Wie Alf in der Sitcom-Welt: Danger Dan (Antilopen Gang) im Interview

Mit Danger Dan haben wir vor dem Leipzig-Stopp der Antilopen Gang über seine „verkackte Schullaufbahn”, die Parallele zwischen Alf und der Gang sowie alternde RAF-Terroristen geplaudert.

Mit Spaß-Tracks wie „Fick die Uni“ und „Pizza“ verbreiten die Rapper der Antilopen Gang Spaß und gute Laune. Dass sie aber auch ganz andere und sehr viel ernsthaftere Töne beherrschen, zeigt nicht nur ihr aktuelles Album „Anarchie und Alltag“, mit dem sie am 25. Januar 2018 auch in Leipzig Station machen. Mit Danger Dan haben wir vorab schon mal über seine „verkackte Schullaufbahn”, die Parallele zwischen Alf und der Gang sowie alternde RAF-Terroristen geplaudert. 

Ihr wart früher ja eher undergroundig unterwegs, inzwischen habt ihr mit dem Album Nummer-1-Status erreicht und geltet als einer der erfolgreichsten Rap-Acts des Landes. Was hat sich für euch dadurch geändert? Gibt es eine Art Dark Side des Erfolges?

Natürlich verändert sich da etwas. Die Antilopen Gang war ja mal eher als Hobby gedacht, inzwischen ist sie zu einer riesigen Maschine mit ganz vielen Terminen, Planung, E-Mail-Terror und Buchhaltung geworden. Das Tolle ist aber, dass wir uns jetzt den ganzen Tag auch mit den schönen Seiten des Bandlebens beschäftigen können und viel mehr Zeit für Freiheiten haben. Früher mussten wir bei unserer Planung noch überlegen: Wer hat Semesterferien, wer hat noch 30 Euro für ein Wochenendticket, sodass wir uns irgendwo treffen können; und dann hatten wir immer nur sehr kleine Zeit-Slots von zwei oder drei Tagen, wo wir versucht haben, so viel hinzukriegen, wie es eben ging. Jetzt haben wir rund um die Uhr die Möglichkeit, uns mit der Musik und der Antilopen Gang zu beschäftigen. Das ist ganz geil.

Woher kommt denn der Erfolg jetzt eigentlich? Ihr seid ja direkt auf der 1 eingestiegen, habt aber nie so sehr viel dafür getan, gemocht zu werden …

So richtig erklären kann ich mir das auch nicht. Es ist tatsächlich absurd, dass ein Album mit dem Titel „Atombombe auf Deutschland“ in Deutschland auf Platz 1 der Charts landet. Für mich ist das auch ein ganz großes Fragezeichen, wie das passieren konnte. Wir müssen uns auf jeden Fall nicht vorwerfen, dass wir zu Mainstream auf das Publikum zugegangen sind, mit unserer Musik oder unserer Haltung. Tatsächlich ist der Mainstream eher auf uns zugegangen, aber ich bin eigentlich froh darüber, dass das Album so gut gechartet ist. Und endlich sind auch meine Eltern mal stolz auf mich (lacht).

Waren sie das vorher nicht, im Sinne deiner Berufswahl?

Doch, schon. Aber das ist natürlich noch was anderes, wenn die sich total darüber freuen. Ich bin ja schon seit Jahren Berufsmusiker und hab auch vor der Antilopen Gang Klavier gespielt in Theatern und Bands, und da haben meine Eltern dann schon immer gesagt: „Willst du nicht doch noch einen richtigen Beruf lernen, irgendwann ist das ja auch alles mal vorbei!“ und im Moment schlagen sie mir das nicht vor. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, wo ich von selbst darüber nachdenke, ob ich nicht noch mal was anderes machen muss oder möchte. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass so ein Band-Projekt die nächsten 50 Jahre funktionieren wird und mit dieser Realität gehen wir alle ganz gut um. 

Hast du denn tatsächlich mal einen anderen Beruf als Musiker gelernt?

Ich hab ganz viel angefangen, verschiedene Jobs, eine Ausbildung und auch ein Studium versucht, und bin eigentlich immer gescheitert – das geht schon los mit den vielen Versuchen, eine Schule abzuschließen. Das einzige, was immer funktioniert hat, war die Musik. Aber wenn ich heute irgendwo eine Bewerbung abgeben müsste … dann bin ich einfach nur ein Schulabbrecher, der viel Glück gehabt hat. Im Studium ging es eigentlich ja auch nur darum, irgendwelche Credits zu sammeln, viel mehr ist da nicht passiert. Es wäre viel spannender, Bildung so zu gestalten, dass da am Ende selbstständig denkende, schlaue und kreative Menschen rauskommen, denen man währenddessen die Möglichkeit gegeben hat, sich zu entfalten.

