STADTTEIL-SPECIAL HAFEN

Es ist ein wahrscheinlich klassisches Hafenschicksal. Die Menschen laufen ein, um auch in Bälde wieder auszulaufen. In diesem Fall zum Feierabend. Oder zur Sperrstunde. Anwohner sucht man meistens vergeblich. Wo auch sollten sie sich vor Ort mit Elementarem eindecken? Ein Bäcker auf der Hammerstraße, dort ein Kiosk, schon das Sonnenstudio wirkt befremdlich profan. Im Gegenzug wird gehobene Gastronomie geboten – elf Prozent der 586 hier angesiedelten Unternehmen mit 7 600 Arbeitsplätzen sind in dieser Branche tätig. Selbst die Currywurst wurde hier schon mit Blattgold dekoriert serviert. Die Kulisse ist gewaltig. Die Architekten Ingenhoven/Overdiek, Petzinka/Pink, Joe Coenen oder Zamp Kelp hinterließen bombastische Visitenkarten, Frank O. Gehry mit seinen drei Türmen gar ein neues Wahrzeichen für die Stadt. Erholung finden Menschen, denen diese Stapelung der Meisterwerke dann doch zu viel wird, nur noch im fliehenden Blick auf die betongrauen Silos der alten Futtermittelfabrik im Hintergrund oder durch die Fenster der längst abgerockten Harpune, ein leeres Grab aus Glas und Stein. Eine ausrangierte Zapfanlage auf dem Boden, ein Sofa und ein Elektroroller in der Ecke zeugen von vergangener Partylaune. Auch der Einzelhandel scheint auf dem Rückzug zu sein: Der Flagship-Store vom Vorzeige-Basic- Label „American Apparel“ hat längst dem Hafen den Rücken gekehrt, um sich am Rande der Altstadt anzusiedeln. In den Fenstern der Prachtbauten Schilder: „Attraktive Büroflächen zu vermieten“ oder „Loft- und Office-Flächen frei“. Dazwischen Sitzgelegenheiten ohne Ende, menschenleer an diesem milden Tag im Herbst. Die prototypische Chefsekretärin stöckelt einsam eilig über das von Schienen durchzogene teure Pflaster. Ein bolidenartiger Edel-Audi schleicht im Schritttempo heran. Der Club MK-2 wird von hinten gelüftet – klar Schiff für reibungslosen Wochenendbetrieb. Verlassen wirken an diesem Mittag auch die zahlreichen Edelrestaurants rund um die Kaistraße.

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Was haben sich die Stadtplaner gedacht? Zwar frequentieren zahlreiche Touristen diese Geisterstadt und laben sich an optischen und kulinarischen Reizen. Die Anfragen nach „Führungen“ können selbst mehrere Anbieter wie DMT, Kunstservice oder Geschichtswerkstatt kaum decken. Doch irgendwie herrscht Anämie im Hafen. Nach wie vor fehlt es an Menschen aus Fleisch und Blut, die hier leben. Und atmen. Das findet auch der Architekt Professor Fritschi, der mit der Rheinuferpromenade, Roncalli und Kit das Bindeglied zwischen Altstadt und Medienhafen schuf: „Grundsätzlich eine wunderbare Entwicklung. Dass dort so viele internationale Architekten vertreten sind, setzt neue Qualitätsmaßstäbe. Das wirkt sich auch auf die heimische Szene aus. Das Einzige, was noch fehlt, ist die Wohnbevölkerung. Das gibt Stabilität, Urbanität. So ist der Stadtteil nur stundenweise lebendig.“ Gabriela Maria Picariello, Inhaberin der Agentur „RheinLust“ und Veranstalterin des „Hafenfestes“, das 2006 letztmals stattfand, bekommt noch heute Anfragen: „Firmen erkundigen sich nach dem nächsten Hafenfest. Sie bedauern, dass es im Medienhafen so ruhig und trostlos geworden sei. Das liegt sicherlich auch am Monkey’s, das nicht mehr existiert.“ „Die Umwandlung von Teilen des Düsseldorfer Hafens in ein modernes Büro- und Wohnquartier ist ein wichtiges städteplanerisches Projekt, Düsseldorf europaweit zu positionieren und den Branchen für Werbung, Kunst und Medien ein attraktives Viertel zu schaffen“, heißt es auf dem städtischen Portal www.duesseldorf.de. Da fällt es auf, dass die Kunstszene diesen artifiziellen Rahmen trotz optisch optimaler Bedingungen zu meiden scheint. Außer Achenbach, Hans Mayer und Prof. Uecker finden sich keine Repräsentanten der Art City. Nur das Atelier „Mic Mac“ drängt sich an eine rückwärtige Häuserfront. Und, mal ehrlich, die „Flossis“ dürften eher mittelmäßigen Geschmack bedienen.

