Wie kann man über Stuttgart lästern, wenn man aus Halle kommt?
Es ist weniger ein Lästern als die Feststellung, dass es woanders auch nicht schöner ist. Ich war viel unterwegs, da kann man schon mal Vergleiche anstellen. Und in Stuttgart sieht es eben so aus, wie es aussieht.

Wie sieht es hier denn aus?
Im Vergleich zu München oder Berlin wirkt Stuttgart eher unentspannt und lädt nicht dazu ein, sich zu erholen.

Klingt fast so, als hätte man Ihnen den Kleinkunstpreis Baden-Württemberg nur verliehen, weil Sie es vier Jahre hier ausgehalten haben.
Das war eher eine Überraschung. Ich habe mich all die Jahre erfolglos für den Stuttgarter Besen beworben, wurde aber nie angenommen. Und dann das, kurz nach meiner Rückkehr nach Berlin. Wahnsinn!

Wo haben Sie während ihrer Zeit in Stuttgart eigentlich gewohnt?
Erst im Norden, die meiste Zeit aber am Kernerplatz. Zum Bahnhof konnte ich immer bequem durch den Schlossgarten laufen, doch das geht dank S21 jetzt ja nicht mehr.

Mit diesem Thema haben Sie sich mehr auseinandergesetzt als die meisten Stuttgarter.
Ich kenne das Projekt schon seit Mitte der Neunziger. Damals hieß es noch, dass es ein rein städtebauliches Projekt wird, für das auch der Bahnhof ein wenig umgestaltet werden muss. Irgendwann meinte man dann, dass der Bahnhof umgebaut wird, damit man in fünfeinhalb Stunden nach Bratislava kommt. So ein Unfug!

Sind Sie mal auf jemanden gestoßen, der so schnell und oft nach Bratislava musste?
Nein. Den gibt es gar nicht!

Was war ihr allererster Eindruck von Stuttgart?
Der einer Stadt, die sehr verwinkelt und zusammengepresst ist – was natürlich auch an der Lage liegt. Im Sommer heizt sich der Kessel wahnsinnig auf und macht schnelle Bewegung völlig unmöglich.

Dennoch haben Sie hier auch schöne Ecken entdeckt, oder?
Aber hallo! Alles, wovon man auf Stuttgart runterschauen kann, ist super – die Karlshöhe oder der Birkenkopf beispielsweise. Außerdem war ich immer sehr gern auf dem Fernsehturm und im Lapidarium. Richtung Marbach mit dem Fahrrad am Neckar entlang ist auch wunderschön. Oh, und die Wilhelma natürlich…

Na sehen Sie…
Dafür muss man die Stadt aber erst mal kennen.

Und Berlin ist da anders?
Berlin ist viel protziger, offensichtlicher. Dafür gibt es mittlerweile zu viele Touristen hier, von denen sich die Berliner schon belästigt fühlen.

Wie von den zugezogenen Schwaben auch…
Ach, Schwaben-Bashing passiert für mich nur in den Medien. Zwar hat hier eine Frau im Bäcker neulich im breitesten Schwäbisch ihre Bestellung aufgegeben und in einem Restaurant um die Ecke hängt ein „Gegen S21“-Aufkleber; damit hat es sich aber schon.

Sie merken in Ihrem Buch an, dass es in Stuttgart viel sauberer ist als in Berlin. Das kann kaum Kritik sein.
Nein, gar nicht. Aber es wundert mich, denn in Berlin hängen an jeder Straßenkreuzung vier Mülleimer und dennoch ist die Stadt dreckig wie nix. Ein rätselhaftes Phänomen.

Das Gespräch führte Björn Springorum