Ja, das Schulsystem war schon damals nicht immer ideal … Mir wurde attestiert, ich hätte ein großes Problem damit, vor Leuten zu sprechen, nur weil ich mich quasi nie mündlich am Unterricht beteiligt habe. Heute bin ich Poetry Slammerin und damit auch ganz gut erfolgreich.

(lacht) Ich hatte auch ganz schlechte Noten in Musik. Und in Deutsch. Obwohl ich heute mein Geld damit verdiene, dass ich Musik mache und Texte schreibe. Das Selbstvertrauen, das ich mir dazu aneignen musste, hab ich nicht aus meiner verkackten Schullaufbahn mitgenommen, sondern musste mir das anderswo holen. Das ist aber auch nur meine Bildungsbiographie, wir haben in der Band auch einen, der sein Soziologiestudium in der Regelstudienzeit abgeschlossen hat (lacht). Aber der ist trotzdem mindestens genau so kompetent in dem, was er tut. Ich wäre aber manchmal gern talentierter darin, Dinge systematisch und mit mehr Ausdauer zu lernen.

Wie hast du es eigentlich geschafft, zu studieren, wenn du die Schule gar nicht zu Ende gemacht hast?

Ich hab meine Hochschulzugangsberechtigung gefälscht und bin in die Niederlande an die Uni gegangen  – und hätte dafür dann auch eigentlich einen Niederländisch-Sprachkurs machen müssen, um dort studieren zu können. Stattdessen hab ich einfach so ein bisschen zugehört und imitiert, wie die anderen da so sprechen und hab mir das dann einigermaßen erfolgreich in ein paar Wochen drauf gezogen. Schreiben war dann aber doch noch mal eine andere Nummer, da hab ich dann gemerkt, dass mir da schon so ein bisschen die Konstanz und Selbstdisziplin fehlen – und das war halt auch schon in der Schule so. Mir hat dann eine Band angeboten, mit ihnen erst auf Frankreich- und dann auf Europa-Tour zu gehen und dann war ich plötzlich im Tourbus und hatte eine super Ausrede, nicht mehr an die Uni gehen zu müssen. Ich glaube aber, dass ich das Studium nicht hätte beenden können, ohne mir das, was mir in der Schule schon gefehlt hat, nochmal neu draufzuziehen: Sich über Monate und Jahre immer wieder auf den Arsch zu setzen und das durchzuziehen; Sachen lernen, die mich eigentlich gar nicht interessieren, die am Ende aber ein Fachwissen ausmachen.

Aber kreative Wege zu finden, um zum Ziel zu kommen, ist ja auch ein Skill, den man in der Schule leider gar nicht lernt. Sowas muss man sich natürlich aber auch erstmal trauen.

Das Studium, was ich da angefangen habe, war Musiktherapie. Ich denke auch heute noch manchmal, dass die Leute, mit denen ich da in der Uni saß, aus ei-ner Lebenswelt kommen, die es mir schwer machen würde, sie ernstzunehmen, wenn sie mir als Therapeuten gegenüber sitzen würden. Ich hab halt meine Erfahrungen gemacht mit verschiedenen Jugendkulturen und Kleinkriminalität und dann später auch in Jugendhilfeprojekten gearbeitet. Da hab ich Skills mitgebracht, die ich an keiner Uni hätte lernen können und hab einen Zugang zu den Kids gefunden, den ich sonst vielleicht nie gefunden hätte. Trotzdem ist vermutlich eine Kombination aus beidem das Beste.

Noch mal ein Blick aufs Album: Ihr habt euch darauf thematisch verschiedenen „Randgruppen“ gewidmet, da werft ihr Schlaglichter auf die Lebenswege von Rechtspopulisten und RAF-Rentnern – was ist für euch das Spannende dabei?

