PRINZ-Stadtteiltest Köln

Nordstadt, Ehrenfeld, Mülheim, Belgisches Viertel oder Neustadt-Süd: Welches ist Kölns lebenswertester Stadtteil? Der Vergleich!

Nordstadt, Ehrenfeld, Mülheim, Belgisches Viertel oder Neustadt-Süd: Welches ist Kölns lebenswertester Stadtteil? PRINZ hat sich fünf Veedel genauer angeschaut.

Belgisches Viertel

Szeneviertel mit Charme mitten im Zentrum: Kölns junge Kreative zieht es an die Aachener Straße.

Was den Berlinern ihre „Mitte“ und den Hamburgern die „Schanze“ ist, ist den Kölnern das Belgische Viertel, denn das Szenequartier versprüht Großstadtcharme im sonst so heimeligen Köln. Zwischen Stadtgarten und Aachener Straße tummeln sich Kreative, Medienmacher und Trendsetter. Und so fühlt man sich im Hallmackenreuther am Brüsseler Platz ab und zu wie im lebenden Klischee: Gutaussehende Menschen beugen sich geschäftig über ihre Macbooks, trinken IN-Getränke wie den Thomas Henry Mate Mate und klönen mit ihren designbebrillten Freunden. Dass das Viertel seinem Ruf aber durchaus gerecht wird, entdeckt man schnell beim Blick hinter die Fassade: Immer mehr Kölner Jungdesigner eröffnen Shops rund um den Brüsseler Platz, Künstler arbeiten in ihren Ateliers, und Modeverrückte führen Boutiquen, die man auch in London finden könnte. Hier geht es, was die Geschäfte betrifft, nicht so international zu: Die Anwohner sind meist junge Deutsche, daher sind asiatische Supermärkte oder türkische Dönerbuden eher die Ausnahme. Die Mieten sind im Köln-Vergleich recht hoch, schicke Neubauprojekte wie die Spichernhöfe locken Besserverdienende an den Stadtgarten. 
 
Ansonsten mangelt es allerdings an gar nichts: Es gibt große und kleine Theater, mit dem Stadtgarten und dem Grüngürtel jede Menge Erholungsflächen und eine geballte Ladung Ideenreichtum. Die Kreativität spürt man sogar abends, wenn sich die Bürgersteige und Plätze mit Menschen füllen, bevor alle irgendwann in die vielen umliegenden Clubs und Bars verschwinden. Und im Laufe solcher Abende werden aus kleineren Cliquen gerne große Gruppen, denn irgendwen kennt man immer von irgendwoher, neue Leute kommen hinzu, und schlussendlich zieht man gemeinsam weiter. Und das ist der Grund, warum das Veedel ein bisschen weltstädtisch, sehr hip, aber im Gegensatz zur Mitte und Schanze vor allem eins ist: kölsch.

Mein Viertel: Ines De Ridder, Shop-Owner, De Ridder Concept: België, Lütticher Straße 6

„Ich fühle mich im Belgischen Viertel zuhause und ich genieße das internationale Flair, da sowohl Kölner als auch immer mehr deutsche wie ausländische Touristen das Viertel gezielt aufsuchen. Was mir dabei besonders gefällt ist, dass die Leute mit guter Laune das Besondere, Ausgefallene und Andersartige suchen und finden. Dabei kommt es häufig zu sympathischen Begegnungen und interessanten Gesprächen. Im Belgischen Viertel herrscht eine kreative, kunst-, kulturinteressierte und feierfreudige Stimmung. Das Veedel ist geprägt von einer kooperativen Atmosphäre unter Geschäftsnachbarn, Anwohnern, Cafés, Bars und Restaurants. Es gibt regelmäßig spannende Veranstaltungen (Le Tour Belgique, le bloc, Late Night Shopping Findeling usw.), was immer mehr an Attraktivität gewinnt.   Das Belgische Viertel ist einfach ideal, um entspanntes Shoppen, Kunst, Musik und gutes Essen miteinander zu verbinden.“

 
 
 

Nordstadt

Im Spannungsfeld zwischen Agnesviertel, Ebertplatz und Eigelstein ist ein neuer Szenestandort entstanden

