Um die Wichtigkeit des Schlafs für den Menschlichen Organismus

Schon klar, kein Kaffee ist auch keine Lösung, aber die Wissenschaft sagt: Schlafen ist wichtig!

Rund ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch im Schlaf. Viele Mythen und Weisheiten ranken sich um das Thema. Sprichwörter, nach denen eine Stunde Schlaf vor Mitternacht besser als zwei danach sein soll, oder je länger der Mensch schlafe, desto länger lebe er haben seit Generationen Einzug in einen Volksmund gehalten, der bis heute die Vorstellung, was Schlafen wirklich ausmacht, nachhaltig geprägt hat. Von einem „Hineinkriechen des Menschen in sich selbst“ ist da die Rede (Hebbel), von einem „täglichen Brot unserer Seele“ (Carl Ludwig Schleich). Vieles von dem, was sich so in Redensarten oder Binsenweisheiten bis heute gehalten hat, verfügt über einen wahren Kern, den Wissenschaftler seit Mitte des 19. Jahrhunderts systematisch zu erforschen begonnen haben.


Lange verkannte und negierte die Forschung eine Wissenschaft der Träume, und es hat lange gebraucht, bis die Bedeutung des Schlafens und Träumens als Basis für menschliches Bewusstsein erkannt wurde. So hat sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein eigenständiger Forschungszweig etabliert, der sich verstärkt dem Thema Schlaf als zentralem Aspekt von Regeneration und Erholung angenommen hat. Zu welchen Erkenntnissen ist die Wissenschaftsdisziplin gelangt? – Ein Überblick über den Stand der Forschung

„Gebt den Leuten mehr Schlaf – sie werden wacher sein, wenn sie wach sind“ (Kurt Tucholsky)

Der Mensch ist seit Hunderttausenden von Jahren einem Schlaf-Wach- bzw. Tag-Nacht-Rhythmus unterworfen, der durch Licht gesteuert ist. Während Licht und Helligkeit den Organismus wach macht und hält, sorgt Dunkelheit für eine vermehrte Ausschüttung des schlaffördernden Hormons Melatonin. Melatonin ist laut peak.ag auch der Stoff, der die Schlafqualität und Erhalt und Aufbau von Muskelmasse maßgeblich beeinflusst. Es wird in der Zirbeldrüse aus Serotonin hergestellt und ist für die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus verantwortlich. Forscher haben schon früh einen Anstieg des Melatonin-Spiegels im Blut nach Sonnenuntergang festgestellt, die Konzentration ist zwischen zwei und drei Uhr in der Nacht am höchsten, wie gesundheit.de bemerkt.
Den Auftakt zur modernen Melatonin-Forschung bildete seine Strukturbeschreibung 1958 durch den Dermatologen Aaron Lerner. Er hatte in einem Selbstversuch 100 mg Melatonin eingenommen und über zunehmende Müdigkeit ohne Nebenwirkungen berichtet. Fünf Jahre später kam Richard Wurtman zu dem Ergebnis, dass Melatonin bei tag- wie nachtaktiven Säugetieren ausschließlich während der Dunkelheit in den Kreislauf gelangt. (Quelle: web.mit.edu)

„Das Kunststück der Lebensweisheit ist, den Schlaf jeder Art zur rechten Zeit einzuschieben wissen“ (Friedrich Nietzsche)

Die Übertragbarkeit auf den Menschen wies Alfred Lewy 1981 in einer bahnbrechenden Entdeckung nach. Er hatte in einer Versuchsanordnung Personen während dunkler Nachtphasen immer wieder hellem Kunstlicht ausgesetzt und eine verminderte Melatonin-Ausschüttung im Blut gemessen. Damit war belegt, dass auch die menschliche Physiologie vom Zeitpunkt und von der Dauer der Einwirkung des natürlichen Lichtes beeinflusst wird.

Eine Phase der Hysterie um den neuen angeblichen Wunderstoff begann eine nüchterne Betrachtungsweise um die vergleichsweise moderate Wirkungsweise Melatonin zu verzerren. So ist die Phase einer Gläubigkeit um die angeblich schwach narkotisierende Einflussnahme auf den Schlaf einer nüchternen Betrachtungsweise gewichen, die nur von einer schlafnormalisierenden Wirkung ausgeht. Die Vorstellung von Melatonin als zu verabreichendes natürliches Schlafmittel erwies sich jedoch als Irrweg. In Studien der letzten 20 Jahre wurde lediglich eine sehr schwach hypnotische Wirkung nachgewiesen, die keinen unmittelbaren Einfluss auf den Schlaf hat. Ein Effekt entsteht lediglich über Tage und überdauert die Zeit der Einnahme zum Teil über Wochen, wie schlafmedizin-berlin.de die Faktenlage zusammenfasst.

„Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr“ (Arthur Schopenhauer)

Lange Zeit ging die Medizin und Neurophysiologie davon aus, dass Schlaf nichts anderes als eine Art reduzierte Aktivität des gesamten Organismus darstellt, das Interesse an einer Forschung hielt sich demzufolge in bescheidenen Grenzen. Erst mit der Entdeckung der Hirnstrommessung (Elektroencephalogramms, EEG) durch Hans Berger (Jena) in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann sich das wissenschaftliche Bewusstsein zu wandeln, die Andersartigkeit der gemessenen Hirnströme während des Schlafens erregte Forscherinteresse. Typische Formen elektrischer Aktivität kennzeichnen den Schlafzustand und grenzen ihn deutlich von andersartiger EEG-Aktivität im Wachzustand ab. Die gewonnenen Erkenntnisse mündeten in die bahnbrechende Entdeckung der REM-Phase („rapid eye movement“) durch Aserinsky und Kleitman (1953). Sie stellt neben Wachzustand und Schlafzustand einen eigenständigen, dritten Funktionszustand des Gehirns dar, der unter anderem durch verstärkte Bewegungsaktivität der Augen gekennzeichnet ist.
Die Forschung ging standardmäßig dazu über,  neben einer Messung der Hirnströme auch die Frequenz der Augenbewegungen (Elektrookulogramm, EOG) sowie der Muskelkontraktionen im Kinnbereich (Oberflächen-Elektromyogramm, EMG) während der verschiedenen Stadien von Schlaf zu messen.
Aus den anfänglich drei zu differenzierenden qualitativ andersartigen Schlafphasen sind in der heutigen Schlafforschung vier Phasen geworden, systematische Auswertungen lassen – jeweils gekennzeichnet durch typische Muster in EEG, EOG und EMG – fünf Stadien verschiedener Hirnaktivität erkennbar werden:

•    Wachphase: Schnelle Augenbewegungen, leicht angespannte Muskulatur;
•    Stadium 1: Einschlafphase oder Somnolenz; Verflachung des EEG; Reduktion der Muskelaktivität; langsame Augenbewegung; Dauer ca. 10 Minuten;
•    Stadium 2: Leichtschlafphase; verlangsamte elektrische Aktivität des Gehirns; Bewusstseinsverlust für die Außenwelt;
•    Tiefschlaf: Slow Wave Sleep, SWS; EEG mit langsamen Wellen hoher Amplitude; Ausschüttung von Wachstumshormonen; keine Augenbewegungen; Niedriger Muskeltonus; Hemmung von Cortisol; Bildung von Energieressourcen für die Wachphase;
•    REM-Schlaf: Traumschlaf oder paradoxer Schlaf; EEG ähnlich Stadium 1; Kein Muskeltonus; Physiologische Zustände ähneln dem Wachsein; Wahrnehmung der Umwelt; Reaktionen auf äußere Reize.

„Der Schlaf ist das Bild des Todes“ (Cicero)

Neuere Erkenntnisse gehen davon aus, dass während der REM-Schlafphase im Gegensatz zur Tiefschlafphase erlebte Situationen verarbeitet und aufgenommene Informationen zum Teil im Langzeitgedächtnis gespeichert werden (Quelle: schlaf.org). Das REM-Schlafstadium wird auch als Erholungsphase für das Nervensystem und die Psyche gewertet, bis zu einem Viertel der Schlafzeit wird im REM-Zustand verbracht. REM-Phasen sind physiologisch durch gesteigerte Durchblutung, ansteigenden Blutdruck und erhöhte Herzfrequenz gekennzeichnet. In der klassischen Schlafforschung wurde die REM-Phase mit der eigentlichen Traum-Phase gleichgesetzt, neuere Forschungen gehen jedoch davon aus, dass auch in anderen Schlafphasen geträumt wird, wenn auch nicht so detailliert und intensiv.
Der normale Schlafverlauf ist bei einem gesunden Menschen durch eine regelmäßige Abfolge der fünf beschriebenen EEG-Zustände gekennzeichnet, die einzelnen Nicht-REM-Phasen wechseln mit REM-Phasen ab. Eine Abfolge bestehend aus einer Nicht-REM-Phase und einer REM-Phase wird von der Wissenschaft als Schlafzyklus definiert, eine durchschnittliche Nachtruhe ist durch die Abfolge von vier bis fünf Zyklen gekennzeichnet. Beim ungestörten Schlaf beträgt die Länge eines Schlafzyklus‘ zwischen 80 und 110 Minuten. Tiefschlafphasen treten vor allem in der ersten Nachthälfte auf, REM-Phasen vornehmlich in der zweiten. Normalerweise vergehen zwischen 50 und 100 Minuten bis zum Auftreten der ersten REM-Phase, bei verschiedenen Formen von Schlafstörungen ist jene Zeitspanne verändert.
Kurzes Aufwachen ereignet sich, wenn überhaupt, vor allem am Ende der REM-Phasen, vor Einsetzen des nächsten Schlafzyklus.

