„Lieber selbständig als angestellt.“ Viel mehr stand für Christoph Haberl (29) nicht fest, als er sich noch während seines BWL-Studiums für den relativ neuen Kurs „Unternehmensgründung und Entrepreneurship“ bei Professor Voigt an der FAU Nürnberg entschied. In solchen Lehrveranstaltungen zeigt sich schnell, wer wirklich bereit ist, den steinigen Weg in die Selbständigkeit zu beschreiten. „Dieser Kurs hat meinen Entschluss eher noch verstärkt,“ erklärt Haberl, während seine Partnerin Betty Liberak (27) frisch gepresste Säfte an den Tisch bringt. Das nämlich ist das „Business“ der beiden. Die Idee, eine Saftbar zu eröffnen, klingt anfangs sicherlich nicht nach Revolution. Zum Quell der Inspiration wurde für ihn ein einjähriger Australienaufenthalt im Rahmen des Studiums. Dort jobbte der Student unter anderem in einer Smoothieund Saftbar, die ein ganz anderes Image pflegte als deutsche Pendants. „Gesundheits- und Körperbewusstsein wurden dort viel cooler und jugendlicher verkauft als ich das aus Deutschland kannte,“ beschreibt er seine Eindrücke. Die müssen stark nachgewirkt haben, denn schon bald nach seiner Rückkehr konnte Christoph auch Betty für das Konzept aus „downunder“ begeistern. Kennengelernt haben sich der Rosenheimer und die Nürnbergerin zu Beginn ihres Studiums. Sie allerdings musste für das gemeinsame Projekt eigene Karrierepläne absagen. Chancen hätte sie gehabt, doch die Vision des eigenen Geschäfts wog stärker. Die beiden hatten sich entschieden, trotz ihres hochdotierten Studiums hinter einem Tresen, vor den Augen der Gäste Saft zu pressen, Bagels zu schmieren, Brot zu schneiden und Kaffee zu kochen. „Jahrelang studiert, um einen Imbiss zu betreiben?“ wurden sie zu Beginn oft gefragt. Welche Leistung dieser Plan verlangen würde, war den Spöttern nicht klar.

Weiter geht`s auf der nächsten Seite.

EINE GUTE IDEE IST NUR ER ANFANG
Die Vision war zwar da, doch es fehlte beiden an Praxis. Diesen Mangel kompensierte zumindest Christoph durch seine Diplomarbeit über Franchise-Konzepte, worauf er auch seinen eigenen Businessplan auslegte. Von vornherein ahnte der Jungunternehmer, dass nur eine franchisefähige Geschäftsform trotz Kapitalknappheit für eine schnelle Markenmultiplikation und Standortzugewinne würde sorgen können. Auf diese Weise garantiert bereits eine marktfähige Idee den Profit: Insofern der Franchisegeber ausreichend Interessenten findet, die sein Geschäftsmodell adaptieren wollen, verkauft er diesen eine Lizenz an Idee, Marke, Produkt und Vermarktung. Sein investorisches und unternehmerisches Risiko wird dadurch auf vieleLizenz- also Franchisenehmer verteilt und für jeden Teilnehmer überschaubar, da zur Eröffnung einer neuen „Filiale“ vornehmlich das Kapital des jeweiligen Lizenznehmers beansprucht wird. Die bekanntesten Franchiser der Welt, McDonald’s und Burger King, spielten bei Christophs Recherche zur Diplomarbeit allerdings keine Rolle. Vielmehr beschäftigte ihn – auch im eigenen Interesse – wie innovative junge Franchise-„Ketten“ wie Coffee Fellows heutzutage ihren Aufbau leisten. Dass quasi parallel zur Belastung Diplomarbeit noch der eigene Businessplan sowie der Aufbau eines gestandenen Unternehmens kam, verkürzte zwar die Freizeit, half aber, ein Konzept zu entwickeln, das Hand und Fuß hatte. Was für die meisten BWL-Studenten zu diesem Zeitpunkt nur bloße Theorie war, wurde für Christoph praktischer Ernst, als er die Wirtschaftlichkeit einer Saftbar oder vielmehr einer modernen Imbissbar berechnen musste. Viele Komilitonen fanden sein Engagement eher unterhaltsam und glaubten nicht an die Umsetzbarkeit. Bettys Loyalität indes wuchs mit seinem Engagement und so ging es schließlich an die Front.

