Die Zuschauer sollen sich selbst erkennen

Irgendwie kennt das doch jeder: Das Weihnachtsfest in Familie läuft in jedem Jahr nach immer den gleichen, alt hergebrachten Traditionen ab. Ob der Kartoffelsalat mit Bockwurst als Heilig-Abend-Essen, das Singen unterm Tannenbaum oder der einzige Kirchenbesuch des Jahres zur Christmette – irgendwie weiß man immer schon, was einen an Weihnachten in Familie erwartet. Was sich ändert, sind die Menschen, mit denen man diese Tradition erlebt: die Alten in der Familie sterben, Kinder werden geboren, ein Wechsel der Generationen.
In Thornton Wilders Einakter „Das lange Weihnachtsmahl“ sind es drei Generationen der Familie Bayard, die insgesamt 90 Weihnachtsfeste miteinander verbringen. Menschen kommen und gehen, altern und verändern sich. Einzige Konstante sind die Gespräche, die an der Festtafel geführt werden – über Liebe und Leid, Freude und Sorge, Geburt und Tod.

In Deutschland gilt dieses Stück des dreimaligen Pulitzer-Preisträgers Thornton Wilder bislang als unspielbar. Das will das Theater an der Angel jetzt ändern. Sie haben sich heran getraut und zeigen „Das lange Weihnachtsmahl“ zwischen dem 16. und 28. Dezember. „Wir haben eine völlig andere Perspektive auf die Geschichte entwickelt“, erzählt Ines Lacroix. Sie wird die Vorstellung völlig allein bestreiten und erzählt die Geschichte der 90 Weihnachtsmahle aus der Sicht eines Stubenmädchens. „Dabei werde ich natürlich einige Verwandlungen durchleben“, verrät Ines Lacroix. Denn die Geschichte beginnt, wenn das fast 100-jährige Stubenmädchen das Haus der Bayards verlässt, nachdem sie ihr ganzes Arbeitsleben dort verbracht hat. Bei einem letzten Gang durch das leere Haus beginnt sie sich zu erinnern. „Das Stubenmädchen nimmt das Publikum mit zurück auf eine Reise in die Vergangenheit. Dabei wird sie selbst wieder jung und altert dann auch wieder“, erzählt die Schauspielerin weiter.


Fotos: Veranstalter

Auf dieser Reise werden die Zuschauer auch den Bayards immer mal wieder begegnen. Doch nicht auf der Bühne werden sie auferstehen, sondern als filmische Illusion im Theaterraum. „Das wird ein bisschen, als ob die Familienmitglieder als Geister durch die Villa wandeln“, sagt Ines Lacroix. Der Eindruck entsteht, als könnte diese Geschichte durchaus auch in der Angler-Villa stattgefunden haben. „Wir möchten das Spiel auf der Bühne, die Filmsequenzen, die Geschichte unserer Villa und nicht zuletzt die Emotionen unseres Publikums miteinander verweben. Denn die Weihnachtszeit ist bei uns allen eine Zeit, in der wir an die Menschen denken, die nicht mehr bei uns sind und in der wir über den Kreislauf des Lebens nachdenken“, sagt Matthias Engel, der dieses Mal vor allem als Zuschauer und „Probenbeistand“ fungiert. „Die Zuschauer sollen sich selbst erkennen“ im langen Weihnachtsmahl im Theater an der Angel.

Weiterführende Links

www.theater-an-der-angel.de

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