Colors-Release-Tour: Max Mutzke im Interview

Max Mutzkes aktuelles Album „Colors“ bringt HipHop-Klassikern den Soul zurück und interpretiert sie neu. Die dazugehörige Tour führt Deutschlands wichtigsten Soul-Sänger auch nach Sachsen!

Max Mutzke kommt mit seinem neuen Album „Colors“ auf Tour und brennt ein leuchtend buntes Feuerwerk des Souls ab. Wir haben mit ihm vorab schonmal einen Schnack darüber gehalten, warum die Platte anders heißt, als ursprünglich geplant, wie gelegentliche Hubschrauber-Sessions vor Höhenflügen bewahren und was er von Copy&Paste im Studio hält.

Von Null auf Hundert

Deine Karriere startete vor 14 Jahren, als du einem Casting-Aufruf von Stefan Raab gefolgt bist – kannst du dich heute überhaupt noch daran erinnern, wie das war, so quasi von heute auf morgen diesen doch recht steilen Start ins Leben eines erfolgreichen Musikers hinzulegen?

Nein, überhaupt nicht. Ich weiß nicht, wovon du sprichst! (lacht) Na doch, natürlich. Wenn man Schüler ist und dann aus der Schule rausgeht, dann ändert sich ja sowieso das ganze Leben dramatisch, alles ist auf einmal fundamental anders. Man zieht zu Hause aus, lebt woanders, lernt oder studiert etwas. Und das war eben lustigerweise gerade genau die Zeit, ich habe da mein Abi gemacht, bzw. war da gerade dran. Und dann ging das ja los, das warf mich in eine Welt, in der ich eigentlich schon fünf Jahre zuvor mal kurz gewesen bin, aber auf einer ganz anderen Ebene, weil ich ja mein ganzes Leben schon Musik mache und tatsächlich nach dem Hauptschulabschluss erstmal einen Cut gemacht und mit der Schule aufgehört habe, für zwei Jahre. Ich hab in der Zeit nur Musik gemacht. Man kann ja auf Privatschulen Musik studieren, ohne dass man Abitur hat. Das habe ich zuerst ein Jahr lang in Freiburg gemacht und dann noch ein Jahr bei verschiedenen Privatlehrern und dann auch mit Musik mein Geld verdient, so gut es eben ging. Und das war wirklich extrem anstrengend und hat diesen ganzen Idealismus damit dann irgendwie auch weggenommen. Mit 18 hab ich dann gedacht, nee, ich hab eigentlich mit so jungen Jahren schon keinen Bock mehr, das zu machen. Das werd ich mein Leben lang niemals durchziehen können, wenn das so bleibt. Also bin ich wieder zur Schule gegangen, um mein Abitur zu machen. Und dann kam eben diese Show, bei der ich teilgenommen und die ich dann auch gewonnen habe. Um die Casting-Show ging es ja auch weniger, vor allem ging es um den Grand Prix damals und das hat meiner Bekanntheit in Deutschland so einen Schub gegeben, dass ich seitdem Musik als meinen festen Beruf ausüben kann.

 

War dir das damals schon klar, dass dieser Traum nun doch wahr wird?
Nee, ich hab eigentlich sogar gedacht: gut, wenn du Glück hast, dann geht das jetzt vielleicht noch zwei Jahre so weiter und dann wird das soweit abflachen, dass ich mich wieder nach Alternativen umschauen, was anderes machen muss. Deswegen wollte ich dann auch mein Abi in der Tasche haben, damit ich vorbereitet bin auf’s Leben, wenn der Fall eintritt. Und natürlich wurde das nach dem Grand Prix auch tatsächlich erstmal weniger, die Aufmerksamkeit, die Besucherzahlen, die Albenverkäufe, die Position in den Charts, Radio Aiplay, all das ging erstmal krass nach unten. Aber dann, plötzlich, seit acht Jahren, nachdem ich dieses Jazz-Album gemacht habe, baut sich das wahnsinnig schön auf und ich merke jedes Jahr auf’s Neue, dass es da so ein ganz gesundes, stetiges Wachstum gibt. Das ist sehr beruhigend, weil das inzwischen ein sehr starkes und festes Fundament hat.

„Was ist denn das für ein Idiot, ich will lieber Robbie-Williams-Klone!“

Hat es dir in dieser Zeit des Abflachens geholfen, dass du den harten Weg schon mal gegangen bist?

