchersalon hingewiesen. Die Kampagne zeigt Wirkung: Außer bei 96-Übertragungen gab es keinen Besucherrückgang. „Klar gibt es die wenigen unbelehrbaren Raucher, die noch immer nicht gemerkt haben, dass sie mit ihrem Rauch die Nichtraucher beeinträchtigen, aber es gibt auch viel Verständnis und Zuspruch von Gästen, die jetzt wieder kommen,weil es ein Rauchverbot gibt,“ erklären die Macher vom Chéz Heinz.

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Die großen Discos wie die Osho, das Capitol oder das Avalon haben die Zeit bis November und ihre Größe genutzt und Extrabereiche zum Rauchen eingerichtet. Der einzige Qualm auf der Tanzfläche stammt dort aus den Nebelmaschinen – genau wie im benachbarten Celle: Die Großraumdisko Inkognito hat ebenfalls eine Raucherlounge eingerichtet. Die Gäste empfinden die Luft jetzt als deutlich sauberer, bemängeln aber im Gegenzug das nervige Hinund- her-Gelaufe der Raucher. Die Betreiber meinen: „Erst in ca. 3 bis 4 Monaten wird sich Genaueres über das Ausgehverhalten sagen lassen, speziell im Bereich von Diskotheken. Im Sommer wird das Gesetz sicherlich auch noch einiges am Ausgehverhalten ändern.“ Die Kulturbetriebe müssen das Gesetz ebenfalls umsetzen, und so rauchen die Gäste des GOP vor der Tür. Direktor Dennis Meyer verweist auf ein durchweg positives Feedback der Gäste,Mitarbeiter und Künstler des Varietés. So kontrovers und differenziert die Wirte das Rauchverbot auch sehen – bei einigen hat es doch die Kreativität beflügelt: Vor dem Castillo in der Jakobistraße steht ein Bauwagen für Raucher bereit, und die Sansibar wartet sogar mit einer edlen Limousine für Raucher auf.