Weiter geht`s auf der nächsten Seite.

BUSINESSPLAN UND REALITÄT
Für Normalsterbliche klingt es beinahe hanebüchen, was alles zu einem Businessplan gehört, den Banken, Investoren und sogar Vermieter von Geschäftsräumen sehen wollen, bevor sie einer Idee eine Chance geben. Alleine die Zielgruppe aus dem Grauschleier „szenig, modern, gesundheitsbewusst aber nicht öko“ in harte Fakten umzuformulieren, schien ohne Marktstudie schwer. Doch für teure GfK-Untersuchungen fehlte das Geld. Also machten Christoph und Betty ihr persönliches Umfeld zu Zielgruppe und Standortargument. „Mein Geschäft wollte ich in einer Gegend begründen, die ich kenne. Also kamen nur Rosenheim, meine Heimat, München, wo ich länger gelebt habe, und Nürnberg als mein aktueller Studien- und Wohnort in Frage,“ schildert Christoph den Findungsprozess. Rosenheim war nachweislich zu klein, München zu teuer und in Nürnberg kannten die beiden Geschäftspartner schlichtweg ihre Zielgruppe am besten sowie am quantitiv umfassendsten. Darauf aufbauend kamen für unsere Start-up-Unternehmer genau jene Überlegungen ins Spiel, die in keinem Businessplan fehlen dürfen: Wie verhält sich die Zielgruppe, welche Preispolitik verlangt das Produkt, welche Preiskalkulation verträgt der Markt? Wie rentabel ist das Geschäftsmodell kurz-, mittel- und langfristig? Wo müssen die Geschäftsräume liegen,um den Kunden optimal zu erreichen? Christoph betont, dass jeder Businessplan zu 100 Prozent der Realität entsprechen sollte und blauäugige Optimalrechnungen weit weniger verlässlich sind als straff kalkulierte „worst case“ Szenarios.

WIE SCHWIERIG IST ES MIT DEN BANKEN?
Denn wirklich glaubwürdig ist für eine Bank nur ein plausibler, ausführlicher und aufrichtiger Businessplan, der alle Eventualitäten und Risikofaktoren mit einschließt. Mindestens genauso wichtig ist das Engagement, mit dem der Gründer auftritt, wie sehr er augenscheinlich höchstpersönlich hinter seiner Idee steht. Christophs Konzept eines „Imbiss mit frisch gepressten Säften“ klingt von Haus aus überschaubar und vor allem wenig kostenintensiv. Diesen Businessplan kann jeder Bänker mit Betriebswirtschaftleraugen verstehen und prüfen. Je komplizierter zum Beispiel ein Produktionsverfahren wird, sei es in der Biotechnologie oder Umweltforschung, desto mehr Sachverständige werden vom Kreditinstitut hinzugezogen.

Weiter geht`s auf der nächsten Seite.