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Die Rede ist des Weiteren von der Planung „verdichteter städtischer Wohnstruktur“, „wohnverträglichem Gewerbe“, „Stadtvillen“. Ergänzend werden die Projekte als „hochwertige Luxuswohnungen“, z. B. in den geplanten Wohntürmen auf der Speditionstraße (siehe Modell S. 9), den „Königskindern“, avisiert. Die Attribute „Doorman- Service“, „exklusivstes Niveau“ und „gehoben“ werden großzügig verteilt. Prof. Markus Lüpertz, Direktor der Kunstakademie, entwarf schon einmal Dachskulpturen, es geht um nicht weniger als „Wohnen in einem Kunstwerk“. Und, nur so viel noch: „Im Hafenbecken soll eine Marina realisiert werden, so dass Mieter ihre Boote direkt vor der Tür anlegen könnten.“ „Der Hafen ist schwieriger Baugrund, durch die Hochwassergefährdung entstehen höhere Kosten und daraus resultierend ein höheres Preisniveau“, erklärt der für die Hafenkoordination zuständige Hans-Dieter Jansen das fast ausschließlich hochpreisige Angebot. Nachdem im Anschluss an den Bau von Landtag und Fernsehturm in den letzten 20 Jahren z. B. mit den Gehry-Bauten zugträchtige Markenzeichen gesetzt wurden, sind rund 200 Eigentums- und Mietwohnungen auf der Speditionstraße und 500 auf der Kesselstraße nach wie vor in Planung. „Es gibt“, so Jansen, „weitaus mehr Anfragen, als jemals Flächen zur Verfügung stehen. Insbesondere das bestimmt den Preis.“ Logisch, dass für hiesige Verhältnisse höchst fair gehandelte Mietwohnungen der Stadtwerke-Tochter „Rheinwohnungsbau“ in Europas angeblich größter Solarsiedlung am Rande der „Meile“ ruckzuck vergeben waren. Aber wie lange noch wird es wohl dauern, bis endlich die ersten solventen Anwohner mitten in den Medienhafen ziehen?

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Planungsdezernent Dr.Gregor Bonin: „Unterstellt man eine durchschnittliche Planungsund Bauphase von rund zwei Jahren, könnten Ende 2009 die ersten Wohnungen bezugsfertig sein. Die Nachfrage nach attraktivem Wohnraum ist in Düsseldorf anhaltend groß, daher rechne ich mit einer sehr zügigen Entwicklung.“ Dass diese Entwicklung so spät erst einsetzt, ist mit Sicherheit ein Politikum, denn die Interessen eines Gewerbehafens wollen erst einmal mit denen einer Wohnbevölkerung juristisch ausgehandelt sein. „Bitte wo“, so fragt indes ein Architekturtourist verloren zwischen den Gehry-Bauten, „ist hier der Medienhafen?“ Und steht schon mittendrin. Diese Realität fühlt sich im schlimmsten Falle eisig an. Wer als Passant ohne Ziel im gestalterisch anspruchsvollsten Teil der Stadt flaniert, kann sich sehr einsam fühlen. Zwar tragen die gigantischen Immobilien blumige Namen wie „Kleine Villa“, „Wolkenbügel“ und „Haus vor dem Wind“ oder „Grand Bateau“, doch die sind in der Regel nur mit Zugangscode begehbar. Nicht nur die Ogilvys bleiben unter sich. Zwischen 12.30 und 14 Uhr streben die Kreativen in die Pause. Offensichtlich zieht man individualistischere Gastronomiekonzepte den Filialen von „Subway“, „Schwan“ und „Woyton“ vor. In Menschentrauben wird vorm „Salumeria Mercatino“ oder der „Ess- Klasse“ salopp im Stehen gespeist. Drei Männer lehnen mit gelockerten Krawatten am Geländer zum Hafenbecken und starren ins Brackwasser, als wäre es ein Weltmeer. Ob sie sich fort wünschen? Kleine Schiffe liegen vor Anker, sie tragen altmodische Namen wie „Maria Franziska“ oder „Sunshine“. Ein Mann in Blaumann und Elbsegler schrubbt die Planken. Wie wehmütig sieht Immendorffs Hans-Albers-Statue über all das hinweg. Zu ihrer Linken mahnt ein flüchtig hingeworfenes Graffito: „Consumeless live more“. Man weiß es nicht. In jedem Falle anders. Und nicht hier.
Regina Matthes

Lesen Sie auf der nächsten Seite das Interview mit Uwe Scherer über die „Modemeile Hafen“.

