Eine HB 5 ist doch ein Durchschnittsmädchen“, spricht Gott und erzürnt damit den Cowboy. „Der ganze Bewertungsmist geht mir auf den Keks“, sagt er, „was für den einen eine HB 9 ist, ist für mich eine kleine Partymaus mit Puppengesicht und Deichmann- Schuhen.“ Cowboy und Gott diskutieren wie die anderen 7000 registrierten Mitglieder auf dem Internet- Forum von „Progressive Seduction“ (Fortgeschrittene Verführung). Hier geht es um mehr als nur um die Diskussion, was ein HB, ein „Hot Babe“, auf einer Skala zwischen 1 und 10 ist. Die große Frage ist: Wie erlerne ich die Kunst der perfekten Verführung? Hinter Seiten wie „Progressive Seduction“ steht eine ganze Verführungs- Bewegung, die aus den USA kommt. Ihre Lehrer nennen sich „Pickup- Artists“, kurz PUAs oder auf Deutsch weniger elegant Aufreißkünstler. Jeder von ihnen schwört auf seine ganz eigene Methode, attraktive Frauen für sich zu gewinnen. Für ihre Geheimnisse lassen sich die PUAs gut bezahlen. Knapp 2000 Dollar kostet etwa ein Wochenendseminar bei Erik von Markovik. Früher arbeitete er als Illusionskünstler in Torontos Nachtclubs. Heute schart er unter dem Pseudonym „Mystery“ eine ganze Fangemeinschaft um sich. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile Pick-up-Artists, die vor allen den „Average Frustrated Chumps“ (den üblichen frustrierten Versagern) die hohe Schule des Verführens beibringen wollen. Wie bei den Amerikanern gehört es auch bei ihnen zum guten Ruf, dass man unter einem Pseudonym arbeitet. Maximilian Pütz aus Köln ist in der Szene unter dem Namen „Joker“ bekannt. Wie der clowneske Gegenspieler des Comic-Helden Batman, der nach einem Säurebad neu geboren wird. „Der Joker ist einer, der ein bisschen verrückt ist. Das bin ich auch. Er gibt einen Scheiß darauf, was die anderen Leute von ihm denken und zieht einfach sein krankes Ding durch. Das hat zu mir gepasst“, sagt Pütz. Pütz‘ Sprüche klingen markant, mit seiner extravaganten Kleidung und seinen schwarz lackierten Fingernägeln zelebriert er ein Wild- Boy- und Rockstar-Image. Der 29-Jährige will nicht verraten, in welchem Viertel er lebt – durch seine Flirt-Predigten auf dem Videoportal Youtube, in denen er gern im Imperativ doziert, ist er schon zu populär unter seinen Anhängern. „Der größte Fehler ist, einer Frau nach dem Mund zu reden, aus Angst sich zu blamieren“, sagt er. „Das ist der größte Abturner für Frauen überhaupt!“ Pütz ist eigentlich gelernter Schauspieler und hat zudem eine vierjährige Ausbildung als Erzieher absolviert, was sein „Helfersyndrom“ wohl im Ansatz erklärt. Seit 2005 arbeitet der moderne Casanova für die Firma „Progressive Seduction“ als Flirt-Coach.

