Besuchenswerte BPM–Tempel im Herzen der Elbestadt

Elektronische Musik war, besonders in Form von Techno und House, der wichtigste Musiktrend in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts und bildete zu jener Zeit die größte Jugendkultur Europas. Ihr Einfluss hat die Sichtweise in der modernen Musik verändert und Rock & Roll in seiner jahrzehntelang dominierenden Position abgelöst.

Elektronische Musik bezeichnet im allgemeinen Musik, die (nicht immer permanent) mit elektronischen Geräten erzeugt oder transformiert wurde. Aus strenger Sichtweise umfasst der Begriff ausschließlich Musik, deren Klangsynthese mit Hilfe elektronischer Instrumente und Komponenten (Synthesizer, Sampler, Sequenzer, Computer, Drumcomputer, elektronische Effektgeräte) stattgefunden hat.

Erste Schritte…

Waren die ersten Schritte der elektronischen Musikentwicklung noch der so genannten “Kunstmusik” zuzurechnen, so dauerte es nicht lang und diese Einflüsse wurden bald auch von der Populärmusik aufgegriffen. In den späten 60er Jahren des letzten Jahrhunderts spielte der Künstler Walter Carlos zwei Alben ein, die sehr zur Popularisierung elektronischer Musik beitrugen: “The well-tempered Synthesizer” und “Switched-on Bach”. Auf beiden wird klassische Barockmusik auf Moog-Synthesizern dargeboten. Mit der fortschreitenden technischen Entwicklung wurden Synthesizer immer billiger und vor allem tragbarer, so dass sie bald auch von Rockbands wie Pink Floyd und United States of America genutzt wurden. Besondere Bedeutung in einer ersten Auslotung elektronisch erzeugter Musik kommt dabei deutschen Bands wie Tangerine Dream, Neu, Can, Cluster oder La Düsseldorf zugute. Aber auch Solokünstler und Produzenten wie Giorgio Moroder (Er produzierte zusammen mit Donna Summer den auch heute noch sehr populären Track “I feel love“), Jean-Michel Jarre und einige Produzenten von Disco-Music setzten sich passioniert für ein zügiges Vorankommen dieser innovativen, musikalischen Impulse ein. Die Soundexperimentalisten von Kraftwerk sind in diesem Prozess als herausragendes Beispiel zu nennen, leisteten sie doch wichtige Pionierarbeit für kommende Musikstile wie Elektronic Body Music (EBM), Hip Hop, Elektro, House und Techno. Besonders Ihr 1974 erschienenes, Album “Autobahn” (EMI) sollte viele zukünftige Musiker zur Erschaffung einer neuen musikalischen Epoche bewegen.

“Am Heimcomputer sitz ich hier…“

“Am Heimcomputer sitz ich hier, und Programmier die Zukunft mir”. Die Tragweite dieser Worte, die auf Kraftwerks 1981 erschienener LP “Computerwelt” enthalten sind, sollte sich sehr viel schneller bewahrheiten, als es viele für möglich hielten. Das Besondere, selbst mit geringen Budgets konnte das notwendige Equipment, dank der rasanten, technischen Entwicklung, bald schnell und unkompliziert für jeden begeisterten Heimsoundtüftler verfügbar sein. In den folgenden Jahren der 80er fand die elektronische Musik schließlich genreübergreifenden Eingang in die allgemeine Popmusik, besonders propagiert von Bands wie Depeche Mode, The Human League, Yello und New Order, deren damalige Produktionen wiederum einen großen Einfluss auf viele heute anerkannte Produzenten haben sollte.

Facettenreiches aus der Großstadt

Etwa zur gleichen Zeit entwickelten sich, anfangs noch relativ unbemerkt, neue Facetten elektronisch basierter Musik, speziell in der black community postindustrieller US-Großstädte wie Detroit und der homosexuellen Underground Szene von New York sowie Chicago. Während sich in Detroit ein auf stark monotonen Beats basierender Sound heraus bildete, der von den Protagonisten selbst als “Techno Music” bezeichnet wurde, entwickelte sich in Chicago und New York, ein auf Weiterentwicklung von Disco, Soul und Funk basierender Stil, der unter dem Begriff House in die Geschichte eingehen sollte.
Zu den wichtigsten Persönlichkeiten dieser “ersten Generation” von Techno und House Produzenten zählen Künstler wie Juan Atkins, Derrick May, Kevin Saunderson, Eddie “Flashin” Fowlkes, Jesse Saunders, Phuture, Frankie Knuckles, Farley Jackmaster Funk, Larry Levan und Marshall Jefferson.

