Kraftklub im Interview über die Verliererstadt, gute Fans und Ausverkauf

Kraftklub will immer noch nicht nach Berlin! Eine Ode an Chemnitz, notwendige Übel und gute, reflektierte Fans. Im Interview lest ihr mehr.

„Und selbst wenn alles scheiße ist, du pleite bist und sonst nichts kannst, dann sei doch einfach stolz auf dein Land. Oder gib die Schuld ein paar anderen armen Schweinen. Hey wie wäre es denn mit den Leuten im Asylbewerberheim!“

Der Song „Schüsse in die Luft“ passt derzeit wie der sprichwörtliche Arsch auf Eimer. Kraftklub positioniert sich seit jeher. Um die Erwartungen der zweiten Platte „In Schwarz“ auf dem Boden zu halten, machte Gitarrist Steffen schon anfangs klar, dass das nur schiefgehen könne. Da sie eh nur versagen können, gebe es weniger Druck. Wir haben nachgefragt, ob der Plan aufgegangen ist. 


Und? Hat’s funktioniert?
Ja, na klar. Das Ding ist: Schlimmer, als dass es nach hinten losgeht, kann es nun mal nicht werden. Die Erwartungshaltung, die die Leute bei einem zweiten Album haben, ist klar. Als wir angefangen haben, Songs zu schreiben und aufzunehmen, haben wir keinen Druck oder Stress verspürt. Das kam zum Glück erst als es fertig war. Da haben wir uns Gedanken gemacht wie: „Hmmm, ist das jetzt cool?“ Aber da war es dann eh schon zu spät (lacht). Und letztendlich: Also wir finden es cool.

Seid ihr mit den Reviews zufrieden? 
Ich muss sagen, ich lese nicht viel über uns. Auch wenn ich Interviews gebe – ich kann mir die nicht noch mal angucken, was ich da so gequatscht habe. Aber klar waren auch Rezensionen dabei, die man erwartet hat wie z.B. „Was Neues ist es nicht“. Aber die haben immer noch nicht verstanden, dass nichts Schlechtes daran ist, wenn sich der Sound nicht verändert hat. Wir sind aber auch nicht in so einer Phase, wo wir denken, dass wir uns jedes Mal neu erfinden müssten. Deswegen konnten wir mit der Kritik auch gut umgehen. 

Sind Promo-Sachen wie Interviews für dich ein notwendiges Übel? Würdest du lieber nur Platten machen und auf der Bühne stehen?
Ich würde am liebsten nur auf der Bühne stehen. Ich finde selbst Plattenmachen macht nicht so viel Spaß. Das ist eigentlich das notwendige Übel, also Songs aufzunehmen (lacht). Aber man sollte sich auch nicht beschweren und sich freuen, dass Leute Interviews machen wollen. Schlimmer wäre es, wenn es nicht so wäre.

Ihr seid Chemnitzer bzw. Karl-Marx-Städter und werdet nicht müde, das auch in euren Songs zu erwähnen. Warum?
Weil viele Chemnitz so ein bisschen als Verliererstadt wahrnehmen. Wenn man mal jemanden danach fragt, kommt entweder: „Nö, kenne ich nicht“, oder „Ja, ist das nicht die drittgrößte Stadt Sachsens?“ Mit diesem Underdog und scheinbar aus-dem-Hinterland-zu-kommen spielen wir. Wir kommen aus Chemnitz – der Stadt, die keiner kennt und die uncool ist, und wir sind trotzdem irgendwie cool.

Ihr wohnt alle auch noch in Chemnitz. Was geht da so? Was würdest du jemandem erzählen, um zu beweisen, dass die Stadt gar nicht so uncool ist?
Ach, na die meisten Leute haben damit ja auch recht (lacht). Ich würde jetzt niemandem erzählen: „Hey, hier kannst du richtig was erleben!“ Das stimmt ja nicht. Ich glaube als Chemnitzer findet man es cool, weil man alles kennt. Aber jemand anderem die Stadt schönzureden, wird auch ziemlich schwer. Das Schöne an Chemnitz ist, dass es zwar ein bisschen dorfmäßig ist, aber wiederum auch nicht zu klein. Es ist aber auch nicht zu großstädtisch, dass sich die alternative oder urbane Kultur in verschiedene Gruppen aufteilt. Es gibt so ein paar Leute, die ähnliche Interessen haben – und die treffen sich früher oder später. Hip Hopper oder Punks hängen nicht nur für sich ab, sondern man ist in Chemnitz sozusagen genreübergreifend befreundet. 

Also bleibst du auch in Chemnitz?
Wir sind so oft unterwegs, da freue ich mich wenn ich zu Hause bin. Und das Zuhause muss jetzt auch nicht irgendwo anders sein. Beruflich muss ich nicht unbedingt in Berlin leben – das kann man auch alles von hier aus machen. Deswegen ist das total cool, in Chemnitz zu wohnen. Da kann man sich noch eine schöne große Wohnung leisten, man hat seine Familie und Freunde hier – ist alles kein Stress. Das ist das, was ich will, wenn ich einen halben Monat unterwegs bin: Wenn ich nach Hause komme, will ich nicht in mein 10qm-WG-Zimmer. 

Klingt sogar glaubwürdig.
Ja, man muss sich tatsächlich immer rechtfertigen, dass man noch dort wohnt und kriegt zu hören: „Das glaube ich nicht – aww, come on …!“ (lacht). Aber wir haben es nie verstanden, warum man unbedingt nach Berlin ziehen muss. Viele glauben es uns immer noch nicht, aber das ist ja auch egal.

Was ihr ja auch schon gesanglich zum Besten gegeben habt. Haben die Berliner euch nicht auch eine ziemlich hohe Punktzahl für „Ich will nicht nach Berlin“ beim BuViSoCo gegeben? 
Ja, aber das war mir schon vorher klar, dass die Berliner das am besten verstehen. Ich glaube, gerade in Berlin funktioniert der Song auch am besten live (lacht). Da wissen die Leute, wovon wir sprechen.

Ihr kommt Kritikern mit Ironie oft zuvor, z.B. bei „Unsere Fans“. Nervt das Mainstream-Gequatsche?
Nicht wirklich. Wir hatten nie Probleme damit, dass wir bei einem Major Label sind. Wir haben uns da nie wirklich angegriffen gefühlt, weil wir uns nicht verbiegen lassen. Wir haben immer gemacht, was wir wollten: vor vielen Leuten spielen und mit unserer Musik Erfolg haben. Wir fanden es nur komisch, wenn Leute uns klagen, dass sie uns jetzt nicht mehr so cool finden wie früher. Aber wir waren ja auch nie wirklich Indie. Das tut mir sehr leid für die Leute, dass die das so sehen. Aber deswegen fanden wir es so lustig, das einfach mal umzudrehen bei „Unsere Fans“. Das hat auch sehr viel Spaß gemacht. Wir glauben auch, dass unsere Fans diesen Spaß verstehen und mitmachen. Ich denke nicht, dass da sich jetzt jemand angegriffen oder beleidigt fühlt. 

Obwohl ihr bei Facebook deswegen von einigen aufs Dach gekriegt habt.
Ja, ja. Aber das war ja auch zu erwarten. Der gute Fan kann das schon reflektieren und verstehen (lacht).

Was: Kraftklub In Schwarz Tour 2015
Wann: 08.03.2015 um 19:30 Uhr
Wo: Stadthalle Magdeburg

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