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Die Kunst des Jägers
Wichtiger als reine Trockenübungen im Seminarraum ist für Pütz die Praxis. In seinem Spezialkurs „Project Nighthunter“ etwa begleitet er die Teilnehmer durch Clubs und Bars und korrigiert ihre Fehler. Sich nicht zu verstellen ist für ihn dabei eine der wichtigsten Spielregeln: „Ich sage den Männern: Im Endeffekt respektieren euch die Frauen dafür, dass ihr eine klare Vorstellung von eurem Leben habt – auch wenn es nicht die ihre ist.“ Deshalb lautet auch eine der Maximen in seinem Kurs: „Die eigene Identität in Ordnung bringen.“ Sich darüber klar werden, wer man ist und was man will. Und: Nicht alles, was amerikanische PUAs doziere, gelte auch bei uns. „In den USA sind sie der Meinung: Jede schöne Frau wird zehnmal am Tag angesprochen. Deswegen hat sie ein, Bitch-Shield‘ (Zicken-Schutzschild). Das heißt, sie springt nur auf Männer an, die sehr selbstbewusst sind. In Deutschland habe ich die gegenteilige Erfahrung gemacht. Superhübsche Frauen werden eigentlich nie angesprochen, außer von Idioten oder Besoffenen.“ Doch wenn es um ihr Flirtverhalten geht, zieht Pütz auch gern mal vom Leder: „Deutsche Frauen sind extreme Flirtkrüppel. Sie haben es verlernt zu kokettieren und Blickkontakte herzustellen, weil sie heutzutage genauso tough sein müssen wie die Männer.“ Einen Augenblick später wird der Mann mit dem Schmollmund aber wieder sehr gefühlig und sagt etwas leiser: „In Deutschland haben die Leute die Fähigkeit verloren, aufeinander zuzugehen, auch wenn sie Sehnsucht danach haben.“ Von dem Verhalten extrovertierter Südländern könnten sie sich eine dicke Scheibe abschneiden. Ein Hilfsmittel, um Frauen gegenüber mutiger aufzutreten, ist bei Pütz der „Kleine-Schwester- Frame“. Die Männer sollen einfach so tun, als wäre die Frau ihre kleine Schwester. „Ich sage zu der Frau: ,Du bist ja so quengelig. Wir könnten niemals ein Paar werden.‘ Darauf sagt sie zu mir: ,Du Schwein‘, und ich lenke ein und sage: ,Na gut, wir können’s ja probieren.‘“ Auch Robert Bednarek ist PUA, er nennt sich „Magnum“ und hat 2005 seine eigene Schule in München gegründet. „Die perfekte Masche“ heißt sein Kurs (abgeleitet von dem US-Bestseller des amerikanischen Journalisten und Pick-up-Artist Neil Strauss). Der 27-jährige Medizinstudent mit dem Dreitagebart bringt darin sein wichtigstes Credo an den Mann: Sei kongruent! Kongruenz bedeutet für ihn: Der Mann soll keine Rolle spielen, nur damit ihn die Frauen gut finden. Das Ego und den Mut, Frauen anzusprechen, hat aber nicht unbedingt jeder. Oft sitzt ein Teufelchen auf der rechten Schulterseite, das Ausreden einflüstert: Sie ist eh nicht mein Typ. Sie hat wahrscheinlich einen Freund. Heute ist nicht mein Tag. „Genau diese Stimme muss abgestellt werden“, sagt Bednarek. Sind die Männer dann in sich kongruent, scheucht er sie erst mal aus ihrer so genannten Comfort-Zone heraus. Diese Wohlfühlzone steht für Orte, an denen wir uns sicher und geborgen fühlen: die eigene kuschelige Wohnung, die Privatparty, auf der man schon zehn Leute kennt, oder der Arbeitsplatz, an dem man mit Kollegen flirtet. Außerhalb der Comfort-Zone, in Bars oder auf der Straße, kann man dann seine Kongruenz unter Beweis stellen. Folgende Fehler sollte man aber vermeiden: nur zu lachen, um sie auch zum Lachen zu bringen. Oder der Frau ein Getränk auszugeben, nur um sie bei Laune zu halten.

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Lernen von Agent 007
Im Umgang mit Frauen spiele auch die Körpersprache eine entscheidende Rolle. Der Prototyp des selbstbewussten Mannes ist für ihn James Bond: Hinter ihm geht die Welt in Flammen auf, doch er bleibt cool. „Während alle anderen desorientiert durch die Gegend laufen, schaut er erst mit seinem Pupillen nach rechts, dann mit seinem Kopf und dann erst mit seinem ganzen Körper“, sagt Bednarek. „So ein Verhalten kann man lernen!““Frauen sind keine Säbelzahntiger“, sagt Nina Deißler mit Überzeugung und lacht. „Das ist das Erste, was ich den Männern beibringe.“ Die 33-Jährige nennt sich der „Date-Doktor“. Sie trägt ein knallrosa T-Shirt, auf dem in silberner Schrift „Anlächeln erlaubt“ steht. Deißler weiß sich zu verkaufen, ihr berufliches Spezialgebiet war früher Marketing und Kommunikation. Seit fünf Jahren gibt sie in ihrer Agentur „Kontaktvoll“ Flirt-Training in Hamburg – für Männer und für Frauen. Dabei übt sie weder Baggern noch auswendig gelernte Sprüche. Es geht ihr darum, die Teilnehmer für die Verhaltensweisen des jeweils anderen Geschlechts zu sensibilisieren: „Es gibt Menschen, die sehr gut darin sind, Signale zu verstehen und Interesse festzustellen – und es gibt Männer“, meint Deißler. Und das ist nicht nur ein ironischer Seitenhieb auf männliche Scheuklappen. Es ist vielmehr ein Appell an die Frauen, mutiger zu sein und den Blickkontakt länger zu halten. Sie sollen lernen, jemanden bewusst anzulächeln statt schnell wegzuschauen und schüchtern in der Tasche zu kramen. Lächeln ist ihrer Meinung nach auch ein Ausdruck, der in seiner Macht unterschätzt wird. „Schon als Babys im Kinderwagen lernen wir: Wenn jemand die Mundwinkel nach oben zieht, ist alles in Ordnung.“ Deißler hat viele pädagogische Tipps bei der Hand, wenn es darum geht, den Menschen ihre Blockaden und Angst vorm ersten Schritt zu nehmen. Ihre Grundüberzeugung ist: Jeder soll eine „flirtige Lebenseinstellung“ entwickeln. Wie das funktioniert, erklärt sie wie immer mithilfe einer Metapher, dem „Flirt-Konto“: „Du kannst schon mit kleinen Dingen ins Plus rutschen, wenn du fremden Menschen ein Lächeln schenkst oder irgendjemandem ein beiläufiges Kompliment machst – ohne selbst davon zu profitieren.“ So steige das positive Feedback und damit auch das eigene Selbstvertrauen. „Du merkst, hey, ich bin ein guter Typ. Das macht Spaß! Und Leute, die Spaß haben, das sind doch auch die, die wir kennen lernen wollen“, sagt Deißler. Schüchterne Menschen, die Angst vor einer Abfuhr haben, wirft sie mit dem Vorwurf der Arroganz ins kalte Wasser: „Der größte Fehler, den wir machen, ist, dass wir uns selbst zu wichtig nehmen.“ Deißler ist überzeugt: „Die Welt dreht sich nicht nur um dich. Kein Mensch interessiert sich für dich. Und so lange du nichts tust, bleibt das auch so.“