Auf jeden Fall. Ich hab mein Abi ja erst mit 23 gemacht, durch diese Pause mit der Musik. Ich war aber damals auch trotzdem noch sehr jung, auch, weil ich bis dahin nie aus dem Schwarzwald rausgekommen bin. Natürlich hatte ich schon eine ganz andere Erfahrung als andere in meinem Alter und auch die anderen, mit denen ich mein Abi gemacht habe, weil die zum einen natürlich wesentlich jünger waren, zum anderen ich aber auch mit 16 schon eine ganz andere Art der Selbstständigkeit hatte, mir mein ganzes Geld komplett selbst verdient habe und auf eigenen Beinen stand. Insofern hatte ich mit 23 zumindest ein ganz klares Bild davon, wo ich nicht mehr hinmöchte. Das hat mir dann schon sehr geholfen, das alles schon einmal durchgemacht zu haben. Diese Aufmerksamkeit beim Grand Prix ist natürlich auch absolut absurd und auch nicht wirklich realistisch. Man hat ja immer so Karrierespitzen und -tiefen und das ist etwas, das man sehr, sehr schnell lernt. Dass es immer mal ein Hoch gibt, das ist bei uns in der Regel so alle zwei Jahre, wenn ein neues Album rauskommt und wir auf Tour gehen und Interviews geben, Talkshows besuchen und Morgenmagazine und das Interesse der Medien einfach sehr groß ist. Da ist man dann wirklich wochenlang unterwegs und alles ist ganz toll und es gibt große Events und man rückt sehr ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Dann kommen wieder die großen Firmen und sagen hey, kannst du nicht auf unserer Weihnachtsfeier spielen, da merkst du dann gleich, dass dich alle wieder ganz anders wahrnehmen. Und dann darf man eben nicht denken: Ah, cool, ab hier geht es jetzt da oben immer weiter. Es ist einfach nur ein weiterer Berg, den man bestiegen hat und man kann die Aussicht genießen und das motiviert dann auch, den nächsten Gipfel dann auch noch zu besteigen, weil hier oben wird es dann doch irgendwann kalt und karg und die Vorräte gehen zu Ende. Und dann muss man eben wieder absteigen. Und das muss man dann auch ein Stück weit gerne machen, diesen Abstieg, auch wenn man vielleicht noch nicht weiß, wie lange man dann unten durchs Tal wandert und wie steil oder langsam es dann wieder bergauf geht. Aber man muss einfach den Blick auf den nächsten Gipfel halten und sich auf die nächste tolle Aussicht freuen. Und das war ein ganz krasser, aber auch wichtiger Lernprozess, dass man die Karriere immer nur als Momentaufnahme sehen sollte und das nicht absolut betrachten sollte als „das ist jetzt das Niveau, auf dem ich immer bin“. Es gibt Zeiten, da bist du unterwegs und kriegst von den Veranstaltern 5-Sterne-Hotels gebucht und wirst mit großen Autos abgeholt und manchmal kann es sein, dass du einen Privatflug bekommst, weil das logistisch vielleicht sonst nicht anders möglich ist und dann wirst du mit einem Privatflugzeug oder sogar einem Hubschrauber irgendwo hingeflogen. Und dann darfst du dir nicht denken, geil, ab sofort fliege ich nur noch Hubschrauber, denn dann hast du das plötzlich nicht mehr für ein paar Jahre. Aber eventuell passiert das dann mal wieder und dann ist es ein total cooles Gefühl, zurückzuschauen und zu wissen: Egal, was dazwischen war, jetzt bin ich wieder hier oder immernoch und verdiene damit mein Geld, spiele meine Konzerte.

Wie schätzt du solche Castingshows heute ein? Beruht so ein Sieg mehr auf Können, mehr auf Sympathie oder spielen noch ganz andere Faktoren eine Rolle, wenn man da erfolgreich sein möchte?