Die Eigelsteintorburg aus dem 13. Jahrhundert zählt zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Schaut man von Süden aus hindurch, blickt man direkt auf das nächste Wahrzeichen der Gegend, die Agneskirche. Optisch trennt die beiden Stadtteile der Ebertplatz, der mit seiner grauen Sechziger-Jahre-Architektur eher ein Schandfleck der Innenstadt ist. Doch das kratzt nicht an den vielen Vorzügen der Neu- und Altstadt Nord. Denn in Köln findet man wohl kaum ein anderes Viertel, das so zentral liegt und doch – im positiven Sinne – so kleinstädtisch geprägt ist wie das Agnesviertel. Während es am Eigelstein betriebsam und multikulturell-proletarisch zugeht. Rechts wie links der Torburg leben viele junge Familien, Medienschaffende und Besserverdienende, aber eben auch der alteingesessene Kölsch-Adel und Migranten neben- und miteinander. Ein Mikrokosmos mit ganz besonderem Charme.
Ein weiterer Vorteil: Die Nordstadt ist noch nicht von großen Filialisten belagert. Zahlreiche inhabergeführte Läden verleihen ihr ein eigenes Gesicht mit vielfältigem Angebot. Wer ausgehen möchte, findet mit King Georg u.a. eine der ältesten Kölschbars mit Kult-Charakter oder schlürft in der Bar Suderman nicht nur hervorragende und ausgefallene, sondern auch preisgekrönte Cocktails. Auch schöne Restaurants – vor allem die Auswahl an verschiedenen Küchen aus aller Welt fällt auf – wie die Nudelmafia oder das österreichische Restaurant Gruber’s sowie das Le Moissonnier, eine der besten französischen Adressen der Stadt, findet ihr im Veedel. Kulturelle Highlights sind die beiden Programmkinos Metropolis und Filmpalette sowie der Raketenklub und die Alte Feuerwache. Die Nordstadt hat eine große kreative Vielfalt zu bieten und so sehen wir die Nordstadt auf Augenhöhe mit dem Trendviertel Ehrenfeld.

Mein Viertel: Boris Loehrer, 35, Fotograf, Agnesviertel
„Alles, was ich brauche, habe ich vor der Haustür. Hier ist man direkt in der Innenstadt und am Rhein, wohnt aber gleichzeitig ruhig wie in einem Vorort. Doof ist, dass ich trotz Anwohnerparkausweis ständig Knöllchen bekomme, weil die Zonen unklar und unlogisch sind. Ansonsten vermisse ich nur eine Achterbahn, die direkt in der Café Bar auf der Neusser Straße endet – und eine U-Bahn- Station an der Agneskirche.“


Ehrenfeld

In weniger als drei Jahrzehnten stieg das ehemalige Schmuddelkind zum durchsanierten Vorzeigeveedel auf. 
 
Es ist nicht leicht, das besondere Flair von Ehrenfeld in Worte zu fassen. Der Stadtteil im Kölner Westen ist längst nicht so en vogue wie das Belgische Viertel oder so kölsch-gemütlich wie die Südstadt – zu viele Billigläden auf der Venloer Straße, zu viele Schmuddelecken in den Seitenstraßen. Dennoch: Der ehemalige Arbeiterstadtteil hat sich in den letzten Jahren ordentlich gemausert und steht aus unterschiedlichen Gründen in der Gunst vieler Kölner ganz weit oben. Und im Gegensatz zu Kalk – dem Stadtplaner eine ähnliche Entwicklung prophezeien, die allerdings nicht so recht vorankommen will – ist die „Gentrifizierung“ in Ehrenfeld fast von alleine passiert. Mit diesem Fachausdruck ist die „Aufwertung innenstadtnaher Wohngebiete“ gemeint, und sie funktioniert so: Junge Leute, meist Künstler, Kreative und Studenten mit wenig Geld aber vielen Ideen, suchen sich Stadtgebiete mit eher geringer Wohnqualität und vor allem mit niedrigen Mieten, um sich dort niederzulassen. Es folgen Geschäfte und Szene-Kneipen, manche Künstler etablieren sich, Altbauten werden saniert, Luxuswohnungen entstehen. So wie an der Lichtstraße auf dem ehemaligen Vulkangelände. Die dortigen Designers-Lofts sind mit ihren Sichtbetonwänden und den frei stehenden Schlafzimmer-Badewannen zwar schick, aber mit Mieten – mehrere tausend Euro pro Monat – nicht gerade für jeden erschwinglich.
Dass an den beiden Enden derselben Straße mit dem Underground und dem Sonic Ballroom Kölns Alternativ- und Punkszene verteidigt wird, macht die Sache für alle Beteiligten wiederum spannend – allerdings nur noch, so lange es geht. Denn: Leider plant die Stadt auf dem Helios Gelände Umstrukturierungsmaßnahmen, dem früher oder später auch das Underground weichen muss. Obwohl uns dieses „Weg mit der Jugendkultur und her mit mehr Wohnraum und Einkaufsmeilen“ nicht so ganz passt, müssen wir Ehrenfeld zugestehen, dass grundsätzlich aber immer darauf geachtet wird, neue Menschen und Aspekte aufzunehmen, ohne die „Alten“ fortzujagen. Früher lebten hier neben der „kölschen Urbevölkerung“ vor allem Arbeitslose und Ausländer. Das tun sie auch heute noch – allerdings Tür an Tür mit Freiberuflern und Angestellten, Rechtsanwälten und Ärzten, Gastwirten und Handwerkern, jungen Familien und Singles. Und gerade diese Mischung macht den besonderen Reiz des Stadtteils aus. Dazu kommt, dass Ehrenfeld gut zu erreichen ist: Die Innenstadt ist nur wenige Fahrradminuten entfernt, es gibt einen Autobahnzubringer, einen Bahnhof und vier Straßenbahnlinien. So lässt sich gut darüber hinwegsehen, dass es keine nennenswerten Grünanlagen gibt – man kann halt nicht alles haben.

