Öfter mal was Neues. Das ist Cluesos (sprich: „Klüso“) ganz große Stärke: Was mit HipHop begann und mit Funk und Reggae weiterging, entwickelte sich auf seinem neuen Album „So sehr dabei“ zu mutigem Pop mit Message. PRINZ sprach mit dem 28-jährigen Erfurter über die Stilwechsel, seine Vorbilder und den Boulevard-Style der heutigen Musikszene.

PRINZ: Vom spaßigen Rap zur Popballade ist es ein großer Schritt. Wie kam es dazu?
Clueso: Das ist einfach passiert. Ich war nie der klassische HipHopper, eher der schmächtige Junge, der sich durch Rappen Respekt erkämpfen wollte. Wenn ich morgens aufgewacht bin, habe ich immer in erster Linie ans Singen gedacht, nicht ans Rappen. Für mich ist das also eine ganz normale, gesunde Entwicklung.

PRINZ: Wie bezeichnest du dich selbst?
Clueso: Ich nenne mich heute Songwriter. Ich erzähle Geschichten und versuche Songs zu machen, die in irgendeiner Form Bestand haben und eine gewisse Zeit überdauern. Aus dem HipHop, mit dem ich aufgewachsen bin, habe ich aber viel Positives mitgenommen. Es ist ja nicht so, dass der MC in mir tot ist.

PRINZ: Die Single „Keinen Zentimeter“ ist eine echte Schmetterlingsnummer – wieso klingt der Rest des Albums ganz anders?
Clueso: Eine Single ist für mich immer eine Art trojanisches Pferd für ein Album mit Message. Coldplay haben mal gesagt: „Man reißt sich ein Organ aus dem Körper und muss anhand dieses Organs den gesamten Körper erklären.“ „Keinen Zentimeter“ war der erste Song, den wir fertig hatten. Die anderen Titel sind alle erst viel später entstanden, deswegen ist ihre Ästhetik eine etwas andere.

PRINZ: Manche Fans werden vom neuen, ernsthaften Clueso vielleicht enttäuscht sein.
Clueso: Wenn man den Leuten nachrennt, rennen sie irgendwann weg, heißt es. Ich versuche in erster Linie, mich selbst zu begeistern und etwas Neues auszuprobieren. Manchmal bin ich mir auf halber Strecke dann aber selbst gar nicht mehr so sicher. Deswegen gibt es den Song „Barfuß“, den ich geschrieben habe, als ich anfing zu zweifeln. Mit ihm sage ich: Leute, das ist jetzt etwas komplett Neues.

PRINZ: Darin singst du davon, den Mut aufzubringen, auch mal seinen eigenen Weg einzuschlagen. Bist du denn Einzelgänger?
Clueso: Ja und nein. Ich glaube, ich bin der geselligste Einzelgänger und der zerbrechlichste Draufgänger, den ich kenne. Ich finde, man kann ruhig öfter mal den Entschluss fassen, einfach loszulaufen und nicht auf alles zu hören, was einem gesagt wird. Es war immer der Glaube an mich selbst, der mich so weit gebracht hat, aber auch der Glaube anderer Menschen an mich.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, welchen Einfluss Herbert Grönemeyers Tochter auf Cluesos Konzerttournee hatte und warum Deutschland dringend einen eigenen Jay-Z braucht.

PRINZ: Zum Beispiel der von Herbert Grönemeyer, mit dem du auf Tour warst.
Clueso: Ja, Wahnsinn! Cooler Typ, auf den würde ich nichts kommen lassen. Er hat sich mit mir auf eine sehr freundschaftliche, entgegenkommende Art die Bühne geteilt, mir ein Stück von seinem Lebensweg präsentiert und sein Publikum geliehen. Er ist einfach der größte Künstler, den wir haben.

PRINZ: Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Clueso: Ich habe zu der Zeit, bevor die Anfrage kam, viel Grönemeyer gehört und war auf der Suche nach neuen Vorbildern. Seine Tochter wiederum hat viel Clueso gehört – so lernte er meine Musik kennen. Klar gab es da die Überlegung, ob Grönemeyer-Fans auch meine Platten kaufen würden. Andererseits war es eine philosophische Frage: Ist ein so großes Publikum was für mich? Ist ein Stadion das Richtige? Das kann man nur erfahren, wenn man da oben steht.

PRINZ: Und, ist es was für dich?
Clueso: Nach dem dritten Tag wusste ich: ja! Mit Lichtshow und ordentlicher Lautstärke würde ich auch ein Stadion rocken. Man muss nur lernen, Fehler zu machen. Eine perfekte Show will dort keiner sehen.

PRINZ: Gar nicht so perfekt ist auch die Oberflächlichkeit mancher Musikerkollegen. Hast du es in „Niemals so sein wie du“ eigentlich auf einen bestimmten von ihnen abgesehen?
Clueso: Nicht konkret. Ich meine damit eher die HipHop-Szene im Allgemeinen, die sich gerade präsentiert wie die „Bild“-Zeitung: große Überschriften, aktuelle Themen, Provokationen. In den Charts geht’s doch immer nur um Gebalze und Party. Was da so manche Leute als Single rausbringen, fällt mir auf dem Klo ein. Das ist schade, denn es entwertet die Musik. Trotzdem gibt es noch Lichtgestalten in dem Genre. Nehmen wir Bushido oder Sido: Ob ich nun cool finde oder nicht, was die machen – sie bringen eine gewisse Faszination mit sich.

PRINZ: Das klingt aber nicht so überzeugt …
Clueso: Es fehlt Deutschland einfach an einem Eminem oder Jay Z: ein cleverer Typ, der geile Reime und schöne Vergleiche zum Leben macht, frech ist und Durchschlagskraft hat. Der wird aber noch kommen, da mach ich mir gar keine Sorgen. Wo Scheiße ist, wird gut gedüngt.

Interview: Léonie Roose