Deutschrap triumphiert über den Rest
Der Soundcheck Stunden zuvor hatte noch recht befremdlich gewirkt und überhaupt – HipHop bei SWM MusiCids?! War das denn nicht seit jeher ein Wettstreit der Gitarrenbands? Mitnichten! Aber erst dieses Jahr war die Qualität durch die Bank weg so gut, dass es auch ein Deutschrap-Künstler a la Armin oder die Dancehall-Poprock-Sängerin June Heric sich im Finale präsentieren konnten. Dort trafen sie auf eine ebenfalls vielfältige Auswahl an Rockbands: die Minimal(Punk)rocker NoDes, Down To April samt BritPop Grandezza, The ApazZ Ensemble mit dem Geist von Zappa und Led Zeppelin, sowie die Punkpopper taktlos[glücklich].
Den Anfang machten das hochgehandelte Ensemble aus Burg in einer (leider) nur mäßig gefüllten Factory kurz nach 19 Uhr. Die psychodelische Rockcombo musste sich ebenso wie das Publikum erst zwei Lieder lang aufwärmen und entkrampfen. Was dann folgte, war ein leidschaftliches Plädoyer für das Gute im Rock’n’Roll. Bedauerlicherweise war zuviel Freiraum im Publikum und zwischen diesem und der Band. Kurzum: Trotz eines wahrlich guten Auftritts sprang der Funken nicht über und The ApazZ Ensemble somit nicht aufs Podest.
Dort landeten ebenfalls NoDes nicht. Obwohl sie einen riesigen Sprung gemacht hatten, täuschte das nicht darüber hinweg, dass ihnen die Songs fehlten, die es braucht um soetwas auch zu gewinnen. Zwar hüpfte und spielte etwa Henning gut gelaunt um sein Leben und war im Nachhinein (Bier sei Dank!) auch zufrieden aber die Distanz zum Publikum konnte auch er nicht überwinden.
Gleiches galt für June Heric, die einfach einen schlechten Tag erwischt haben zu schien. Obwohl sie abseits der Bühne munter auf die Entscheidung harrte, so war ihre Performance zuvor doch ein wenig hüftsteif. Ihre Versuche die Leute zu animieren schlugen ebenso fehl wie so mancher Schritt ihrer Tänzerinnen. Das June aber auch die ein oder andere gute Produktion im Petto hat, konnte sie dennoch jederman beweisen.
Nun brach ein kleiner Glaubenskrieg an: Deutsch gegen Englisch, Rap gegen Rock, Tänzer oder Gastsänger gegen Band pur. VitArmin-B & Dj Taip, Down To April und taktlos[glücklich] waren bereit alles zu geben. Den Anfang machten die späteren Sieger Armin und Taip und darauf blickt ersterer im urbanite-Interview einmal selbst zurück.
Inhaltsverzeichnis
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Armin, ich stand ja direkt hinter dir als eure Namen ausgerufen wurden und dann ging das Gehüpfe auch schon los. Wie wars?
VitArmin-B:
Boah, mir war echt schwindelig. Alle Kumpels waren um uns herum und sind ausgeflippt. Es war einfach nur saukrass. Ich war in dem Moment echt sprachlos. Vor allem nachdem Down To April auf der drei waren und taktlos[glücklich] auf der zwei waren, da … ja da war die Anspannung unglaublich.
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Wie hast du denn deine Performance zuvor erlebt?
VitArmin-B:
Also zwischen Taip und mir hat das nach der vielleicht lauen Probe doch sehr gut gestimmt. Wir einfach gut performt, die Leute sind mitgegangen. Und mit den Tänzern hat auch alles gestimmt.
Armin hatte die Masse (mittlerweile war es dann doch voll geworden) im Griff und auch die nötige Unterstützung zur Seite. Das ausgefeilte Intro zog uns mit, „Legenden“ traf das Magdeburger Herz und „Alles Elektrisch“ – dieser Ausdruck sei erlaubt – rockte schlichtweg. DJ Taip war grandios aufgelegt und tat selbiges.
