Rotschopf Elly Jackson im Interview
Inhaltsverzeichnis
%__site.name%:
Elly, wie sollen dich diese Leute nach deinem Wunsch in Erinnerung behalten?
Elly:
Ich würde liebend gerne den selben Art von Einfluss auf andere haben wie ihr Annie Lennox, Grace Jones, Blondie oder Madonna auf mich hatten. Aber ich denke nicht, dass das jemals möglich wäre. Das wäre die ideale Situation. Aber um ehrlich zu sein: Ich werde wohl wahrscheinlich eh als das Mädchen mit der albernen Frisur in Erinnerung bleiben.
%__site.name%:
Dein Plattenlabel beschreibt dich im Pressetext als das Mädchen mit den “Sommersprossen und einer süßen Stupsnase”. Hast du dich damit abgefunden auf soetwas reduziert zu werden?
Elly:
Das stört mich nicht. Du kannst es nicht wirklich verändern wie man sich an dich erinnert. Du musst einfach die sein, die du bist, und wie man sich an dich erinnert, bleibt nunmal, wie man sich halt an dich erinnert. Die Leute scheinen sich ja schon sehr lange an mich zu erinnern, da müsste ich ja jetzt fast schon tot oder so sein.
%__site.name%:
Schauen wir in die Vergangenheit: Du warst zuerst beim französischen Label Kitsuné und hast dort zwei Singles veröffentlicht…
Elly:
Ja, “Quicksand” und den Lifelike-Remix von “In the Kill”. Das ist eigentlich mein Lieblingsremix. Es gibt noch den Skream Remix, aber ich bevorzuge den anderen, weil ich den Skream Remix schon so oft gehört habe, dass es fast schon lächerlich ist. Jedes Mal wenn ich ausgehe, läuft das im Klub und ich muss ihn verlassen, denn es ist peinlich.

%__site.name%:
Du kannst deine eigene Musik nicht in Klubs hören?
Elly:
Nein, ich mag es. Jeder mag es! Jeder der sagt, er mag sowas nicht, ist beschämt, wenn er feststellt, dass er sich freut, wenn seine Musik gespielt wird. Aber nach einer Weile ist es dann eher so: Nehmen wir Justice vs Simians “We Are Your Friends”, als das rauskam, wusstest du, dass es immer in jedem Klub gespielt werden würde. Der Skream Remix ist in etwa so ein Song im Vereinigten Königreich geworden, jede Klubnacht hat ihn dabei, und das ist – obwohl du es erwartest – so beschämend.
%__site.name%:
Als du mit Kitsuné zusammengearbeitet hast, haben sie gerade ganz offiziell ihre neue melodischere Richtung mit dir an der Spitze ausgegeben. Habt du und das Label eine besondere Beziehung?
Elly:
Ich glaube das allgegenwärtige Ende der Indieband-Ära beschreibt am besten wie eine neue Generation an Popkünstlern, offensichtlich vor allem Sängerinnen, hochgekommen ist. Wenn ich jetzt ein Label betreiben würde, dann wäre es definitiv mein Ziel ein paar melodischere Popacts rauszubringen. Derzeit ist alles so monton, so: (singt) nanana nanana you can stand under my umbrellalalalala… es ist einfach wirklich langweilig und seelenlos. Ich denke, es gibt immer nur eine Person bei einem Label, die wirklich gute Musik mag. Von daher denke ich nicht, dass wir am Ende den Mainstream berühren werden, denn sie sagen dir immer sie werden alles für dich tun, aber letztendlich suchen sie nur eine schnelle Lösung.
%__site.name%:
Werden La Roux also nie in den weltweiten Mainstream gelangen?
Elly:
Im Vereinigten Königreich haben wir das schon geschafft, aber ich denke wir hatten sehr viel Glück, da wir anscheinend der Industrie zu einem Zeitpunkt begegneten, als wir genau das hatten wonach sie gerade suchten. Gerade mögen die Leute unsere Musik, aber schon nächste Woche könnten sie sich abwenden, das ist ziemlich flatterhaft.
%__site.name%:
Kann man als Künstler trotzdem darauf reagieren?
Elly:
Man kann nichts machen. Man muss weiterhin gute Musik, die man selber gut findet, machen. Beim Singen und Schreiben muss man in der Position bleiben, die sich natürlich und richtig anfühlt, und weiter an sich selbst glauben und gegen den Strich gehen. Ehrlich gesagt, bleibt einem nichts anderes übrig.
%__site.name%:
Aus dieser Position hast du seit vier Jahren mit Ben zusammengearbeitet. Warum hat es so relativ lange gedauert?