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Er kriegt jede Nummer
„Flirten ist oftmals ein kleiner Krieg, bei dem beide mit ihren Waffen arbeiten. Nicht jede Frau will von jedem Kerl angegraben werden. Mit etwas diplomatischem Geschick kann man die Frauen aber für sich gewinnen“, sagt Phillip von Senftleben. Deshalb lautet auch eines seiner Credos: „Versetze dich in deinen Feind!“ Den „Feind“ lockt der 36-jährige Flirt-Profi meist mit melodiöser, dunkler Stimme, provokativer Rhetorik, einem Hauch Selbstironie und Charme aus der Reserve. Mehr als 1000 Frauen hat er in den vergangenen drei Jahren die Telefonnummer abgeluchst. Und das ist nur seine berufliche Erfolgsquote. Auf elf Radiostationen läuft sein Romantic-Comedy-Format „Der Flirter“, in denen er mit Wildfremden am Telefon schäkert – mit dem erklärten Ziel, ihre Nummer zu bekommen. Neben seinen Sendungen gibt der Wahlberliner auch seit eineinhalb Jahren Flirt-Seminare, die aus „50 Mosaiksteinchen“ des erfolgreichen Flirtens bestehen. Das erste Steinchen, das einen erfolgreichen Flirt ins Rollen bringt: Das Selbstbild der Teilnehmer geradezurücken. „Viele fallen erst mal aus den Wolken, wenn sie hören, was die anderen über sie denken“, sagt Senftleben. Ein Außendienstler mit der „größten Klappe des Jahrhunderts“ weinte fast, als er das Urteil seiner Mit-Teilnehmer hörte. „Der Gute hat immer diesen Plattitüden dreschenden Sunnyboy gegeben, der er gar nicht war“, sagt Senftleben und empfiehlt, sich die Körpersprache von Filmstars abzuschauen. „Cary Grant bewegte sich wie eine etwas steife Katze, nicht zu geschmeidig und nicht zu weibisch, das ist wunderbar“, sagt er. „Ein Mann sollte nie ganz gerade vor einer Frau stehen, sondern sanft angewinkelt“, so Senftleben. Der größte Fehler von Männern: „Sie nähern sich frontal, stützen sich mit dem Ellenbogen auf den Tisch, während sie sich zurücklehnt. Damit macht man sich zum Kaspar.“ Besser sei es hier, die Körpersprache der Frau zu spiegeln. Zum Helden macht man sich hingegen, wenn man der Frau ein Lachen entlockt. Auch hier gibt ein Film das passende Beispiel: „Besser geht’s nicht“ mit Jack Nicholson in der Rolle des neurotischen Eigenbrötlers Melvin. „Er bringt darin die Philosophie des Flirtens und Liebens am schönsten zum Ausdruck, indem er sagt: ,Make her laugh and you got a life‘ – Bring sie zum Lachen, und du hast ein wundervolles Leben!“

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TUN UND LASSEN – ZEHN GOLDENE FLIRT-REGELN

Keine Ausreden mehr: Mit dieser Handvoll Dos und Don’ts weckt jeder sein Flirt-Talent. Probieren Sie es aus

Das sollten Sie auf jeden Fall machen
+ Finden Sie erst heraus, was Sie selbst wollen. Dann wissen andere Leute auch, was sie von Ihnen wollen.
+ Raus aus der Wohlfühlzone! Flirten Sie auch an Orten, die nicht Ihr zweites Wohnzimmer sind.
+ Lächeln Sie öfter mal – denn Lächeln löst positive Emotionen aus.
+ Halten Sie Blickkontakt – nicht gleich schüchtern wegschauen, in der Tasche kramen oder SMS tippen.
+ Die Körpersprache des Gegenübers spiegeln, also vorbeugen, wenn der Flirt sich vorbeugt.

Das sollten Sie auf keinen Fall machen
Schieben Sie keine Ausreden vor wie „Heute ist eh nicht mein Tag“. Denn genau heute ist Ihr Tag!
Bewegen Sie sich nicht wie ein Zappelphilipp. Eine ruhige Körpersprache signalisiert Selbstbewusstsein.
Lachen Sie nicht künstlich, nur um sich bei Ihrem Flirt einzuschmeicheln.
Männer sollten einer Frau keinen Drink ausgeben, nur um sie bei Laune zu halten.
Reden Sie Ihrem Flirt nicht nach dem Mund, aus Angst, sich zu blamieren.

Bettina Hensel