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Jetzt im Kino: “VAMOS A LA PLAYA” – Interview mit Regisseurin Bettina Blümner

Im tragikomischen Roadmovie VAMOS A LA PLAYA erzählt Bettina Blümner von drei deutschen Freund*innen in Kuba. Auf der Suche nach Spaß, Selbstbestimmung, Liebe und Lust müssen sie sich der unbequemen Frage stellen – wie mit den eigenen Privilegien umgehen?

Genre: Tragikomödie
Besetzung: : Leonard Scheicher, Victoria Schulz, Maya Unger, Jakub Gierszal, Eugenio Torroella Ramos
Im Kino ab 27. April 2023

Westliche Begierden und soziale Ungerechtigkeiten

Die Studentinnen Benjamin, Katharina und Judith reisen nach Kuba, dabei verfolgt jeder ganz eigene Pläne. Katharina will eigentlich ihren abgetauchten Bruder Wanja finden. Das wird jedoch schnell zur Nebensache, denn sie sucht auch das sexuelle Abenteuer, für das sie bereit zu zahlen ist. Benjamin hingegen sucht nach der echten Liebe und Judith will eigentlich gar keine Beziehung. Als der kubanische Tanzlehrer Ignacio auftaucht und die Dreierkonstellation durcheinander wirbelt, verstricken sich alle immer tiefer in emotionalen Widersprüchen, sexuellen Begierden und aufrichtigen Gefühlen. Zunehmend kollidieren zudem die klischeehaften Projektionen der westlichen Tourist*innen mit der komplexen Realität wirtschaftlicher Ungleichheit auf der Insel.
Das Roadmovie VAMOS A LA PLAYA begleitet drei junge Deutsche auf ihrer äußeren und inneren Reise, wirft auf tragikomische Weise Fragen um jugendliche Befindlichkeiten, kulturelle Missverständnisse, Sex-Tourismus und soziale Ungerechtigkeiten auf und gibt einen Einblick in das Verhältnis von naivem Tourismus und kubanischer Lebensrealität.

INTERVIEW MIT DER REGISSEURIN BETTINA BLÜMNER

Wie entstand die Idee zu VAMOS A LAPLAYA?
Der Film spielt auf Kuba, ein beliebtes Urlaubsziel, das im Westen oft romantisiert wird. Auch wir betrachten die Insel aus der Perspektive von Reisenden, aber abseits von Klischees, oder wenn, dann stolpern die drei ProtagonistInnen Benjamin, Katharina und Judith über sie. Auch die Drehorte, die Kameramann Janis Mazuch und ich ausgewählt haben, zeigen Orte, die sonst eher nicht in Filmen über Kuba gezeigt werden.

Du hast selbst eine Zeit lang in Kuba gelebt und studiert. War es wichtig für dich, bestimmte Eindrücke, die du während deiner Zeit dort gewonnen hast, in den Film mit einfließen zu lassen?
Der Film beruht auf Erfahrungen und Beobachtungen, die ich während meiner Recherche Reisen auf Kuba und auch während meines Studiums an der EICTV, der kubanischen Filmhochschule, gesammelt habe. Die drei Hauptdarsteller*innen Leonard Scheicher, Victoria Schulz und Maya Unger sind eine große Entdeckung.

Film-Szene Das reinste Vergnügen

Wie hat sich der Casting-Prozess gestaltet?
Die Casterin Ulrike Müller und ich haben lange und intensiv gecastet. Es gab Castings in verschiedenen DarstellerInnen Konstellationen, bis ich mir am Ende sicher war, dass wir ein sehr gutes Team für diesen Dreh sind. Vor dem Dreh auf Kuba haben wir viel geprobt, Filme geschaut, Reggaeton-Tanzkurse belegt und eine Seekuh im Berliner Zoo besucht.

Welche Herausforderungen begegneten dir während der Dreharbeiten?
Einen Film mit überschaubarem Budget im Ausland zu drehen, ist eine große Herausforderung. Auf Kuba gestaltet sich alles noch komplizierter. Die Produzentin Jamila Wenske und ich mussten lange auf die offizielle, kubanische Drehgenehmigung warten und den Dreh mehrmals verschieben. Generell braucht es eine große Flexibilität um so ein Filmprojekt zu realisieren. Und sehr viel Geduld und Optimismus.

Hast du strikt nach Drehbuch gearbeitet?
Der Co-Autor Daniel Nocke und ich hatten ein Gerüst in Form des Drehbuchs. Einige Szenen habe ich nach den Proben in Berlin und auch während des Drehs auf Kuba hinzugefügt. Die Smartphone Aufnahmen sind Improvisationen der Darsteller, die ich thematisch vorgegeben habe. Ein Herausstellungsmerkmal des Films ist seine Authentizität.