Eine ganz wichtige Rolle spielt natürlich, wie man sich präsentiert, was bei den Menschen ankommt. Und was man mir damals immer so als den Schlüssel zu meinem Erfolg angedichtet hat, war Authentizität. Zur Zeit meiner Teilnahme gab es solche Bands wie Overground und Blümchen, das war alles so unglaublich Plastik und Wannabe-Amerika, Take That und alles. Das war so gar nicht dem eigenen Hintergrund geschuldet, wo man herkommt, nämlich Deutschland, was ja ein sehr kerniges, bodenständiges Land ist. Und dann machen da ganz viele so auf Ami. Irgendwann haben die Leute davon einfach die Schnauze voll gehabt und dadurch, dass ich da gar nicht herkam, dass das gar nicht meine Musik war und ich auch einfach gar keine Ahnung hatte, wie man sich am besten darstellt, habe ich einfach nur das gemacht, was ich in dem Moment sollte, nämlich gesungen. Mit geschlossenen Augen meistens, weil ich mir unglaublich blöd vorkam, weil die ganzen Kameras auf mich gerichtet waren. Und die Leute fanden scheinbar einfach cool, dass ich nur ein ganz normaler Junge war, der tatsächlich auch singen konnte. Also ja, Authentizität ist wichtig und natürlich als Voraussetzung für alles, die Qualität. Wenn du keine Qualität bringst, dann merken die Menschen das sofort, da kannst du noch so sympathisch sein.

Stefan Raab vs. Wald-und-Wiesen-Manager

Das ist auch echt ein bisschen lustig, ich seh dich da tatsächlich noch stehen bei TV Total, obwohl das schon so viele Jahre her ist, hab ich da noch ein sehr klares Bild im Kopf, ohne, dass ich für’s Interview extra noch mal reingeschaut hätte. Und ja, da gab es tatsächlich auch diesen Moment damals von wegen, huch, wer ist er denn jetzt und was macht der da?

(lacht) Ja, das hatte aber auch tatsächlich gar kein Konzept und keinen Plan, das war einfach zufällig ein guter Zeitpunkt. Ein paar Jahre vorher hätte es gut sein können, dass die Leute gesagt hätten, boah, was is das denn für ein Idiot, ich will lieber Robbie-Williams-Klone. Es gehört auch einfach Glück dazu, das ist ein ganz wichtiger Faktor, den man gar nicht so sehr selbst beeinflussen kann. Man muss zur richtigen Zeit die richtigen Leute treffen, die an dich glauben und dich unterstützen wollen und sei es nur, weil sie denken, dass mit dir Kohle zu machen ist. Du brauchst Leute, die dir Türen öffnen, dich irgendwo reinbringen, mit dir arbeiten wollen. Und dann muss man aber auch bereit sein, Leuten zu vertrauen, Dinge auszuprobieren und aus seiner Komfortzone herauszugehen. Das sind sehr viele Faktoren, die man nicht immer beeinflussen und schon gar nicht abschätzen kann, wenn man am Anfang seiner Karriere steht und die ganze Dimension, die sowas annehmen kann noch außerhalb der eigenen Vorstellungskraft liegt.

Bei dir war diese Vertrauensperson, die dich gefördert und dir Türen geöffnet hat, in erster Linie Stefan Raab. Wie ist heute das Verhältnis zu deinem einstigen Mentor?

Ja klar, regelmäßig. Er hat ja gerade diese neue Show in der Kölner Lanxess Arena, bei der ersten Ausgabe davon bin ich auch aufgetreten. Also ja, wir haben schon Kontakt, der ist mal mehr, mal weniger, aber ich würde schon sagen, dass wir gut befreundet sind. Das war eine sehr enge und starke Zusammenarbeit in der Vergangenheit und wir haben uns einfach nie aus den Augen verloren. Vor allem ist er natürlich immer der erste, der sich auf die Schulter klopft, wenn er sagen kann, ey geil, der Max ist noch ein Jahr länger am Start. Er hat mir damals schon gesagt, dass er jemanden finden wollte, von dem er auch in zehn Jahren noch was hört. Also der ist total stolz. (lacht)

Inwieweit hatte er als Person denn Einfluss auf deine Karriere? Er ist ja schon so ein „Macher“, der vielleicht in seiner Anfangszeit auch von vielen noch belächelt wurde, es am Ende aber allen gezeigt und es offensichtlich drauf hat, aus Dingen oder Menschen Sachen rauszuholen, die man einfach so gar nicht auf dem Schirm hat.