Mein Viertel: Selim Özdogan, 38, Schriftsteller, Neuehrenfeld
„Ich lebe seit 1994 hier und vom Gefühl her hat sich seitdem gar nicht so viel verändert. Ich kann jetzt besser essen gehen, zum Beispiel im „Speisemeister“ oder im „Immer essen“ – früher gab es ja vorwiegend Imbissbuden. Aber trotz dieser angenehmen Seiten: Diesen ganzen urbanen Hype, der Ehrenfeld seit einigen Jahren anhaftet, brauche ich für mich nicht. Ich wohne gerne hier, weil es zentrumsnah ist, aber nicht mittendrin. Außerdem mag ich den hohen Ausländeranteil. Zusammen mit den echten Kölschen macht das für mich die besondere Atmosphäre in Ehrenfeld aus.“

Südstadt

Bunte Mischung: Im Kölner Süden treffen urkölsche Traditionen auf italienisches Dolce Vita.
 
Kündigt sich Besuch an und dieser will das „echte Köln“ sehen, kann man die Altstadt getrost links liegen lassen und sich stattdessen auf in die Südstadt machen. Wir sagen euch, was den Stadtteil so liebenswert macht: urige Eckkneipen, kleine, inhabergeführte Geschäfte und Bewohner, die nicht so recht in irgendwelche Schubladen passen wollen. Das urkölsche Gebiet zwischen Rheinufer und Volksgarten hat noch vieles, was den typischen Charme unserer Stadt lange ausgemacht hat. Hip ist es im Kölner Süden nicht – wenn man beispielsweise sonntags in Jogginghose auf der Severinsstraße Brötchen holen geht, fällt das niemandem unangenehm auf. Aber wer das Viertel als „Alte-Leute-Gegend“ abstempelt, liegt auch daneben. Klar, hier wohnen noch echte Originale, aber neben ihnen auch junge Familien, die sich über die zahlreichen Kindergärten und Schulen freuen, die es hier gibt. Alternative Haudegen, die nach den Hausbesetzungen in den achtziger Jahren einfach geblieben sind, fühlen sich ebenso wohl wie die jungen Gastronomen rund um den Chlodwigplatz. Die moderaten Mietpreise erfreuen Studenten wie Professoren, und eine große italienische Gemeinde sorgt für eine Portion Internationalität. An Karneval schwören viele auf die tolle Atmosphäre rund um die Severinstorburg.
 
Doch zum Stadtgespräch wurde die Südstadt wegen verschiedener Großbauprojekte, die Stadt und Investoren hier verwirklichen: Um den südlicheren Teil Kölns mit der Innenstadt zu verbinden, baut die KVB nun schon seit Jahren an der Nord-Süd-Bahn. Neben immer neuen, nervenden Straßensperrungen, Lärm und Dreck kam 2016 nun auch der Umbau der Bonner Straße hinzu. Ein weiteres Lieblingsprojekt der Stadtplaner ist der Rheinauhafen. Dort haben sich in den schicken Neubauten große Firmen wie Microsoft und Electronic Arts einquartiert, wodurch viele Neu-Kölner in die Südstadt kommen. Aber obwohl zwischen renoviertem Hafen und Ubierring nur die Rheinuferstraße liegt, bleiben es zwei grundverschiedene Welten. Die Designbauten haben nicht das Geringste mit dem alternativen Vringsveedel gemein, das nur einen Steinwurf weit entfernt liegt. Nur beim Sonntagsspaziergang treffen Alteingesessene und Zugezogene für kurze Zeit aufeinander – und dann stimmt die für Köln so typisch bunte Mischung wieder.