Juan Atkins wird mit der Veröffentlichung des Tracks “No Ufos”, unter seinem Pseudonym Model 500, die Produktion der ersten Techno Platte zugeschrieben. Diese Platte diente vielen anderen Produzenten dieses Genres als Grundlage Ihrer eigenen Produktionen. Aber auch in Deutschland wurden, parallel zu den Ereignissen auf der anderen Seite des großen Teiches, neue musikalische Visionen mit Feuereifer verwirklicht. DJ Talla 2XLC veröffentlichte 1984 mit seinem Projekt Moskwa TV den Titel “Tekno Talk”. Wenig später sollte ein DJ Namens Sven Väth unter seinem Projektnamen OFF mit “Electrica Salsa” seinen ersten Track produzieren, der europaweit zu einem Clubhit wurde. Der nach Berlin übergesiedelte Münsteraner DJ Westbam sollte ebenfalls eine wichtige Rolle in der Entwicklung der noch jungen Szene spielen. Nicht nur seine damaligen Sets in denen er Soul, Disco und die ersten House Platten auf unbegreifliche Weise zusammenmischte, waren seinerzeit eine bahnbrechende Sensation.

Globaler Massenmagnet und Nischenkunst

Ungefähr zeitgleich begannen Techno und House Europa zu erobern. 1988 leitete insbesondere der Stil Acidhouse den berühmten “Summer of Love” in England und auf der Balearen Insel Ibiza ein.
Seine Hochzeit erlebte Techno dann Mitte der 1990er Jahre. Veranstaltungen wie das Tribal Gathering Festival in Großbritannien und die Loveparade in Berlin werden in dieser Zeit zu wahren Massenmagneten, wobei letztere Veranstaltung zu Ihren Spitzenzeiten über 1,5 Millionen Besucher verzeichnen konnte. Acts wie The Prodigy und Underworld verkauften von Ihren ersten Singels und Alben weltweit Millionen Stückzahlen, Techno Veranstaltungen sprossen Europaweit wie Pilze aus dem Boden und Djs waren auf einmal die Popstars der Neunziger. In dieser Zeit entstanden auch die verschiedensten Unterarten der elektronischen Musik wie Minimaltechno, Trance, Techhouse, Goa, Gabber, Breakbeat und Drum and Bass. Nach den Jahren der Euphorie, ebbte der Techno Hype Ende der 90iger Jahre allerdings spürbar ab. Bedingt durch die Jahre der kommerziellen Ausschlachtung und der daraus resultierenden Abwendung vieler ehemaliger Anhänger, begann die Szene sich “gesund zu schrumpfen” und zog sich wieder mehr in den Untergrund zurück, aus dem sie ursprünglich entstanden war.
In diesen wichtigen Jahren hatte sich aber längst ein weltweites Netzwerk von Musikern, Djs, Plattenlabels, Agenturen, Clubs, Magazinen und Vertrieben gebildet. So konnten die bisher gesetzten Ideale erfolgreich aufrechterhalten und der Szene auch weiterhin neues Leben eingehauchen.
In dieser Zeit wuchs parallel dazu auch eine neue Generation an Clubgängern, DJ’s und Produzenten heran, die der immer wieder totgesagten Technomusik Ihrerseits ständig neue Impulse verliehen. Durch diese Mischung aus erfahrenen Protagonisten der ersten Stunde, sowie den frischen und unvoreingenommenen Nachwuchsgenerationen, wurde die heute bestehende Szene zu einer neuen Blüte getragen. Im Laufe der letzten Jahre ist ein wiedererstarktes Interesse an elektronischer Musik zu erkennen und ihr Facettenreichtum ist größer denn je.

Direkt vor der Housetür…

Auch Magdeburg hat im Laufe der letzten Jahre einige Clubs und Veranstaltungen hervorgebracht, die der örtlichen Szene ihr aktuelles „Gesicht“ verleihen und die den Vergleich mit anderen Institutionen im Club- und Veranstaltungsbereich in den anerkannten Partyhochburgen Deutschlands (Berlin, Frankfurt und München usw.) nicht zu scheuen brauchen. Im Folgenden werden wir Euch entsprechende Veranstaltungen und Clubs vorstellen.

Prinzzclub, Timex Club, Kunstkantine, Sackfabrik, Klub Luise, Diamant Brauerei, Deep, Heaven.

Prinzzclub

Mitten im schönen Magdeburg, in der Nähe des Eiskellerplatzes, befindet sich dieser mittelgroße, gemütliche Club. Er ist ein Mix aus dekadentem Retro-Biedermeier-Flair und leicht fluffiger Note in einem feinen Backsteingewölbe. Hier gibt es samstags regelmäßig eine der besten Houseveranstaltungen der gesamten Stadt. Nationale und Internationale Housegrößen wie Phil Fuldner, Tom Novy, J.C.A., The Discoboys, Future Funk, Howard Donald, Digitalizm und die Boogie Pimps geben sich hier regelmäßig die Ehre. Einmal im Monat halten unter dem Namen “Electric City” auch die etwas undergroundigeren, elektronischeren Sounds im Prinzz Einzug. Freitags und unter der Woche kommen hier vor allem „black music“ Fans auf Ihre Kosten.