Mit zunehmendem Lebensalter steigt sowohl die Häufigkeit der Aufwachereignisse als auch die Frequenz und Dauer von Stadium 1 + 2 an, zu Ungunsten seltenerer und kürzerer Tiefschlafphasen. Auch reduziert sich Schlafbedürfnis und Gesamtschlafdauer im Alter. Einer Studie zufolge benötigen ältere Menschen im Durchschnitt ca. 40 Minuten weniger Schlaf pro Nacht. Das Schlafverhalten von 110 gesunden Probanden wurde ausgewertet, sowohl Schlaf- als auch Tiefschlafphasen waren bei den älteren Testpersonen kürzer, die Schläfrigkeit am Tag jedoch gegenüber den jüngeren Testpersonen vermindert.

„Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung!“ (Heinrich Heine)

Eine durchschnittliche Schlafdauer von rund sieben Stunden wird allgemeinhin von Forschern als ausreichend für eine mittlere Altersgruppe angesehen, mit höherem Alter setzen Forscher eine Schlafdauer von circa 6,5 Stunden als Richtwert an. Durchschnittlich schlafen die Deutschen laut einer aktuellen Studie 7 Stunden und 45 Minuten, wie sueddeutsche.de angibt, andere Studien gehen von einer spontanen Schlafdauer der meisten Menschen zwischen sieben und neun Stunden täglich aus, mit einer großen individuellen Bandbreite. Untersuchungen im Schlaflabor haben selbst bei ausgesprochenen Kurschläfern von ca. vier Stunden pro Nacht ergeben, dass Menge und Dauer der Tiefschlafphasen identisch mit denen von „Normalschläfern“ identisch sind, die Menge an Stadium 1-, 2-, und REM-Phasen jedoch reduziert ist. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Entwicklung zu einem Kurz-, Normal- oder Langschläfer genetisch festgelegt ist und sich späteres Schlafverhalten bereits in der Kindheit festigt und ein im Verlauf des Lebens relativ konstantes biologisch determiniertes Charakteristikum darstellt.

Schlafentzug bzw. -mangel hat laut einer Studie der Universität Chicago (Quelle: Spektrum) eine Wirkung, der der von Cannabis ähnelt. 14 junge gesunde Erwachsene haben zunächst vier Tage lang in einem Forschungszentrum täglich achteinhalb Stunden geschlafen und drei Mahlzeiten am Tag zu sich genommen. Danach durften die gleichen Testpersonen vier Tage lang nur noch viereinhalb Stunden pro Nacht schlafen. In beiden Situationen wurden 24-Stunden-Profile erstellt und verschiedenen Blutwerte ermittelt. Auch Hunger, Appetit und Menge der aufgenommenen Nahrung wurde bestimmt. Die miteinander verglichenen Werte ergaben, dass bei Schlafmangel das Hormonsystem durcheinander gerät. Der Ghrelin-Spiegel – verantwortlich für das Hungergefühl – stieg an, während die Konzentration von Leptin – zuständig für ein Sättigungsgefühl – sank. Ghrelin („Growth Hormone Release Inducing“) ist ein appetitanregendes Hormon, das in der Magenschleimhaut und der Bauchspeicheldrüse produziert wird. Leptin ist ein Proteohormon (fettunlösliches Hormon mit einer Eiweißstruktur), das eine wichtige Funktion bei der Regulierung des Fettstoffwechsels spielt.
Chronischer Schlafmangel brachte auch das Hormon 2-Arachidonylglycerol (2-AG) – ein Cannabinoid – aus dem Takt, das ähnlich wie Cannabis wirkt und Heißhungerattacken auslösen kann.
Appetit und die Lust auf Süßes ist unter Schlafentzug gesteigert, durchschnittlich nahmen die Probanden 300 Kalorien mehr zu sich, als wenn sie ausgeschlafen gewesen wären. Schlafmangel kann demnach auch dick machen. Die Ergebnisse sind in dem Fachmagazin für Schlafforschung „Sleep“ zusammengefasst.

„Süßer Schlaf! Du kommst wie ein reines Glück ungebeten, unerfleht am willigsten!“ (Goethe)

Wie wichtig Schlaf für den menschlichen Organismus ist, haben Schlafforscher vielfach belegen können. Umgekehrt hat Schlafmangel vielfach schädigende Auswirkungen auf den Organismus, verschiedene Studien haben zusammenfassend folgende Effekte nachweisen können:

–    Erhöhtes Erkältungsrisiko um das Dreifache bei weniger als sieben Stunden Schlaf täglich
–    Statistisch erhöhte Gefahr von psychischen Erkrankungen, Depressionen und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes
–    Labilität vegetativer Parameter wie Pulsfrequenz und Atmung
–    Ausbildung vegetativer und psychischer Symptome (Reizbarkeit, Halluzinieren)
–    Entstehung von Bluthochdruck und einiger Krebsarten
–    Rückgang zellschützender Baustoffe (Sirtuin-Proteine) und Schädigung bzw. Absterben von Hirnzellen (Neuronen) bei lang anhaltendem Schlafmangel

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