Gerade technisch aufwändige Geschäftsideen, die große Mengen an Investitionen in Form von Fremdkapital oder langfristigen Bankkrediten verlangen, beanspruchen viele Monate in der Prüfung. Genau hingesehen wird aber auch schon bei kleinen Summen. Christoph konnte bei der Sparkasse Nürnberg einen guten Eindruck hinterlassen: Sein 40 Seiten starker Businessplan wurde geprüft und als vielversprechend bewertet, sein theoretisches Wissen aus dem Studium und seine praktische Erfahrung aus genau der Branche, in die er starten wollte, untermauerten seinen starken Willen zum Erfolg. Jede Idee benötigt in der Realität die passende Geschäftsform, die Kapitalvermögen des Gründers und Risiko berücksichtigt. Christoph konnte die Einlage für eine GmbH aus eigenen Ersparnissen aufbringen, auch das begünstigt die Bereitschaft einer Bank. Welche Rolle spielt der Faktor Franchise für die Bank? Im Fall der Mischbar war diese Möglichkeit sicherlich interessant für die Bänker. Schließlich können zukünftige Franchisenehmer zu ihren Kunden werden. Hat sich eine Idee mit der ersten Niederlassung bestätigt, ist das Risiko der Kreditvergabe stark reduziert. Dass Christophs Businessplan samt einer theoretischen aber detaillierten sowie eher pessimistischen Gewinn-und-Verlust-Rechnung nach dem Muster des „netzwerk nordbayerns“ nach der Prüfung von den Sachbearbeitern zu einem sparkassen-internen Wettbewerb eingereicht wurde, der von namhaften Unternehmen gesponsert wird, ist ein schönes Lob.Und ein deutliches Zeichen, dass Disziplin und Genauigkeit in jeder Lage von Vorteil sind. Doch tatsächlich begann nach der Zustimmung der Bank eine ganz andere Hürde zum wirklichen Problem zu werden.

Weiter geht`s auf der nächsten Seite.

DAS WICHTIGSTE: AUF ALLES VORBEREITET SEIN
Bei der Sparkasse und im Businessplan hatten die ambitionierten Saftmischer bereits angegeben, dass sich die frischen Säfte, Smoothies, Speisen und der Fair Trade Kaffee nur in einer 1a- oder 1b-Lage erfolgreich würden verkaufen lassen. Obwohl in Nürnbergs Fußgängerzone immer wieder erstklassige Ladengeschäfte freistehen, hatten Betty und Christoph große Schwierigkeiten, einen Laden, der ihren Vorstellungenentspricht, anmieten zu können. Die meisten Eigentümer „wollen keinen Gastronomiebetrieb in ihren Räumlichkeiten, und Existenzgründer schon gar nicht“. Die Enttäuschung bei den angehenden Imbissbetreibern war groß. Trotzdem ist dies kein Einzelschicksal: Geschäftsräume werden allzu gern mit besonders langen Kündigungsfristen und vor allem bevorzugt an große Unternehmen oder Filialisten vermietet. Viel zu viele Vermieter bedenken dabei nicht, dass gerade diese Klientel schwergewichtige Rechtsabteilungen beschäftigen und um jeden Cent bei den Nebenkostenabrechnungen einen Prozess anzustrengen bereit sind. Kleine Unternehmer sind mitunter aufrichtiger, ambitionierter und verlässlicher, das mussten Christoph und Betty allerdings in vollem Umfang beweisen. Um die Grundstückverwalter am Hauptmarktkomplex zu überzeugen, bedurfte es einer eigenen Präsentation ihrer Geschäftsidee. Dass nebenbei noch ein alteingesessener, benachbarter Gastronom immense Schwierigkeiten bereitete, lassen sie aus Toleranz unter den Tisch fallen. Ihr Verhalten soll Partnerschaft signalisieren.

Weiter geht`s auf der nächsten Seite.