Mein Viertel: Daniel Rabe, Gastronom, Bagatelle (Teutoburger Str. 17); Alteburger Hof (Alteburgerstr. 15a) „Besonders gefällt mir an der Südstadt die lockere und ungezwungene Atmosphäre, die verschiedenen Menschen mit all ihren Eigenarten und die tolle Kneipenkultur, die es so nur hier gibt. Lieblingsorte zum Trinken sind das Terrarium, die Torburg und die Kneipe Zum Pitter. Zum Essen gibt es endlos viele Möglichkeiten – im Moment gehe ich am liebsten aber ins Kartöffelchen und in die Speisekammer. Lieblingsort ist die Bonner Straße mit ihren vielen unterschiedlichen Geschäften und Gastronomien.“

Mülheim

Wer mit Mülheims krassen Realitäten klarkommt, kann sich über sein vielseitiges, aufregendes Veedel freuen.
Abgerockte Kaugummiautomaten neben mondänen Jugendstiltüren, Müll auf der Straße, Graffiti – das ist Mülheim rund um die Berliner Straße. Futuristische Betonbauten und helle Lofts neben Fabrikhallen aus rotem Backstein – das ist Mülheim entlang der Schanzenstraße. Bürgerliche Gemütlichkeit rund um die St. Clemens-Kirche, Basar-Flair auf der Keupstraße, Partywummern im Gebäude 9 oder auch erstklassiges Rheinpanorama – auch das ist Mülheim. Das sieben Quadratkilometer große Quartier steckt voller Gegensätze und kann sich hinter jeder Straßenecke anders anfühlen. „Mülheim ist extrem heterogen“, sagt Thomas Krutmann, Schauspieler und Mitbetreiber des Gebäude 9. Er lebt seit Jahren hier. „Man wird jeden Tag mit Armut und Bildungsnotstand konfrontiert, Konflikte werden gerne auf der Straße ausgetragen, und die vielen verschiedenen Nationalitäten bleiben weitgehend unter sich. Weil die einzelnen Gruppen sich nicht öffnen, ist das Viertel auf eine unspannende Weise international.“ Rund 18700 der 41000 Mülheimer sind ausländischer Abstammung. Spannend findet Krutmann hingegen eine andere Entwicklung: „Seit ein paar Jahren ziehen viele nicht mehr ganz junge, aber szenige Leute hierher, die eine Familie gründen wollen. Das wird den Stadtteil verändern.“ Einige neue Cafés und Kneipen sind bereits hinzugekommen, trotzdem ist der Latte-Macchiato-Faktor insgesamt noch recht mau.
Abgesehen von Industrieromantik und prächtigen Altbauten glänzt Mülheim mit ambitionierten Gewerbeflächen. Beispielsweise die Seiler Höfe: Die ehemalige Seilerei des Kabelwerks Felten & Guilleaume an der Schanzenstraße wird von vielen TV-Produktionsfirmen okkupiert. Beliebt bei Kölns Kreativen ist auch das vom Keller bis unters Dach ausgebuchte Kunstwerk an der Deutz-Mülheimer-Straße. Privater Wohnraum wurde unter anderem in der Hafenstraße geschaffen. Auch auf dem Lindgens-Areal, das Wohnen direkt am Hafenbecken verspricht, ist ein gemischt genutztes Quartier mit Büros, Kleingewerbe- und Wohnnutzung geplant. Und mal sehen wie es mit der „Gentrifizierung“ in Mülheim weiter geht, wir werden es verfolgen.

Mein Viertel: Liz Tsavlou, 34, Schnitttechnikerin, Berliner Straße
„Ich bin vor Jahren wegen der günstigen Altbauwohnungen hierhergezogen. Geblieben bin ich, weil Mülheim weder spießig noch angestrengt szenig ist. Ich mag das Zusammentreffen unterschiedlicher Menschen – von Studenten über Skater bis hin zu Ausländern und kölschen Urgesteinen. Zum Alltag in Mülheim gehören auch Hartz IV und Drogen, das kann nicht jeder ertragen. Um hier gerne zu leben, muss man offen und tolerant für andere Lebensweisen sein. Dafür entschädigt aber die Nähe zum Rhein.“

 

Ein von @almusine gepostetes Foto am 15. Aug 2016 um 8:25 Uhr

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