Die RAF ist ja gerade präsenter denn je. In den letzten Jahren gab es einige Banküberfälle von ehemaligen, mittlerweile alten RAF-Mitgliedern und jetzt vor einer Weile dann auch mal erste Fahndungserfolge, wonach sich die am Mittelmeer aufhalten sollen. Ich fand die Idee total cool, sich zu überlegen, dass man so als dritte Generation einer Terrororganisation dann einfach abtauchen musste, weil die RAF sich aufgelöst hatte – und nun den Rest ihres Lebens versteckt verbringen muss. Wir alle, vor allem Kolja, haben so eine Art RAF-Fetisch entwickelt, und auf dem Album auch den Sprech so ein bisschen übernommen, was man z.B. im „Trojanischen Pferd“ merkt. Uns ist dann selber irgendwann aufgefallen, wie wir uns quasi heimlich RAF-Stilmitteln bedienen und dann lag das irgendwie auf der Hand, so ein Lied zu schreiben und diese Biographien weiter zu denken. 

„Alf“ habt ihr in dem Zusammenhang auch mit verarbeitet, inwiefern kann er in Lebenskrisen helfen?

Ein befreundeter Wissenschaftler hatte mal so eine Art Aha-Erlebnis, als er einen Track gehört hat, in dem wir Alf versampelt haben. Besagter Wissenschaftler hat da dann plötzlich eine große Parallele zwischen Alf und der Antilopen Gang gesehen. Weil der eigentlich ein unglaublich lustiger Typ ist, der immer einen guten Spruch drauf hat, auf der anderen Seite aber ganz viel Tiefe mit sich bringt und diese Fremdheitserfahrung, einfach so hineingeworfen zu werden, in eine sitcomhafte Welt. Das ist auch ein Gefühl, das ich immer wieder mal selbst verspüre, wo ich denke: In welcher Welt bin ich denn hier gelandet? Alf bietet einen Umgang damit an und eine Identifikationsfläche. 

Mach doch für uns mal so eine kleine gesellschaftliche Bestandsaufnahme seit dem Album. Ist eine Atombombe auf Deutschland noch nötig und wird der Baggersee wirklich kommen?

Naja, sowas wie die Wahlerfolge der AfD, das war jetzt keine große Überraschung. Aber jetzt kann man endlich mal auch statistisch erfassen, wie viele Arschlöcher es in Deutschland gibt. Der Baggersee ist auf jeden Fall die einzige realpolitische Lösung, die ich gerade habe. Es geht da ja auch nicht um einen destruktiven Akt, sondern darum, etwas Schönes zu erschaffen, eine tolle Welt mit Möglichkeiten, Enten zu füttern, am Strand zu chillen mit seinen Freunden … Und man könnte von Frankreich aus den Sonnenaufgang anschauen und den -untergang von Polen aus und dieses Problem Deutschland hätte sich dann einfach gegessen.

Die ECHO-Verleihung habt ihr geschwänzt, weil ihr angeblich „Alarm für Cobra 11“ schauen wolltet – warum seid ihr wirklich nicht hingegangen?

Weil wir das gucken wollten (lacht)! Naja, der ECHO wird Bands verliehen, die hohe Verkaufszahlen haben, ist also ein Preis der Musikindustrie, die sich damit selbst feiert. Da wird Musik nach etwas bewertet, was für die Qualität der Musik keine Aussage haben muss. Da gucken wir dann lieber Cobra 11 an. Wir machen schon echt viel Scheiße mit, denn sich immer nur in der eigenen Komfortzone aufzuhalten, ist ja auch langweilig. Aber das war so ein Moment, wo wir gesagt haben: Nö, das müssen wir dann nicht haben. 

Am 25. Januar spielt ihr im Werk 2. Verbindet ihr etwas mit Leipzig?

Leipzig ist tatsächlich die heimliche Antilopen-Gang-Hauptstadt. Wir kommen immer wieder nach Leipzig, immer wieder kommen richtig viele Leute und immer wieder versumpfen wir danach – ich persönlich am liebsten in der Gießer. Wir drehen auch immer wieder unsere Videos in Leipzig, mit unserem Freund Arvid Wünsch, dem wir da sehr vertrauen. So haben wir auch den Clip zum Trojanischen Pferd in der Nähe von Leipzig gedreht, mit Leipziger Freunden. Wir selbst sind richtige westdeutsche Ottos, sind aber inzwischen sehr dicke mit dem Osten und viel und gern dort unterwegs. 

ANTILOPEN GANG – Anarchie und Alltag Tour

25.01.2018, 20 Uhr Werk 2

Support: Veedel Kaztro

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