Heute live mit Begbie in Magdeburg
Inhaltsverzeichnis
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Hallo Roman, auf deinem neuen Album verzichtest du auf die gewohnten, das Innere nach außen kehrenden, persönlichen Texte, stellst deine Person gleichzeitig aber mit dem Albumtitel „Roman Fischer“ wieder in den Vordergrund. Wie steckt hinter diesem Paradoxon?
Roman:
Vieles auf dieser Platte ist paradox oder spielt gerade damit. Und eigentlich kann man es sich aussuchen, ob das Album überhaupt selbstbetitelt ist oder gar keinen Namen trägt. Letztendlich steht da nur „Roman Fischer“ drauf, was ich wiederum passend finde: Während mein erstes Album eher poppiger, zugänglicher war, das zweite hingegen verkopfter, tiefer, haben wir dieses Mal, musikalisch wie textlich, eine sehr gute Kombination aus beidem gefunden. Zudem ist da eine neue, offenere Ebene, die der Tanzbarkeit, mit dabei. Hier assoziiert das mit meinem Herz und meinem Verstand, die auf diesem Album zum ersten Mal eine gute Symbiose eingegangen sind. Es schließt quasi ein Dreieck mit diesen beiden Komponenten. Entweder also kein oder dieser Titel.
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Ist es somit das Album, dass du schon immer machen wolltest?
Roman:
Nein, es ist das, was die Zeit hergegeben hat. Das Ego entfremdet sich derart, dass ich mich mittlerweile selbst zurückziehen und Kontrolle abgegeben kann. Das Stück „Let It Go“ etwa handelt davon und das Album entstand erstmals in Teamarbeit. Zudem habe ich gelernt, mich selbst nicht immer so ernst zu nehmen, was mir zugegebenermaßen noch immer schwerfällt. Trotzdem bleibt es meine Platte.
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Wie wichtig bleibt das Ego im Popbetrieb?
Roman:
In beruflicher Sicht gehe ich immer einen Weg des Ausgleiches. Der Wechsel zum Majorlabel ist auch mit den hohen Erwartungen der Leute hier an mich verknüpft, zugleich haben sie mir aber auch ungewöhnlich viel Zeit für das Album gegeben, nämlich drei Jahre. Und ich habe nun das Gefühl, dass wir alle Parteien gleichermaßen glücklich machen konnten.
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Hast du keine Angst, doch zuviele Kompromisse gemacht zu haben?
Roman:
Kompromisse? Ich würde mir zwar wünschen, dass alle Leute glücklich sind, aber das wird nie passieren. In meinem Freundeskreis etwa werden einige Stücke hier durchaus kritisch gesehen. Das ist oft eine Zeit- und Bewusstseinsfrage: Beim Stück „Bigger Than Loud“ meinte ich damals, zu viele Kompromisse eingegangen zu sein, aber jetzt, mit sieben Jahren abstammt, finde ich es schon wieder sehr gut.

Foto: Michael Mann
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Gehört dein Produzent Patrik Berger auch zu deinen Freunden?
Roman:
Ich hatte zunächst viele, unterschiedliche Produzenten ausprobiert und getroffen. Patrick war dabei der letzte, den ich überhaupt noch sehen wollte, und doch hat es sofort klick gemacht. Seine Verspielt- und Unverkopftheit hat mir sehr gefallen. Er probiert Sachen wie ein Kleidungsstück einfach mal aus und plötzlich passt es. Er hat mich da für viele Sachen geöffnet und mir gleichzeitig die Liebe zur Popmusik zurückgebracht. Wir sind beide gleichzeitig Fans von Hardcore-, Soul-, R’n’B- und Popmusik. Patrik meinte, dass er noch nie einen Künstler getroffen hatte, der diese Lieben so ähnlich wie er in sich vereinte. Das war der Schlüssel.
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Deine ehemaligen Tourkollegen von Fertig, Los! haben kürzlich „Indiemusik“, eine Kategorie in die sowohl sie als auch du häufig geschoben werden, für tot erklärt. Kannst du dem zustimmen?
Roman:
Absolut. Beim Album dachte ich sogar, es wäre Punk jetzt Popmusik zu machen. Da ist auch Schönheit für mich Punk, weil es immer viel einfacher ist, sich einfach nur eine kaputte Hose anzuziehen, anstatt die Sachen offenzulegen und sich dazu zu bekennen. Zugleich ist diese per Definition unabhängige Indiemusik heute überhaupt nicht mehr unabhängig. Im Gegenteil: Sie ist im Mainstream vollkommen akzeptiert und angekommen. Punk als Trash ist dort ebenfalls akzeptiert. Da Punk aber ein alternatives Lebensmodell zu der Masse darstellt, war die Popmusik die einzig logische Konsequenz für mich.

