PRINZ: Wie oft sehr ihr euch, wenn ihr nicht gerade Musik macht?
Farin Urlaub: Kommt ganz darauf an. Zwischen Albumaufnahmen und den darauf folgenden Tourneen haben wir viel Kontakt, denn da gibt’s viel vorzubereiten. Nach einer Tour nicht, weil wir uns in alle Winde verstreuen und ich immer ohne Kommunikationsmittel verreise. Ich gehe zwar schon mal in ein Internetcafe, aber dass man mich erreichen kann, ist nicht. (Mit Blick auf Bela:) Aber nicht seinetwegen!
Bela B: Wir sehen uns jetzt ständig, demnächst werden wir lange in Tourbussen sitzen …
Farin: … und öfters auch mal übernachten …
Bela: … und wir werden auch zusammen essen und ins Kino gehen – und wenn man zusammen für eine längere Zeit alle diese Dinge tut, dann ist es nicht so, dass du es nach einer Tour total vermisst.
Farin: Früher aber haben wir es so richtig übertrieben. In den 80ern haben wir sogar knapp zwei Jahre zusammen gelebt – nach dem ganzen Tour-Wahnsinn sind wir also auch noch in dieselbe Wohnung zurückgekehrt. Das hat sich dann aber schnell erledigt.

PRINZ: Hattet ihr Streit?
Farin: Nee nee, ich habe mir nur einfach eine eigene Wohnung gesucht. In den 90ern haben wir dann noch mal den Versuch gestartet, eine ähnliche Intensität zu erreichen – und sind nach einer Tour zusammen verreist. Zwei Mal, dann haben wir gedacht: „Wenn wir so weitermachen, dann bringen wir uns irgendwann noch gegenseitig um!“
Bela: Vietnam war doch cool! Außer am Ende für dich …
Farin: Lebensmittelvergiftung.

PRINZ: Also wechseln sich heute bei euch Phasen intensiven Zusammenseins mit langen Beziehungspausen.
Bela: Genau. Aber dann bekomme ich von Farin eine Postkarte oder wir rufen uns mal an …
Farin: … wenn zum Beispiel Helden unserer Jugend auftreten: „Sag mal, gehste da hin?“ „Ja klar!“
Bela: So haben wir uns gerade verabredet, gemeinsam Tom Petty zu sehen.

PRINZ: Wir würdet ihr Eure Beziehung bezeichnen?
Farin: Als eheähnliches Verhältnis.
Bela: Brüder, würde ich sagen.
Farin: Ja, die kann man sich auch nicht aussuchen. In einer Band befreundet zu sein, das ist viel intensiver als jede andere Art von Freundschaft. Aber wir blenden auch gewisse Bereiche aus: Wir stellen uns zwar noch Fragen nach dem Privatleben, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Das war mal anders. Du musst aufpassen …
Bela: … dass du nicht so viel teilst. Wir teilen ja schon so wahnsinnig viel! Ein profanes Beispiel: Essensgeräusche. Jeder Mensch macht beim Essen Geräusche …
Farin: … und manche auch nach dem Essen!
Bela: Und überleg mal: Wie oft gehst du mit deinen besten Freunden essen? Zwei mal im Monat? Auf Tour aber essen wir drei Mal am Tag zusammen – Hardcore! Das ist schon sehr nah und familiär.
Farin: Wir haben auch familienartige Reflexe. Wir beide wollen ganz ähnliche Dinge für die Band. Und wenn wir uns mal streiten, sind das nicht menschliche Differenzen, sondern weil wir unterschiedliche Wege dahin für richtig und wichtig halten. Wenn jemand jedoch von außen kommt und uns in irgendeiner Form angreift, dann sind wir sofort die Familie: You Mess With Him, You Mess With Me!

PRINZ: Pflegt ihr eure Freundschaft?
Bela: Meinst du die Wertigkeit der Geschenke, die wir uns machen?