Prinzzclub

Timex Club

In der Halberstädter Straße, unweit des Prinzz, findet Ihr den Timex Club. Die Räumlichkeiten besitzen ein wesentlich roheres, undergroundigeres Ambiente als der vorherig beschriebene Club.
Ein Vergleich zu einigen ehemaligen Undergroundinstitutionen in Berlin drängt sich hierbei förmlich auf, was für den geneigten Elektronik Liebhaber aber eindeutig als positiv zu bewerten ist. Hier ist der Freitag unter dem Namen “Klub Elektrik” der Anlaufpunkt für alle Fans aktueller, elektronischer Clubmusik. Szenegrößen wie Phonique, Sascha Funke, DJ Disko, Troy Pierce, Richard Bartz, Gabriel Ananda, Frank Martinique, Mathias Tanzmann, Luna City Express, Jake Farley, Metope, Marek Hemmann und viele weitere „Big names“ geben sich hier die sprichwörtliche Klinke in die Hand. In seiner Booking Philosophie und der daraus resultierenden Auswahl an Djs und Live Acts, ist der Timex einzigartig in Magdeburg. Speziell die Line Up’s seit Mitte letzten Jahres, stellen selbst manches Line Up der angesagtesten Clubs und Partys in Berlin in den Schatten.


Timex

Kunstkantine

Einmal im Monat lassen es die O.C.C. Jungs um Etienne & Pittner, Lorenz Kraach und Dj Tork richtig krachen. Der Flair der Kunstkantine ist unnachahmlich, die Mischung der Gäste nahezu perfekt und der Veranstaltungsname “Buckau Rock” ist mehr als Programm! Seit einer halben Ewigkeit schon sind diese DJs aus Magdeburgs Nachtleben nicht mehr wegzudenken. Aktuelle musikalische Entwicklungen im Bereich der elektronischen Musik werden von der KK-Crew offenherzig aufgenommen und sorgen so für eine regelmäßige, abwechslungsreiche Frischzellen-Kur. Stagnation und falschen Stilpurismus gibt es hier nicht! Regionale und Überregionale Gast Djs sorgen neben den etablierten Residents mit frischen Sounds immer wieder für euphorische Momente auf dem Dancefloor, so dass der Ruf dieser Partyreihe Ihnen sogar schon weit über die Grenzen Magdeburgs und Sachsen-Anhalts vorauseilt. Diese Party ist immer einen Besuch wert!

Sackfabrik

Eine Institution mit offenen Soundkonzept, von Rock & Roll bis Techno. Regelmäßig finden hier auch elektronische Partys wechselnder Veranstalter statt. Ob Goa, Techno, Minimal oder Elektro, die Sackfabrik bietet Raum für die verschiedensten Ansätze und Facetten der elektronischen Musik. Auch hier sind des öfteren anerkannte Szenegrößen wie z. B. Housemeister aus Berlin zu hören, aber auch viele talentierte Vertreter der lokalen DJ Zunft spielen bei den diversen Veranstaltungen auf. Hier sei Euch aktuell die neue Partyreihe “Electronic Bitches” ans Herz gelegt.


Sackfabrik

Klub Luise

Der Magdeburger Musikklub am Hassel, Ecke Keplerstraße / Otto von Guericke-Straße, steht ganz unter dem Motto “Rent your Club”. Wechselnde Veranstalter bieten hier die verschiedensten Partys, von Black, Reggae über Rock und Dark Wave, bis hin zu Minimal, House und Drum and Bass.

Diamant Brauerei

In unregelmäßigen Abständen finden auch hier sehr feine, elektronisch geprägte Partys statt.
Für entsprechende Infos behaltet Ihr am besten die bekannten Auslagestellen für Flyer in Magdeburg im Auge. Diverse Veranstaltungen in diesen Räumlichkeiten bestreiten unter anderem die Jungs von Complex-MD.

Deep

In der Einsteinstraße am Hassel gelegen, gehört das Deep zu den besten Bars Magdeburgs. Leckere Cocktails sowie die freundlichen Mitarbeiter hinter der Bar tragen Ihren Teil zum überaus angenehmen Gesamteindruck bei. Wechselnde Djs bieten speziell am Wochenende mit unterschiedlichen Spielarten der elektronischen Musik das perfekte, musikalische Warmup für eine lange Clubnacht.

Heaven

Ebenfalls in der Einsteinstraße gelegen, bedient hier die charmante Chefin meist selbst die Gäste mit den unterschiedlichsten Flüssigleckereien. Hier werden ebenfalls regelmäßig die “wheels of steel” von den verschiedensten Djs in Rotation versetzt, wobei der Focus auf diversen elektronischen Stilrichtungen liegt. Aber auch spezielle Reggae Abende haben hier Ihren Platz.
Sogar DJ Größen wie DJ Jauche a. k. a. Jack Flash haben den in plüschigem rot gehaltenen Laden schon beschallt und unterstreichen damit den hier vorhandenen Anspruch an schöne und gepflegte Musik.
Da kann diese Bar schon mal schnell zum von Tanzlustigen erfüllten Micro-Club mutieren. Eine echte Empfehlung!


Heaven
Foto “Pitch Baby°” (Regler) und “Cover-Session II” (Discokugel) von photocase.com.

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