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Wir hören also ein Album gegen den Zeitgeist?
Roman:
Ich weiß gar nicht, was der Zeitgeist ist. Es gibt doch keine Kategorien mehr; alles ist erlaubt. Die Leuten hören heute doch alles. Die Grenzen sind weg und ich auch überwinde meine eigenen auf diesem Album. Zuvor hatte ich selber Scheuklappen auf und Vorbehalte gegenüber anderen Dinge. Jetzt singe ich etwa auf Deutsch in „All Night All Day“ – für mich vorher ein absolutes No-Go.
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Im Video zum Stück „Lightscapes“ sehen wir dich beim Sprung ins Ungewisse. Ist das eine Metapher auch für das Album?
Roman:
Alles ist für jeden ungewiss. Ich habe Menschen kennengelernt, die in einem Moment besonders erfolgreich und reich waren und im nächsten schon wieder arm. Ich allerdings hatte noch nie einen greifbaren Erfolge, habe also nichts zu verlieren. In „Lightscapes“ geht es um solche Zusammenhänge in der Welt und die Erkenntnis, dass eigentlich niemand viel über sie weiß. Wer zieht die Fäden? Wie hängt alles zusammen? Wir sind alle Teile eines Systems, das sich derzeit extrem beschleunigt; immer mehr Informationen in immer weniger Zeit.
Beim Schreiben des Stücks prägte gerade die Finanzkrise die Öffentlichkeit und Patrik meinte, dass die Zeit nicht mehr langsamer werden wird, wir sie im Gegenteil sogar selbst beschleunigen müssen. Das wurde zum Kerngedanken des Videos. Nicht auf den Crash warten, sondern ihn selbst vorantreiben, damit alles schneller vorbei ist.
Ich bin nicht abhängig davon, mit der Musik berühmt zu werden. Warum auch? Ich bin ein Mensch, ich kann alles tun. Die Zeit bietet aber soviel Potenzial für Veränderungen, dass ich glaube, dass in den nächsten Jahren etwas kommen wird, was wir uns gar nicht vorstellen können und alles verändert. Das Internet, all die neuen Technologien und kommenden Sachen, die Probleme; das ist wie Sprengstoff. Die Musik gerät da zum persönlichen Experiment.
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Dennoch befreit dich die Musik und das Leben als Künstler hier von vielen Sachzwängen.
Roman:
Ich bin aber trotzdem eine Art Unternehmen geworden, eine Art Papa für viele. Ich muss meine Band, meinen Mischer und alle anderen bezahlen und kann so etwas Gutes schaffen. Gleichzeitig bin ich so unfrei wie jeder andere auch. Ich bin in einer Band mit bestimmten, einschränkenden kausalen Gesetzen, dann bin ich in eine Familie geboren, habe bestimmte Gene und ein bestimmtes Umfeld. Wie frei bin ich da in meiner Entscheidungsfreiheit am Ende? Wäre ich Musiker geworden, wäre ich nicht in eine Musikerfamilie hineingeboren? Allerdings ist mein Bruder jetzt Informatiker.
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Das „Wunderkind“ der ersten beiden Alben scheint erwachsen geworden zu sein.
Roman:
Ich bin immer noch ein Kind. Alles was ich sehe, ist dass ich mit Menschen zusammenarbeiten kann, die ich sehr schätze und alle offen und neugierig sind. Wir schauen einfach, was passiert, achten aber darauf, das es mit Liebe passiert. Ich weiß mittlerweile, dass ich mich selbst glücklich machen will, um dann wieder andere glücklich machen zu können.
Roman Fischer live:
13.10.10 Magdeburg, Projekt 7 (mit Begbie)
14.10.10 Stuttgart, Universum
16.10.10 Weinheim, Café Central
17.10.10 Potsdam, Waschhaus (mit Begbie)
18.10.10 Berlin, Kesselhaus (supporting HURTS)
19.10.10 Hamburg, Übel&Gefährlich (supporting HURTS)
20.10.10 Köln, Essigfabrik (supporting HURTS)
22.10.10 München, Theaterfabrik (supporting HURTS)
26.11.10 Frankfurt you fm (Radioconcert)
27.11.10 München Br-Funkhaus “on3-festival”
Weiterführende Links
Roman Fischer
Patrik Berger
Begbie
Begbie Interview bei urbanite
projekt7 bei urbanite