PRINZ: Nein, sondern dass ihr euch nach einer längeren Funkpause vornehmt, euch gegenseitig mal wieder anzurufen – nur deshalb, weil das unter guten Freunden eine schöne Pflicht ist.
Bela: Es gibt tatsächlich eine Sache, die ist eine Mischung aus Pflicht und Interesse – und zwar die Auseinandersetzung mit der Musik, die der andere neben Die Ärzte macht. Wenn er auf Tour geht, guck ich mir mindestens ein Konzert an. Und umgekehrt.
Farin: Ich war mal ein Jahr lang verreist und bin tatsächlich so zurückgekommen, dass ich vom Flughafen in Frankfurt direkt zu seinem Konzert gefahren bin. Aber eine Pflicht ist das nicht. Es ist viel mehr so, dass es in unserem Leben Dinge gibt, für die haben wir nur uns als Ansprechpartner – und keinen anderen Menschen auf der Welt.

PRINZ: Wie bei Geschwistern. Die verstehen auch oft wortlos, was man anderen umständlich erklären müsste.
Farin: Genau. Es ist schwierig zu erklären, wie sich das anfühlt, ihn jetzt schon so lange zu kennen. Ich bin jetzt 48, kenne Bela seit 32 Jahren und seit etwa 28 Jahren besser als jeden anderen Menschen. Und ich habe mehr Zeit mit ihm verbracht als wahrscheinlich mit jedem anderen. Unsere Ansichten von Freundschaft gehen aber völlig auseinander: Er kennt unheimlich viele Menschen, ich kenne unheimlich wenige Menschen. Ich treffe mich immer mit denselben Leuten, bei ihm sind es immer wieder andere. Eigentlich bin ich eine der wenigen Konstanten in seinem Leben. (lacht)

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PRINZ: Erinnert ihr euch, wann ihr euch zum ersten Mal getroffen habt?
Farin: 1980, Ballhaus Spandau. Dort haben wir uns das erste, zweite und dritte Mal getroffen.
Bela: Da war Disco und dienstags und mittwochs lief dort immer ein Block mit einer Stunde Punkrock. Der endete jedes Mal mit „In The Air Tonight“ von Phil Collins. Und bei dem Lied kamen wir ins Gespräch. Der Bassist von meiner Band Soilent Grün und ich fanden Jan total sympathisch, und schon beim ersten Treffen haben wir gefragt, ob er eine Gitarre hat. Ja, hatte er …
Farin: … und einen Verstärker – was nicht selbstverständlich war!

PRINZ: Hattet ihr jemals voneinander so richtig die Schnauze voll?
Bela: Damals schon! (lacht) Bei Soilent Grün hatten wir ein Interview mit einem Fanzine, dem „Hirtenbrief“, danach haben wir uns geprügelt, weil dem einen irgendwas nicht gepasst hat, was der andere gesagt hat. Und dann gab es vor der Tür ein Wortgefecht und ein paar Tritte. Das war ziemlich doof, weil ich danach bei ihm übernachtet habe. Nach dem Interview sind wir zusammen die elend lange Strecke nach Hause gefahren, stumm nebeneinander. Das war die einzige richtige Schlägerei.

PRINZ: Das war alles, in 32 Jahren?
Bela: Es gab noch eine lustige Schlägerei auf der Bühne, weil ich sauer war wegen ein paar Sachen, die er ins Publikum gerufen hat. Man muss dazu aber sagen, dass wir immer mit einer viehischen Lautstärke gespielt haben und ich manche Sachen auf der Bühne einfach nicht verstanden habe. Ich dachte, da werden Witze auf meine Kosten gemacht, und war sauer. Und er war sauer, weil ich mich der Bühnenshow verweigert habe. Als ich in der Pause dann einen Schluck Jack Daniels trinken wollte, hat er mir die Flasche aus der Hand geschlagen. Und als wir dann zur Zugabe wieder auf die Bühne gegangen sind, bin ich auf der Bühne einfach zu ihm rüber und habe vor Publikum seinen Tee ausgegossen. Seine Thermoskanne wollte ich dann doch nicht kaputt machen, er hatte nur eine auf Tour dabei – und ich hatte auch Angst, dass sie nicht gleich beim ersten Versuch kaputt geht. Er musste lachen und damit war die Sache geklärt.
Farin: Das war wie bei den Streitszenen zwischen Asterix und Obelix, mit Idefix in der Mitte. Andererseits sind wir auch Blutsbrüder.