Ja, voll. Er hat auch einfach diese krasse Infrastruktur, was da alles dran hängt allein ist Wahnsinn. Er hatte TV Total damals als Daily, die großen Special Shows, da gibt es eine Armada an Menschen, die da an den Produktionen sitzen und einfach auch Profis sind, in dem, was sie machen. Agentur, Marketing, Anwälte, was auch immer, das hat der alles da. Daher ist er natürlich gerade für den Start der Karriere und ihre Feinjustierung maßgeblich mitverantwortlich gewesen. Das war sehr durchdacht und wir haben nicht einfach irgendwas gemacht, weil es mal kurz gerade ein bisschen Geld gebracht hätte, sondern wir haben schon darauf geachtet, nur Auftritte zu machen, die für’s Image auch wirklich gut waren und Preise entgegengenommen, die wirklich gut sind und nicht einfach nur überall aufzutreten. Du kannst gern an einen sogenannten Wald-und-Wiesen-Manager geraten, der dich in jede Kaschemme schickt, weil man da mal eben 1.000 Euro am Abend verdienen kann und dir rät, jeden Artikel für jede Zeitung zu machen. Egal, wie privat das ist, so nach dem Motto, wenn du jetzt noch was von deinen ersten sexuellen Erfahrungen erzählst, dann kommt die BILD und hat Bock, mit dir ’ne Homestory zu machen und wenn deine Schwester Bock hat, noch ’n paar Oben-Ohne-Bilder zu machen, dann wär das schon auch cool. Und das haben wir natürlich alles gemacht! (lacht) Nicht.

Album und Tour

Du hast seit September mit „Colors“ ein neues Album am Start – was steckt hinter dem Namen, worum geht’s, was ist der rote Faden?
Das ist ein Album, was wir ein ganzes Jahr lang mit sehr viel Detailverliebtheit im Studio produziert haben. Die Idee dahinter war, Hip Hop Songs zurück zum Soul zu bringen, weil Hip Hop aus einer Zeit kommt, in der Soul und R&B Mainstream-Musik waren. Das war ganz interessant festzustellen, wie stark Hip Hop von Soul inspiriert ist, dass einfach oftmals so Fragmente aus klassischem Soul einfach genommen und geloopt wurden und man dann drauf gerappt hat. Das fanden wir wahnsinnig interessant, vor allem ich, weil ich mich mit Hip Hop bis dahin auch überhaupt nicht auskannte. Das ist, wie wenn du einen neuen Kühlschrank kaufst oder eine Waschmaschine, dann hast du auch erstmal gar keinen Plan davon und dann fängst du an, dich damit auseinander zu setzen und zu recherchieren, was so auf dem Markt ist. Und darüber wirst du selber auf dem Gebiet gewissermaßen zum Profi innerhalb von zwei Wochen und kannst auch einem Fachverkäufer sagen, dass er da gerade falsch liegt mit seiner Beratung. Und so ähnlich war das mit Hip Hop. Ich hab Leute in meinem Produktionsteam, die richtige Librarys sind, die sind wie Bibliotheken was das angeht oder Lexika, die wissen genau, wo das ganze Zeug herkommt und was da passiert ist. Und auch die sind mit mir in eine Welt eingetaucht, die wir unendlich seziert haben und wo wir uns bei der Produktion wahnsinnig viel Zeit gelassen haben, denn wir wollten aus diesen ganzen Hip-Hop-Tracks wieder Soul machen – aber auf unsere Art. Wir dachten dann aber, wenn man Soul-Songs macht, wenn wir das machen, dann sollen die bitte am Ende genau so geil klingen und so warm sein und so produziert sein, wie man es eben damals von Al Green, Stevie Wonder, James Brown, Marvin Gaye usw. kannte. Wir haben uns ein Jahr lang in ein Studio eingeschlossen, was absurd ist, denn es gibt keine Produktion mehr, von der wir gehört haben in den letzten 30 Jahren, die über so einen langen Zeitraum im Studio stattgefunden hat, zumindest in Deutschland. Wir hatten ein paar Musiker dabei aus Amerika und auch aus anderen Ländern, einer davon ist Rhani Krija, das ist der Percussionist von Sting seit 15 Jahren, der hat auch gesagt, so eine Produktion hat er noch nie gesehen.Wir haben einfach alles so produziert, wie man das damals gemacht hat, alles analog, Digitales nur ganz am Rande und marginal genutzt. Wir haben auf sowas wie eine Copy&Paste-Taste, die heute so selbstverständlich ist, komplett verzichtet. Wir haben, wenn wir einen Bläser- oder Streichersatz im Studio hatten, was ja an sich schon eine Rarität ist, weil das sonst meistens schon aus irgendwelchen elektronischen Librarys kommt, dann eben nicht das gemacht, was man normalerweise macht. Nämlich, dass die dir einen Refrain aufspielen und du diese Streichersätze da in den Song kopierst, wo du sie brauchst. Diese C&P-Funktion war bei uns verboten, wir wollten, dass jeder der Songs von A bis Z wirklich gespielt wird. Wenn du das mit Einzelinstrumenten machst, dann hörst du das nicht wirklich raus. Aber wenn du das von der ersten Sekunde bis zum letzten Meter des Rennens durchziehst, sowohl die alten Instrumente und Mikrofone benutzt als auch die Menschen so spielen lässt, und das alles analog machst, dann wächst daraus was ganz Eigenes. Zum Beispiel „Let’s stay together“ von Al Green, das ist so eine Nummer, die super alt ist, die aber heute noch auf der Tanzfläche funktioniert und sowohl junge Leute als auch ältere Semester finden den Song einfach nur geil. Keiner findet den scheiße. Und das liegt einfach daran, dass der so unglaublich bescheiden produziert ist, so sexy gesungen und insgesamt sehr reduziert ist. Und man merkt, dass der analog produziert ist, mit ganz viel Liebe zu diesen Streichern. Und genau das wollte ich, genau so ein Album wollte ich machen. Auch wenn das heißt, dass es mal länger dauert. Es hat extrem Spaß gemacht.