DANN WIRD ES PLÖTZLICH ERNST
Von Februar bis Juni dauerte die Diskussion um die Immobilie, zwischenzeitlich begann das, was eine Marke ausmacht: Imagefindung und Visualisierung (CI und CD). Die Mischbar hatte das Glück, im Innenarchitekten Udo Kloos einen Ansprechpartner für alle optischen Markenkennzeichen zu finden. Der fand Layouter für die Bildmarke, der hatte die Ladenbauer, die ein franchisefreundliches Shopdesign umsetzen konnten. Und vor allem hatte er eines: offene Karten in Bezug auf Weiterberechnung von Fremdkosten und immer Zeit für eine gründliche Abstimmung mit Christoph und Betty. Jedes einzelne Detail musste abgestimmt werden: Die Farben des Logos, Appetit anregend und zugleich unverwechselbar; der Tresen, der zunächst homogen rund sein sollte, doch dann kantig-markant wurde. Vom Architekten und Ladendesigner kamen kluge Lösungen, wie eine Insel inmitten des Serviertresens, in dem die Spülmaschine verschwinden konnte. Mit nur ein paar Tagen Verspätung wurden die Ladenbauer fertig, dann wurde eröffnet. Bürgermeister und Pierre Geissensetter kamen, doch der Stress ließ nicht nach. 14 Stunden Arbeit pro Tag sind schon drin. Aber es gibt auch Erfreuliches: Die Nachbarn von Starbucks, Printeria und Glore Fashion supporten die Mischbar und setzen auf Kollegialität am Standort.

DAS ANGEBOT UND DER EINFLUSS DER KUNDEN
Jeder Tag ist Marktforschung und auf die Ergebnisse muss ein Unternehmer reagieren – nur Kundennähe und -achtung garantieren im Gegenzug Treue. Von Beginn an umfasste das Angebot der Mischbar nicht nur faire Preise für Leute, die täglich ihre Pause hier verbringen wollen. Für die Wintermonate sind auch Suppen geplant, die im To-Go-Programm sogar für warme Hände sorgen, und auch ansonsten nehmen Betty und Christoph jeden Kundenwunsch ernst. Seien es bestimmte Obst- oder Gemüsesalate, Brotsorten oder Saftkreationen. Auf jede Anregung wird eingegangen. Vielleicht gibt es in Koop mit Glore Fashion bald auch mal Mischbar- T-Shirts… für die Fans.

Weiter geht`s auf der nächsten Seite mit den „Adressen des Artikels“.

ADRESSEN DES ARTIKELS

Mischbar
Christophs und Bettys grandiose Idee finden Sie in Nürnberg am Hauptmarkt 2, das ist das Rückgebäude an der Pegnitzpromenade zwischen Fleischbrücke und Eiscafé Roma. Täglich zwischen 10 und 20 Uhr gibt es hier – frisch zubereitet – die Wegzehrung oder das Mittagsmahl für Gesundheitsbewusste ohne Ökofimmel. Im Internet unter www.mischbar.net.

Netzwerk Nordbayern
Unter den Schlagworten „Planung, Finanzierung, Ausbildung und Networking“ finden junge Gründer der Metropolregion hier wirklich alles, was für den professionellen Start von Nöten ist. Am 18.10. 2007 geht der Businessplan- Wettbewerb Nordbayern in seine zehnte Runde. Auch wenn es vor allem für an technologie oreintierte Gründer gedacht ist, fördert das Netzwerk gezielt alle ambiionierten Geschäftsideen durch Beratung und Sachverständigenleistung. Auch die Mischbar setzte bei ihrer ersten Gewinn-und-Verlust- Kalkulation auf die Hilfe dieser Profis. Im Wettbewerb ist nicht allein die Prämie für den Sieger interessant. Vor allem die Jury aus 15 erfahrenen Unternehmern und Kapitalgebern kann helfen, einen Plan auf seine Realisierbarkeit und Wertigkeit zu prüfen. Eine weitere wichtige Rolle spielen im Netzwerk so genannte Business Angels, die entweder selbst Kapital investieren können oder Kontakte zu potenten und fairen Investoren pflegen. Auf eigenen Events lernen junge Gründer Gleichgesinnte und Erfahrene kennen. Unabhängig von Politik und Medien wird so ein enges Kommunikationsnetz zwischen lokal ansässigen Großunternehmen und kleinen Startern geknüpft. www.netzwerk-nordbayern.de