MODEMEILE HAFEN
Der Einzelhandel ist auf dem Rückzug, dafür siedeln sich Modeagenturen und die Zentralen der Fashionlabels verstärkt im Hafen an. Uwe Scherer richtet sich gerade mit der Guess-Deutschlandzentrale in einem Loft auf der Speditionstraße ein.

Was macht Düsseldorf als Modestandort attraktiv?
Düsseldorf ist für mich die wahre Modestadt: Das liegt an der gewachsenen Tradition als Modemetropole, zudem ist die zentrale geografische Lage für Kunden aus ganz Deutschland attraktiv.
Boss, Sixty oder Guess – warum ziehen die Labels mit ihren Zentralen und Vertretungen in den Hafen, wo es rund um die Kaiserswerther Straße schon eine Modemeile in der Stadt gibt?
Der Hafen besticht durch seine reizvolle internationale Architektur, die zahlreichen Besucher und die lebendige Gastronomieszene. Kurzum: Hier herrscht eine junge, urbane Atmosphäre, die perfekt zu einem Fashion-Denim-Label wie Guess passt.
Was wünschen Sie sich für den Hafen? Ich würde mir wünschen, dass sich hier noch weitere trendige, wertige Labels niederlassen und die allgemeine Infrastruktur im Hafen weiter ausgebaut wird.
Die Mietpreise für Gewerbe und demnächst Wohnraum im Hafen bewegen sich auf Top-Niveau. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Das ist eine ganz normale Entwicklung für diese Art von Stadtteilen. Auch in Hamburg, London oder New York gibt es vergleichbare Standorte mit ähnlicher Preisentwicklung.
Würden Sie derzeit einen Guess-Laden im Hafen eröffnen?
Der Einzelhandel ist in der Innenstadt gut aufgehoben, der Hafen soll sich erst einmal in seiner Bestimmung weiterentwickeln.

Lesen Sie auf der nächsten Seite das Interview mit Kay Schlossmacher über die „Clubkultur im Hafen“.

CLUBKULTUR IM HAFEN
Mit der Harpune hat einer der innovativsten Clubs der Region im Hafen geschlossen. Wir wollen von Kay Schlossmacher, dem Harpune-Mastermind, wissen, warum.

Warum besteht die Harpune in der Speditionstraße nicht mehr?
Die Mieten im Hafen waren für einen kleinen Undergroundclub nicht mehr tragbar. Außerdem hat sich der Hafen durch die mangelnde öffentliche Verkehrsanbindung zum Stadtrand entwickelt. Durch den Wegfall von Monkey’s Island war die Harpune geografisch der „letzte“ Club in Düsseldorf.
Ist der Hafen eigentlich nicht prädestinert für die Clubszene – es gibt ja kaum Anwohner, die sich beschweren, und meistens ausreichend Parkplätze?
Der Bebauungsplan sieht ja einen Wohnkomplex sowie ein weiteres Hotel auf der Speditionstraße vor – insofern ist diese Ecke als Clubmeile langfristig eher ungeeignet. Ich bin aber weiterhin der Meinung, dass sich der Hafen als Gastromeile weiterhin etablieren könnte, wenn die Stadt den Hafen diesbezüglich mehr supporten würde z. B. durch bessere Anbindung und vor allem geeignete Marketingmaßnahmen.
Was fehlt dem Hafen?
Ich fände es schöner, wenn der Hafen vom Publikum her vielschichtiger würde. Ich vermisse hier Galerien, Ausstellungen und subkulturelle Veranstaltungen.
Was ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz im Hafen?
Ich liebe den unberührten Paradiesstrand.
Wie sieht die Zukunft im Hafen aus?
Ich glaube prinzipiell an den Standort. Der Hafen hat eine Menge Potenzial, was leider noch nicht umfassend genutzt wird.