Elly:
Letztendlich hat das eigentliche Album selbst genauso viel Zeit gebraucht wie jedes Album einer anderen Band auch. Es hat sich nicht wie vier Jahre angefühlt, da wir nur immer mal wieder etwas aufgenommen haben. Als ich ihn das erste Mal traf und wir zusammen spielten, hatte ich alle Songs nur für meine Gitarre geschrieben. Ich musste mich auch immer an sie zu erinnern versuchen, da ich sie weder aufgenommen noch niedergeschrieben hatte. Sie existierten nur in meinem Kopf. Ich habe sie ihm also vorgespielt und so haben wir sie dann aufgenommen, denn das war das Offensichtlichste. Wir haben also ein paar Sachen aufgezeichnet, aber wir mochten sie dann gar nicht. Wir mochten die Songs, aber nicht wie sie klingen. Unser Equipment war auch Mist. Meine Stimme war damals auch noch nicht so stark, da sie noch nicht entwickelt war. Ich war noch so zerbrechlich und verletzbar, war noch nicht aus mir herausgekommen und hielt mich immer noch sehr zurück beim Singen. Als wir dann gemerkt hatten, dass wir es nicht mögen, haben wir nochmal von vorne angefangen.
%__site.name%:
Wer von euch brachte den jetztigen, neuen Stil ein?
Elly:
Ich hatte mal mit einem anderen Freundesfreund hin und wieder einen Song aus Spaß gemacht. Dieser Typ hieß auch Ben und hatte einen Synthesizer und ich glaube ich hatte an diesem Tag meine Gitarre nicht dabei, also meinte er, ich solle auf dem Sythie spielen und einfach machen was ich wollte. An dem Tag schrieb ich “Colour is Colour” vom Album. Ich hatte es diesmal aufgeschrieben und nahm es mit zu Ben. Ich war mir nicht wirklich sicher über die Sache, aber er fand es einfach nur abgefahren und wollte sowas auch mit mir machen. Er hatte ja schon immer als Elektro-DJ gearbeitet und auch schon solche Musik gemacht. Also hat es für uns beide Sinn gemacht und wir waren beide glücklich, nicht mehr diesen Akkustik-Folk-Sache weiterzumachen, an die weder ich noch er noch glaubten.
%__site.name%:
Wie hat das deine Auftritte verändert?
Elly:
Als wir damit anfingen, habe ich viel darüber nachgedacht. Ich wollte nicht wie… eine nächste Johnni Mitchell oder so sein.

Foto: Antony Burdett-Clark
%__site.name%:
…the girl with the guitar…
Elly:
Ja, das hasste ich und diese moderne Musik wie Katie Melua. Das ist Kaffeekranzmusik für Mütter und Väter. Ich bemerkte, dass meine Songs – ungeachtet ihrer Themen und ihrer Bedeutung für mich – alle ernst gemeint waren und alle mich repräsentierten. Sie würden aber immer nur als lahme Gitarrenmusik empfangen werden und das übertrug sich auf mich. Als ich die Songs mir nochmal anhörte, fing ich selber an die Songs zu hassen. Warum sollten sie dann andere Leute mögen? In dem dann folgenden Jahr begannen Ben und ich immer mehr Synthies neben der Gitarre einzubauen. Nach ein paar Monaten schrieben wir dann “Quicksand”; das war die Initialzündung, wir waren wie umgewandelt.
%__site.name%:
Ich hatte gehört, dass du trotzdem keine Konzerte magst.
Elly:
Nein überhaupt nicht. Ich mag es total, Konzerte zu spielen. Ich habe sie auch immer der Studioarbeit vorgezogen, denn sie sind um einiges einfacher. Das Studio ist wie ein Spielplatz und du hast viel Equipment zur Auswahl, aber live ist es immer noch besser. Ich liebe es. Ich denke aber, ich bevorzuge vielleicht eine bestimmte Art von Konzerten: Wenn die Anlage gut ist, die Bühne ein wenig größer und mehr Licht vorhanden ist, wenn es mehr wie eine Show ist.
%__site.name%:
Würdest auch gerne mal im Wembley Stadion oder an einem ähnlichen Ort spielen?
Elly:
Es ist ein wenig zu früh, um überhaupt darüber nachzudenken. Aber ich mag die größeren Shows. Festivals sind ebenfalls besonders gut. Dennoch reizt mich die Idee in einem Stadium zu spielen – unabhängig davon, dass ich selbst in den nächsten fünf Jahren nicht genug Tickets für sowas verkaufen könnte – nicht, da man an einem Platz wie dem Sheperds noch in gewisser Weise intim mit dem Publikum sein kann. Das geht in einem Stadium nicht mehr.