PRINZ: Sagen sich Blutsbrüder die Wahrheit, selbst wenn sie unangenehm ist?
Bela: Klar. Farin hatte King Køng gegründet, und ich hatte ein Interview gesehen. Die hatten eine eigene Tournee-Sprache entwickelt …
Farin: … unseren eigenen Soziolekt …
Bela: … einen eigenen Code, den hat kein Mensch verstanden.
Farin: Und dann hat er mich angerufen und gesagt, dass wir total unsympathisch rüberkommen.
Bela: Das war aber ein freundschaftlicher Akt!

PRINZ: Wie hast du das aufgenommen?
Farin: Zuerst war ich schockiert. Nachdem ich das aber habe sacken lassen, konnte ich seinen Einwand einsehen.
Bela: Und ich muss ich mich heute noch entschuldigen für das Passiv-Rauchen, das ich Farin als Nichtraucher zugemutet habe. Wie hart das ist, kriege ich heute erst mit, wenn ich zwangsweise in Raucherkneipen gehen muss. Meine Herren!
Farin: Ich weiß noch, wie er mal mit einer Zigarre in meinen Backstage-Raum kam – in meinen Raum! Ich dachte, ich muss ausflippen.
Bela: Ich kann mich noch genau erinnern, ich trug Anzug, Hawaiihemd und Cowboyhut und hatte schon ganz vergessen, dass ich die Zigarre im Mund habe. Und ich bin in seinen Backstage-Raum rein, nur um etwas rauszuholen – du warst gar nicht drin – und plötzlich kommst er: „Sag mal, hast Du ’ne Macke?!?“.

PRINZ: Streitet ihr heute anders als früher?
Farin: Wann haben wir uns das letzte Mal richtig gestritten? Doch, einmal während der Aufnahmen von „auch“ war ich echt sauer: (zu Bela:) Da hast du dich im Ton vergriffen, aus meiner Sicht.
Bela: Und du dich auch. Aus meiner Sicht. (lacht). Total überzogen. Aber das haben wir direkt danach geklärt.
Farin: Die Phase des Beleidigt-Seins dauert nicht mehr eine Woche, sondern nur eine Minute.

PRINZ: Mit den Jahren kommt oft auch die Nachsicht. Nehmt ihr euch heute weniger ernst als früher?
Farin: Im Gegenteil, wir respektieren uns viel mehr! Dazu hat die Zeit, als wir unsere eigenen Bands Depp Jones und King Køng hatten, mit Sicherheit viel beigetragen. Wir haben gemerkt, da gibt es etwas zwischen uns, das ist so speziell, dass es auch nur in dieser Kombination von uns beiden funktioniert.
Bela: Ja. Das hat er mir 1993 auch in einem Brief geschrieben. Und danach haben wir Die Ärzte wieder ins Leben gerufen.

PRINZ: Das kann aber auch ganz schön ernüchternd sein, wenn man erkennt, dass man allein niemals so gut und besonders ist wie mit dem anderen.
Farin: Nee, das hat eher was mit der Frage zu tun: Warum bin ich Punker geworden? Jedenfalls nicht, weil mir die Frisur so gut stand – sondern weil ich mich nirgends dazu gehörig gefühlt habe. Und beim Punk haben sich alle zusammengefunden, die sich so ähnlich fühlten. (zu Bela:) Und dann treffe ich die Pocke hier, und ich muss nichts mehr erklären. Das ist total großartig. Bis heute.