Premiere: „Tod eines Handlungsreisenden“ am Schauspielhaus Magdeburg

Sitz gerade! Putz dir die Nase! Lerne fleißig!
Die „guten Ratschläge“ unserer Eltern begleiten uns ein Leben lang. Manches Kind ringt sich ein Lächeln ab und nuschelt: „Ja, ja, schon gut!“ Ein anderes Kind verdreht die Augen und seufzt leise. Und ein drittes zerbricht an den Erwartungen der Eltern. Denn insgeheim wollen wir unseren Eltern beweisen, dass wir das Leben meistern können. So zeigen wir stolz unsere Zeugnisse, spielen eifrig Klavier oder Geige und erzielen ein Tor nach dem anderen, nur um diesen einen Satz zu hören: „Gut gemacht!“ Schmerzhaft wenn er ausbleibt.

Regisseur Lukas Langhoff brachte am Freitag (26.01.) das Drama „Tod eines Handlungsreisenden“ auf die Magdeburger Schauspielbühne. Das Stück des amerikanischen Autors Arthur Miller gehört zu den Klassikern des modernen Theaters. Stellvertretend für eine ganze Generation zerbrechen die Söhne Biff und Happy an den hohen Erwartungen der Eltern. Ihr Vater Willy Loman ist sein ganzen Leben auf der Suche nach dem Schlüssel zum Glück. „Das einzige was zählt in der Welt ist, was du verkaufen kannst.“ Seit Jahren ist er als Versicherungsvertreter im ganzen Land unterwegs und kann trotz harter Arbeit doch nur die Raten für sein Haus zahlen. Als Willy seinen Job verliert, scheint sich der amerikanische Traum völlig in Luft auf zulösen. Doch halt! Da sind ja noch seine Söhne Biff und Happy: Die können es schaffen. Sie können den Traum vom großen Glück wahr werden lassen. Doch die Söhne scheitern an den Erwartungen des Vaters. „Das Leben besteht aus Enttäuschungen.“ Biff hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und Happy fristet ein armseliges Angestelltenleben und vergnügt sich mit Frauengeschichten. Als die beiden erwachsenen Söhne für einen Besuch in das Elternhaus zurückkehren, hält Willy seine Lebenslüge aufrecht und zwingt die Familie in seinem Luftschloss zu wohnen. Sie spielen eine glückliche Familie: Vater erfolgreich, Mutter umsorgend, Söhne gesund und strebsam. Das diese Welt nicht real ist, scheint allen klar zu sein. Biff deckt die Lebenslüge seines Vaters schonungslos auf.

Arthur Miller bricht die Ebene der Bühnenrealität mit Willys Erinnerungen und Visionen. Das Stück wird zum Traumspiel im zweifachen Sinne. In seinen Träumen hält Willy Zwiesprache mit Onkel Ben. In Langhoffs Inszenierung feilt Onkel Ben unentwegt an einem Schlüssel. Der Schlüssel zum Glück? Ja, denn er passt in eine der vielen Türen, die für Willy und seine Familie verschlossen bleiben.
Mehr als einmal fühlt man sich an die eigene Familie erinnert. Die Erwartungen der Eltern, die eigenen Pläne und die Enttäuschungen werden präsent. Die Inszenierung entlässt den Zuschauer mit einem Song der Band „Die Sterne“: „Was hat dich bloß so ruiniert?“ zu dessen Klängen Biff versucht sein Elternhaus einzureisen und Vater Willy seine letzte Ruhe auf dem IKEA-Sofa findet. Man möchte aussteigen aus dem Karussell um ein paar Minuten zu verschnaufen und sich den Wahnsinn von außen zu betrachten. Nie war das Drama so aktuell wie in den Zeiten des Kapitalismus. Doch in Langhoffs Inszenierung steht nicht die marktwirtschaftliche Existenzangst im Mittelpunkt steht, sondern die gesellschaftlichen Rollenbilder. Das Stück zeigt die menschliche Unfähigkeit, den anderen so zu lieben und zu akzeptieren wie er ist.
Die Premiere überzeugte! Die Schauspieler waren glaubhaft, das Bühnenbild überraschend – scheinbar direkt aus dem IKEA-Katalog geschnitten – und die Inszenierung gelungen. Das Magdeburger Schauspiel zaubert ein Stück Realität auf die Bühne.

Die nächsten Vorstellungen von „Tod eines Handlungsreisenden“ finden am 10.02. und 16.02. statt.

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