Gänsehaut lösten aber danach Down To April aus. Ich hatte sie die Tage davor auf dem Weg zum Finale begleitet. Am Donnerstag in der Festung Mark sah ich ein relaxtes Quartett, dass mit bedacht auf die Feinabstimmung erstmals den Finalsong „Dance Tonight“ vorstellte: Micha tanzte ausgelassen, Conrad legte eine kräftige Hook darunter und der Refrain besaß den nötigen Schlachtruf. So übertrug sich die Nachricht dann auch auf die Zuhörerschaft. Tags darauf im Jack’n’Jones zurrte man das Programm des Finaltages irgendwo zwischen Schaufensterpuppen und Jeansregalen und verschwand dann im Proberaum. Aus diesem heraus am Samstag erschienen, blockierten erstmal Problem am Schlagzeug den Bandstart. Dann aber zeigten DTA sich von ihrer besten Seite und spielten verschmitzt ein gelungenes „For A Friend“ oder ein besseres „Urban Ocean“. Als abschließend „Lemonade Lights“ erstmals im Kanon dank Gaststimme präsentiert wurde und die Band langsam zum Gesang einsetzte, erwischte der anwesende Lichttechniker einen großen Moment: Conrad war an den Bühnenrand getreten und starrte als schwarzer Umriss gedankenverloren ins Publikum während hinter ihm die anderen in ein Meer aus blauen, roten und weißen Licht getaucht wurde. Das Bild des Abends. Vielleicht und leider wohl ein wenig zu andächtig für den Sieg.
Die Melancholie wurde nämlich jäh von taktlos[glücklich] unterbrochen, die in gewohnter Manier ihren lockeren Punkpop an ihre treue und zahlreiche Fanbase brachten. Sie waren angetreten, um als Trio, als reine Band zu überzeugen. Dies gelang ihnen auch hervoragend. Doch VitArmin-B & DJ Taip waren einfach eine kleine Nummerzu groß selbst für den tapferen Dreier. So kam es auch, dass ich kurz danach Armin und nicht Jens am Telefon hatte.

Foto: Stefan Deutsch
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Warum hat die Jury denn ausgerechnet euch auserkoren?
VitArmin-B:
Weil wir fremde Leute begeistern konnten und wegen der Performance und der Songauswahl.
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Appropo Songauswahl: Du hast ja „Alles Elektrisch“ als Zugabe performt. Gab es mittlerweile schon einmal Reaktionen von der SWM?
VitArmin-B:
Also an uns direkt gab es noch keine Reaktion speziell zu dem Song, obwohl das natürlich interessant wäre. Wobei ich auch sagen muss, dass der ja nicht die SWM an sich irgendwie kritisiert. Aber wir haben gehört, dass die Pressesprecherin „Alles Elektrisch“ richtig gut fand.
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Wie war es eigentlich am Montag nach dem Sieg auf einmal bei Rockland im Studio zu sein? Immerhin gab es da ja im Vorfeld Unschönes zu hören.
VitArmin-B:
Eine sehr gute Frage. Natürlich haben wir uns da schelmisch gedacht: „Ihr wolltet uns nicht jetzt müsst ihr uns nehmen“. Aber das war dann natürlich nicht so. Dennoch auch eine Art des Triumphs. Und ich meine Rockland ist ja nunmal ein Rocksender und da deswegen jetzt aus dem Rahmen zu fallen wäre dumm und falsch.
(Anm.d.V.: Rockland hatte bei der Heartdisco Aufnahme von VitArmins „Legenden“ im Vorfeld ausrichten lassen, doch ein wenig mehr rockiger zu präsentieren. Die Jungs verweigerten und „Legenden“ erhielt dafür eher schlechtere Sendeplätze.)
Zurück zum Finale selbst: Als viele Fäuste immer noch jubelnd die Luft durchpflügten und heruntergeklappte Kinnladen der Gravitation gerade erst wieder entzogen wurden, fegten die von Maurice Gajda ausgerufenen Gewinner schon wieder mit „Alles Elektrisch“ über die Bühne und verursachten ein letztes Mal Hysterie, Diskussionen und ein allgemeines Staunen in der Factory Crowd. Der wahre Gewinner stand da auch schon fest: die SWM MusiCids, die hoffentlich 2008 diese Qualität und Vielfalt nocheinmal toppen können und auch so manches überdenken sollten. Die Erinnerungen an dieses Jahr werden uns bis dahin begleiten.