Diese Frau ist viel beschäftigt. Sie zieht ganz allein einen zehnjährigen Sohn groß, baut gerade ein eigenes kleines Unternehmen auf – und hat sich erfolgreich auf die Suche nach ihrem vor ihrer Geburt verschwundenen Vater gemacht. Gefunden hat sie ihn samt Stiefmutter und sieben Halbgeschwistern in Ghana, und alle brennen darauf, einander kennen zu lernen. Wir treffen uns im „Portonovo“ in Harvestehude. „Ist es nicht romantisch hier?“, fragt Titilayo. „Dieser Blick über die Alster, das ist typisch Hamburg.“ Vor ein paar Monaten hat sie ihre Idee in die Tat umgesetzt, sich mit einer Art gehobenem Concierge-Service selbstständig zu machen. „Ich kann netzwerken, verkaufen – das ist meine Spezialität. Wenn jemand nach einem lila Pflaster mit grünen Blumen sucht, frag mich, ich weiß immer, wer so etwas hat.“

Mag sein, dass dieses Talent vom Vater stammt. Titilayo ist mit ihrer deutschen Mutter, ihrem nigerianischen Stiefvater und drei Halbgeschwistern in gutbürgerlichen Verhältnissen groß geworden. Über ihre ghanaischen Wurzeln wusste sie nicht viel, die Beziehung ihrer Eltern hatte nur wenige Monate gehalten, und sie hatte ja ihre neue Familie. Erst als ihr Stiefvater starb, flammte Titilayos Neugier auf ihre Herkunft wieder auf. Im August 2008 gab sie eine Suchanzeige auf einer ghanaischen Website auf. 48 Stunden später hatte sie die Telefonnummer ihres Vaters in Afrika. Sie war verwirrt: „Es kann doch nicht sein, dass ich mit einem Mausklick meinen Vater finde.“ Aber sie rief an. „Mein Herz hämmerte. Ich wusste, das ist er.“ Beim ersten Gespräch flossen Tränen, seitdem haben die beiden oft telefoniert und viele Parallelen entdeckt. Wird sie ihren Vater treffen? „Ja, dieses Jahr noch.“

Zuerst hatte alles sie überrollt: die Emotionen, die neue Riesenfamilie, die über ganze Welt verstreut ist. Sie fiel in eine Art Kaninchenstarre und brauchte fünf Wochen, bis sie sich wieder in Ghana melden konnte. Nun überwiegt die Aufregung, die Freude, alle so bald wie möglich zu sehen. Doch bis dahin gibt es noch viel zu tun. Titilayo möchte mehr über ihre Familie wissen, besonders über ihren Großvater, einen Ashanti-König mit 50 Frauen, wie sie von ihrem Cousin in London erfahren hat. Und neben der Afrika-Aufregung dürfen Geschäft und Sohn nicht zu kurz kommen. Als allein erziehende Mutter kennt sie den Kraftakt, Kind und Job gerecht zu werden. Sie hat erfahren, wie unflexibel und voller Vorurteile viele Arbeitgeber gegenüber Müttern sind. Jetzt ist sie selbstständig und will beweisen, dass es auch anders geht. „Wenn unser Unternehmen so weit ist zu wachsen, wollen wir gern viele Frauen einstellen. Bevorzugt Mütter.“

Petra Nickisch arbeitet als freie Autorin in Hamburg und verbreitet gerne gute Nachrichten. Mit Titilayo-Melanie Bornmann war sie Mittagessen im: Portonovo, Alsterufer 2, Harvestehude,Tel. 41 35 66 16, Mo-Sa 12-23, So 12-22.30 Uhr, HG 11-18 Euro, EC, NR, ristorante-portonovo.de