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Mehr so der extreme Typ – Marteria im Interview

Eine ganze Weile hat es gedauert, bis Marteria mit „Rosswell“ wieder ein dickes Album rausgeballert hat – das Warten hat sich aber definitiv gelohnt!

Am 13. Dezember gibt’s das gute Stück live auf die Ohren, wenn der Ausnahmekünstler in der Messe Dresden aufspielt. Wir haben Marteria auf der Autobahn an die Strippe bekommen und von ihm allerhand spannende Dinge über den bewussten Umgang mit dem eigenen Leben, Backstage-Alkohol und den heißesten Shit in Sachen Horrorfilme in Erfahrung gebracht. 

Du bist ja in der Tat schon ganz schön rumgekommen. Was war bisher das Beeindruckendste für dich?

Das ist sehr, sehr schwierig zu beantworten. Ich tu mich immer schwer mit Vergleichen, aber dadurch, dass ich ja Mecklenburger und ein Wasserkind bin, bin ich schon eher für alles mit Wasser zu haben. Also Kanada und Alaska und so, das find ich total geil. Oder Island. Ich bin nicht so der am-Strand-rumliege-Typ bei 30 Grad.

Was fasziniert Dich daran, vom Wasser abgesehen?

Alles, die Natur vor allem. Etwas zu sehen, was so ein bisschen surreal ist. Neuseeland genauso. Wenn man da auf der Südinsel langfährt, denkt man wirklich, da kommt jede Sekunde so ein Tyrannosaurus Rex aus dem Wald gerannt. Ist bisher leider noch nicht passiert. In Island habe ich aber schon ein paar Elfen gesehen.

Du bist bekanntermaßen passionierter Angler. Was ist das Coole daran?

Der Ausgleich. Das bewusste Umgehen mit Leben und mit Ernährung; zu wissen, wo der Fisch herkommt, den man isst. Ein Angler ist ja auch ein Naturschützer. Das verstehen viele nicht, weil sie sich damit nicht befassen. Es ist schon geiler, wenn ich mir einen Fisch fange und mit meiner Familie aufesse, als wenn ich mir Lachs im Supermarkt kaufe. Und natürlich ist man in der Natur und hat immer eine schöne, andere Perspektive auf die Welt. 

War dieser Gedanke auch die Idee hinter Deinem Film „Antimarteria“?

Ja! Es ist unfassbar schwer, in der heutigen Zeit bewusst zu leben. Alles wird im Überfluss angeboten, man denkt nicht mehr drüber nach und verliert auch den Respekt vor Dingen. Da, wo ich jetzt wohne, wurde der Lieferservice komplett abgeschafft. Ich finde das total geil! Ich muss mir die Sachen immer vorher besorgen und mir ‘nen Kopf machen. Wenn ich dann in Berlin bin, bestelle ich was und freue mich plötzlich darüber wie ein kleines Kind! Ich finde es unfassbar gut, wenn man Dinge bewusst tut, das sollte wieder selbstverständlicher werden. Das muss man sich aber natürlich auch erlauben können und dadurch, dass ich Mucke mache, habe ich das Glück, dass ich genau so leben kann. Ich verstehe auch, dass das nicht jeder kann – mal einfach so zwei Wochen frei machen und die ganze Zeit nur angeln gehen oder surfen. Das ist mir schon klar und ich bin sehr dankbar für dieses Privileg. Aber es ist wichtig, dass man bewusst mit seinem Leben umgeht und mit den Dingen, die man konsumiert.

Du hast ja auch dem Alkohol komplett abgeschworen. Wie ist das mit der Abstinenz, wo man ja als Künstler in den Backstages mit Freigetränken buchstäblich überschüttet wird?

Ich hätte früher gedacht, dass das niemals funktionieren könnte. Es gehört ja auch irgendwie dazu bei künstlerischen Berufen. Saufen und Drogen sind einfach ein Teil davon. Ich hab mir nie vorstellen können, dass das mal ohne geht. Aber es geht prima. Ich weiß aber auch, was ich für ein Typ bin; nämlich ein extremer. Ich hab Alkohol nie als normal angesehen, so von wegen: „Ich trink mal ein Bier.“ Wenn, dann trinkt man halt sieben. Ich hab das nie als schön oder tollen Geschmack empfunden, sondern immer nur im Zusammenhang mit Feierei und Party. Dementsprechend weiß ich, dass das nicht gut für mich ist. Es geht, glaube ich, darum, sich selber gut kennenzulernen, zu wissen, was man für ein Mensch ist. Einen ganz großen Teil des Lebens weiß man das eben noch nicht so richtig, probiert sich aus. Inzwischen bin ich mir aber sehr klar drüber, was mich selbst betrifft und ich vermisse das tatsächlich gar nicht. Null. Das heißt nicht, dass ich das jetzt für immer so mache. Es ist eine Phase gerade, das Leben verändert sich andauernd.