Die ProtagonistInnen sind ungeschminkt, unrasiert und unverblümt. Warum wolltest du Deine Figuren so zeigen und wie war das für die SchauspielerInnen?
Die Dreharbeiten waren intensiv. Die DarstellerInnen und das Team konnten die Insel nicht verlassen, wir haben die Reise und den Film gemeinsam gemacht. Wir sind während des Drehs zusammengewachsen. Letztendlich sind die Rollen von Leonard Scheicher, Victoria Schulz und Maya Unger auch ihre privaten Erfahrungen auf der Reise, alles ist ineinander verschmolzen und alle haben offen ihre persönlichen Erfahrungen mit ins Projekt einfließen lassen. Ich habe ihnen vertraut und sie mir. Durch die Verschmelzung dieser verschiedenen Ebenen, die Rolle und das private Erleben, wirkt das Spiel noch authentischer, wie ich finde. Es war eine große Freude, das zu erleben und mit ihnen zu arbeiten.

Im Film gibt es auch immer wieder Einstellungen, in denen sich die ProtagonistInnen selbst mit dem Handy filmen. Wie kam es zu der Idee?
Smartphones gehören zu unserem Alltag. Für meine Protagonisten ist es das Medium der Selbstreflektion und der Beobachtung. Sie versuchen mit Hilfe des Smartphones sich und das Land besser zu verstehen. Mit dem Film VAMOS A LA PLAYA war ich Wim Wenders Stipendiatin der Wim Wenders Stiftung in Zusammenarbeit mit der Film-und Medienstiftung NRW. Das Stipendienprogramm unterstützt Filmprojekte, die mit anderen Erzählformen experimentieren und die Bildsprache bereichern.

Welche zentralen Fragen wirft der Film für Dich auf?
Der Film schubst die ProtagonistInnen in ein Land, das aus den Fugen geraten ist und so ganz anders tickt als sie sich vielleicht vorgestellt haben. In diesem Umfeld beginnen Katharina, Judith, Benjamin und Wanja sich selbst zu hinterfragen. Es bröckeln also nicht nur die Fassaden, sondern vor allem das Bild, das sie von sich selbst haben. Gleichzeitig geht es darum, wie wir wohlhabenden EuropäerInnen auftreten, wenn wir uns im Ausland befinden. Wir schämen uns für unsere Privilegien. Gleichzeitig träumen wir davon, die Welt gerechter zu machen. Die große Frage ist nur: wie?

Katharina möchte sich Sex kaufen. Worin liegen deiner Meinung nach die Hauptunterschiede zu „typisch“ männlichen Sextourismus?
Der weibliche Sextourismus funktioniert über Geschenke und Emotionen. Die kubanischen Männer bieten Nähe und emotionale Wärme, nach einem längeren Kennenlernprozess lernen einige Frauen zum Beispiel ihre Familien und Freunde kennen. Aus der Bindung heraus erfüllen Frauen gerne die Wünsche der Männer, die meist materieller Art sind. Die Grenzen sind fließend. Die ProtagonistInnen unterscheiden sich sehr voneinander und in ihrem Umgang mit Wertvorstellungen oder dem Thema Sex und Liebe.

Erkennst du dich wieder in einer/einem?
Ich erkenne mich in allen Figuren wieder und kann sie emotional nachvollziehen. D.h. gleichzeitig nicht, dass ich mich genauso verhalten würde.

Was wünschst du dir, dass das Publikum aus deinem Film mitnimmt?
Dieser Film ist wie eine spontane Reise: Schnell das Handtuch auf die Liege werfen und auf zum Strand. VAMOS A LA PLAYA macht Spaß, ist humorvoll und ernst zugleich. Der Film ist wie Urlaub, der einen über seine Grenzen stößt und gleichzeitig nimmt man eine Menge daraus mit nach Hause.

Über die Regisseurin BETTINA BLÜMNER

Regisseurin Bettina Blümner wurde für ihr Langfilm Debüt PRINZESSINNENBAD mit dem Deutschen Filmpreis und dem Preis Dialogue en Perspective der Berlinale ausgezeichnet. VAMOS A LA PLAYA feierte seine Weltpremiere im Rahmen des Zürich Film Festivals 2022. Sie ist Regie-Absolventin der Filmakademie Baden- Württemberg in Ludwigsburg. Für ihren ersten Langfilm, den Dokumentarfilm PRINZESSINNENBAD, erhielt sie im Jahr 2007 den Deutschen Filmpreis. 2016 erhielt Bettina Blümner das Wim Wenders Stipendium für ihren Spielfilm VAMOS A LA PLAYA.

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