 

„Wenn Weiße sich so eine Kunst aneignen und damit Geld verdienen, dann ist das ein sensibles Thema.“

Hast du von einem der ursprünglichen Interpreten mal ein Feedback dazu bekommen?

Wir hoffen darauf, dass sich irgendwann mal Will Smith dazu äußert (lacht). Wir haben festgestellt, dass Hip Hop ein unglaublich sensibles Thema ist. Das ist ja eine Musik, die von Afroamerikanern ins Leben gerufen und geprägt wurde. Und da gibt es natürlich auf deren Seite auch einfach die Erkenntnis, hey, das kann nicht sein, dass wir dieses Land so krass geprägt haben, dass Blues, Jazz, Hip Hop, R&B alles von uns kommt, dass das mittlerweile auf der ganzen Welt gespielt wird und alle diese Kunst übernehmen, aber wir Schwarzen die sind, die am wenigsten Geld damit verdienen. Von Ausnahmen wie JayZ oder so mal abgesehen. Im Grunde haben sie aber einfach Recht. Das ein Volk, eine Ethnik, die so unterdrückt wurde und auch immer noch wird, die so eine unglaubliche Chancenungleichheit erleben muss. Die Texte sind aus einem so heftigen Drang entsprungen, woandershin zu wollen, das in die Welt hinauszuschreien. Und wenn Weiße sich so eine Kunst aneignen und damit Geld verdienen, dann ist das ein sehr sensibles Thema, gerade wenn die Schwarzen ansonsten eben weiter unterdrückt werden. Wir haben deshalb eng mit Julie Silvera, einer Afroamerikanerin und Musikprofessorin aus Florida, die in Hamburg lebt zusammengearbeitet. Mir ihr zusammen habe ich die Texte seziert, um herauszufinden: was sagen die da, warum sagen die das, woher kam das, was war damals die politische Meinung usw. Und dann haben wir gemerkt, wie hochpolitisch fast alles im Hip Hop ist und woher das kommt. Ich wollte mein Album unbedingt „Bunt“ nennen, aber auf englisch, also „Coloured“. Weil ich dachte, das ist doch geil, wo die Songs herkommen und wo sie hingegangen sind, das ist bunt! Der eine Song klingt nach Stevie Wonder, der nächste nach James Brown usw., das ist von Song zu Song sehr unterschiedlich und bietet ein großes Spektrum an Klängen und natürlich sollte das auch bedeuten, dass die Gesellschaft bunt ist und wir stehen total dafür, dass es auch in Deutschland immer bunter wird und auf der ganzen Welt. Wie sich das in manchen Ländern der Welt alles gerade entwickelt, sehen wir auch als total rückschrittlich an und wir sind glücklich, dass mindestens 50 Prozent der Menschen, mit denen wir die Bühne teilen, nicht aus Deutschland kommt, manche davon nicht mal deutsch sprechen. Aber das ist nichts, womit wir zurechtkommen müssen, das suchen wir uns bewusst selber so aus. Wir ziehen Energie und Kraft daraus, das ist unser Motor, unsere Inspiration. Und dafür sollte auch „Coloured“ stehen. Wir standen da alle hinter und fanden das total geil. Und dann kam jemand und meinte, das kannste nicht machen, da bekommst du richtig auf die Schnauze. Denn coloured bedeutet in Amerika natürlich farbig, schwarz oder eben Mischling. All das bist du nicht und wenn du die Musik von Schwarzen machst und das dann auch noch „Coloured“ nennst, das ist rassistisch. Und ich dachte, fuck. Da hab ich null drüber nachgedacht. Niemand, die Plattenfirma nicht, das Management nicht, niemand. Deswegen heißt die Platte jetzt „Colors“.