Du hast mal in einem Interview gesagt, dass Du Dich selber gar nicht als so extrovertiert betrachtest und deswegen das Schauspiel auch nicht so Dein Ding geblieben ist. Muss man als Rapper nicht auch sehr extrovertiert sein?

Das ist tatsächlich was anderes. Das, was Musik ist, kommt direkt von mir. Das ist Marteria, das ist Marten, das bin ich, als Mensch. Das Schauspielern ist eine andere Persönlichkeit, eine andere Funktion und damit auch ein riesengroßer Unterschied. Das ist faszinierend und spannend, fällt mir aber deutlich schwerer als das, was mir am Herzen liegt, auf die Bühne zu tragen, mit den Menschen zu teilen und Konzerte zu spielen. Das ist meine Identität, mein Leben.

Zwischen Deinen letzten beiden Alben liegen ein paar Jahre. Wieso hast Du Dir so viel Zeit gelassen und wie zeigt sich das auch inhaltlich?

Ach, so lange ist das eigentlich gar nicht. Man sammelt die ganze Zeit Ideen. Ich bin auch gar nicht der Typ, der gerne alle drei Monate ein neues Album raushaut. Ich mag das, wenn ein Album, so wie jetzt auch „Roswell“, eine Farbe hat. Man probiert aus, man bedient sich, spielt mit Wörtern, Jingles, arbeitet eben daran. Man will auch etwas sagen. Ich find es langweilig, wenn am Ende immer alles gleich klingt und derselbe Scheiß ist. Jedes Album steht für sich und ist wichtig. Es zeigt eigentlich so die letzten zwei bis drei Jahre aus deinem Leben und ist damit natürlich auch sehr persönlich. Das ist bei der Platte jetzt auch so, neben dieser etwas außerirdisch angehauchten Welt – wie in „Aliens“ oder „Scotty beam mich hoch“ – gibt es auch sehr viele persönliche Lieder. So wie „Große Brüder“, der ein Song über die Kindheit ist, oder „Skyline mit zwei Türmen“ über meine Zeit in New York mit 17. Das ist ein besonders persönliches Lied, was ich in der Form noch nicht gemacht habe. 

Du bist sehr aktiv auf diversen Social-MediaKanälen, daher weiß ich, dass Du gestern „Jigsaw“ angeschaut hast. Lohnt sich der Gang ins Kino?

Ha, keine Ahnung, für eine Empfehlung müssten die mich bezahlen! (lacht) Ich bin gerade viel im Kino, ich hab so ein Ding mit meinem ehemaligen Tourmanager laufen, dass wir einfach ALLE Horrorfilme zusammen gucken. „ES“ haben wir auch gerade erst geschaut.

Wie fandest Du den, im Vergleich zum Original?

Total geil. Ich bin riesen „ES“-Fan. Und ich liebe Horrorfilme. Splatter ist jetzt nicht so mein Ding, ich finde, „SAW“ ist da genau die Grenze. Ich mag Psychofilme und ich liebe das Gefühl, Angst zu haben. Meine Frau kann das gar nicht und hat dann Alb-träume und kann nicht alleine sein und so. „Jigsaw“ ist nicht so ganz zum Angsthaben, „ES“ ist da schon cooler.

Was macht Dir in der Realität Angst?

In der Realität ist das natürlich weniger geil mit der Angst, aber das gehört auch dazu. Du kannst ja nur glücklich sein und das Gefühl kennen, keine Angst zu haben, wenn du eben auch mal Angst hast. Manch-mal denkt man ja drüber nach, wo man so in fünf Jahren vielleicht steht, das kann einem auch schon mal Angst einjagen. Oder eben die Angst vor Dingen, die jeder kennt und die oft auch einfach nur irrational ist. Die Angst darf nicht gewinnen, das ist glaube ich das Wichtigste. Eigentlich ist Angst voll gut, weil sie deine Sinne schärft und dich dran bleiben lässt, auch wenn du dir mal ein bisschen Gedanken machst.

Im Dezember spielst Du in Dresden – wie ist Deine Verbindung zu Elbflorenz?

Die ist sehr intensiv, tatsächlich habe ich die meisten Konzerte bisher in Dresden gespielt, früher vor allem im Fahrenheit und im Puschkin, vor zwei Jahren dann die unfassbare Show am Elbufer. Das war eines meiner schönsten Konzerte überhaupt bisher, auch wenn ich mir beim Gig fast die Achillessehne gerissen habe und die Hälfte der Show quasi einbeinig abreißen musste. Dresden ist eine sehr dankbare Stadt, sehr feierwütig. Ich freue mich total drauf und bin sehr dankbar, dass die Leute, die mir treu geblieben und seither noch dazu gekommen sind, auf das Konzert kommen und wissen, was sie daran haben.

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