%__site.name%:
Wie ist das Verhältnis zu deinen Fans?
Elly:
Auf der letzten Tour haben wir ein paar Meet-and-Greets gemacht und wenn ein paar Leute mir Sachen zum Unterschreiben schicken, mache ich das natürlich. Ich habe sogar mal Fans meine Telefonnummer gegeben. Ihre Kamera hatte nicht funktioniert, aber sie wollten unbedingt ein Foto. Also habe ich mit meinem Handy eines gemacht und es ihnen geschickt. Sie hatten also meine Nummer und haben sie nie missbraucht, mich nie angeschrieben oder angerufen, sondern sich nur übermäßig bedankt. Ich würde immer irgendwas für die Fans machen, denn sie bestimmen deine Karriere. Das sind diejenigen, die die Musik lieben, für die du die Musik machst.
%__site.name%:
Deine Freunde waren sicherlich deine ersten Fans.
Elly:
Sie haben mich überhaupt erst überzeugt, mit dem Singen anzufangen. Als ich meine Gitarre hatte, meinten sie: Komm, schnapp dir noch ein Mikro’ und mach es einfach! Meine Eltern waren ebenfalls so, mein Vater besonders. Er kam immer mit Flyern von Bars zu mir und meinte: Sieh mal, du solltest dort mal nächsten Dienstag spielen! Ich erwiderte meist nur: Nein, ich bin zu schüchtern, und so. Ich kann mich an ein Konzert vor nur sieben Zuhörern in meiner lokalen Bar erinnern. Das war verrückt. Ich hatte drei Stunden lang das Set ausgearbeitet und als ich dann dort ankam, waren da sieben Leute; das war wirklich lustig. Aber ja, meine Freunde waren meine ersten Fans, sie haben mich immer weitergetrieben und waren so unterstützend für mich.
%__site.name%:
Du bist aus Brixton. Etwas ungewöhnlich für einen Künstler aus London. Die vermutet man ja eher in Shoreditch & Co.
Elly:
Meistens sind sie aus Nord- oder Ost-London, ja. Ich aber liebe Brixton, es ist sehr cool und bunt. Ich habe eine Freundin, die in der Karibik auf einer kleinen Insel in einer Hütte an einem Hügel lebt. Ich habe sie mal besucht, man kommt echt nur mit einem kleinen Boot zu ihr. Wenn dort einmal mitten im Dorf die Augen schließt, die Geräusche deiner Umwelt verinnerlichst, und dann einmal in Brixton an einem warmen Sommertag die Augen schließt, dann hört sich das genauso an. Es ist vielleicht nicht genau gleich, aber es hat den selben Vibe. All diese Rastas hängen den ganzen Tag nur vor ihren Shops herum, lächeln und rufen dir zu: Alles klar?! Das ist alles was sie machen. Ich liebe das. Es ist als ob sie hier her gezogen wären, aber absolut gar nichts an ihrem Lebensstil geändert haben. Das ist großartig und verbreitet eine tolle Stimmung. Jeder redet nur über die Gewalt in Brixton, aber wenn sie wüssten. Ich gehe in Läden, in die sich nur wenige Weiße trauen, und rede manchmal mit diesen Leuten über Stunden. Sie fragen mich: ‘Was machst du? Wirklich? Meine Tante ist auch Sängerin und meine Schwester. Ihr solltet euch mal treffen, warte ich spiel dir ihre CD vor!’Bevor du dich versiehst, bist du da über eine Stunde drin und sie geben dir Essen und Gras. Ich liebe das und würde nirgendwo anders leben wollen.
%__site.name%:
Und was ist mit Berlin?
Elly:
Überraschenderweise ist das wirklich der einzige andere Platz, an dem ich je gewesen bin, wo ich mir wirklich vorstellen könnte eine Wohnung zu haben. Nicht um für immer hier zu leben, aber um hier ein Studio zu haben. Es ist cool hier und gefällt mir sehr.
%__site.name%:
Warum?
Elly:
Es fühlt sich alles sehr kreativ an. Wenn ich durch Berlin fahre, mag ich wie es aussieht, wie grün es hier ist und wie ruhig, zumindest im Vergleich zu London. Jeder hier ist so nett und freundlich, bemüht sich. Es ist irgendwie alles so effizient; alles funktioniert. In London funktioniert gar nichts. Trotzdem will ich nirgendwo anders leben, denn ich würde es vermissen nachhause zu kommen.
La Roux spielen unter anderem vom 6. bis 8. Juli je ein Konzert in Berlin, Hamburg und Köln, sowie am 17. Juli beim MELT!Festival auf der Ferropolis.