Ja, das ist halt das Ding, dass man über viele Dinge nicht nachdenkt, einfach weil sie einen nicht betreffen. Aber krass, dass am Ende so eines Prozesses dann diese Erkenntnis steht.

Das ist doch verrückt, oder? Das hat ganz arg viel gebracht. Die Detailverliebtheit bezieht sich nicht nur auf die Art der Produktion, auf Musiker, Instrumente und technische Hilfsmittel. Sie bezieht sich auch ganz klar auf die Erkenntnisse, wie sensibel ist Musik generell in Deutschland und wie wird das behandelt. Diese ganze Albumproduktion war für mich ein Meilenstein in meinem Leben.

Im Rahmen der Tour bist du auch in Dresden und Leipzig, hast du einen persönlichen Bezug zum Osten der Republik?

Natürlich, ich liebe beide Städte. Durch das viele Rumkommen lernt man über die Zeit irre viele Menschen kennen, hat Produktionen überall, besucht Sender vom MDR über so kleine Kulturradios in Weimar. In Dresden hab ich wahnsinnig geile Konzerte gespielt, in Leipzig unter anderem mit „Zärtlichkeiten mit Freunden“, ich weiß nicht, ob du die kennst.

„Der Klamottenstil ist anders, irgendwie rough!“

Selbstverständlich!
Awww. Ich liebe die zwei Jungs! Also ja, ich hatte sowohl in Dresden als auch in Leipzig wahnsinnig tolle Momente und Begegnungen und das war immer grandios. Generell die Städte im Osten. Ich bin ja auch gut befreundet mit Clueso, mit dem ich mich auch immer wieder mal treffe oder Songs zusammen schreibe, und dadurch bin ich immer wieder auch in Erfurt. Alles im Osten ist für mich wirklich immer wieder toll. Ich hab da so tolle Abende verbracht, ich sag das auch nicht nur so, ich mein das wirklich. Du wirst das vermutlich gar nicht so verstehen, aber für mich als Westdeutscher….

Ich bin Hannoveranerin und jetzt fast 12 Jahre in Dresden.

Ah cool! Da kennst du sicher dieses Gefühl, wie in den Filmen aus den Achtzigern, wo so diese Aufbruchsstimmung des Alt-Berlins so rüberkommt, oder so kurz nach dem Mauerfall. Leipzig hat noch so diesen Charme von diesen geilen Filmen, diese Aufbruchsstimmung. Aber auch grundsätzlich hat es diese spezielle Stimmung, man sagt ja auch „Hypezig“, weil das diesen Hype hat.

Den Begriff Hypezig hat tatsächlich mein geschätzter Kollege André Herrmann geprägt.

Ach Quatsch, echt? Das ist ja cool! Ich kenn das tatsächlich über die Jungs von Zärtlichkeiten mit Freunden, die haben das mal erzählt und ich dachte krass, ich versteh‘ das total! Diese kleinen Straßen und dieses ganze Leben, was da ist. Und der Klamottenstil, der anders aber irgendwie rough ist, das hat mich alles unglaublich geflasht. Ich habe wirklich nur gute Erfahrungen im Osten gemacht, gerade in Leipzig und Dresden und ich freu mich wahnsinnig, 2019 dort zu spielen!

TERMINE

Dresden 31.01.2019 Beatpol

Leipzig 03.02.2019 Täubchenthal

Schreibe einen Kommentar