Hier könnte man Hip-Hop-Videos drehen, Kriminalfilme produzieren oder eben auch Technopartys der Extraklasse steigen lassen: Die 120 Jahre alten Wagenhallen am Nordbahnhof müssen sich als kultige Location nicht vor Großstädten wie London oder Berlin verstecken.

Vielen ist das Gelände mit seinen mit wilder Natur bewucherten, rostigen Stahlfabrikgebäuden und ausrangierten, mit Graffiti verzierten Güterzügen aber noch kein Begriff – genau das soll sich demnächst ändern, wenn es nach den Betreibern Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod geht. Die beiden jungen motivierten Macher sind offiziell noch Mieter bis zum Jahr 2015. Beide planen aber die Wagenhallen noch viel länger zu betreiben. „Hier gibt es noch viel ungenutztes Potential“, sagt Thorsten Gutbrod.
Um dies zu ändern, wollen die Betreiber die größte Wagenhalle, die bisher ungenutzt blieb, in Zukunft ebenfalls mit Partygästen füllen. Doch die Nutzungsanfrage im vergangenen Jahr an die Stadt Stuttgart als Eigentümer blieb nicht folgenlos: „Wir haben Bedenken, was die Einsturzgefahr der größten Halle anbelangt. Die Stabilität der Decke und der Wände muss überprüft werden“, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart. Dies macht derzeit Axel Wolf, kommissarischer Leiter der Abteilung Immobilienmanagement beim Liegenschaftsamt der Stadt Stuttgart. Seinen Bericht wird er demnächst im Stuttgarter Gemeinderat vorstellen. „Die Nutzung der übrigen Räume ist aus unserer Sicht aber kein Problem“, gibt Sven Matis grünes Licht für den aktuellen Weiterbetrieb der Wagenhallen – zumindest bis zum Ende des aktuellen Mietvertrags zum Jahr 2015. Darüber hinaus muss neu verhandelt werden. Um die Wagenhallen langfristig zu retten, haben die Betreiber Sanierungspläne.

Der Betreiber und studierte Volkswirt Thorsten Gutbrod verrät diese: „Wir wollen Mitte 2014 mit der umfassenden Sanierung der gesamten Wagenhallen beginnen, um diese fit zu machen und für die nächsten 30 Jahre zu erhalten. Sanierung des Daches und der Trägerkonstruktion, eine neue Heizung und neue Sprinkleranlagen sind nur einige der dafür nötigen Dinge. Das könnte einige Millionen Euro kosten. Die Stadt würde sich finanziell beteiligen und das Dach sanieren, sodass wir dafür eine gute Energieklasse erhalten. So lassen sich auch wichtige Energiekosten sparen. In der großen Halle sollen mittels Container neue Atelierflächen entstehen. Wir hoffen, dass der Gemeinderat diesen Plänen zustimmt.“ Gutbrod betont, dass in den vergangenen zehn Jahren seines Engagements rund 100 Arbeitsplätze im Kulturbereich entstanden seien. Zum Anfang seiner Mieterzeit sollten die Wagenhallen noch abgerissen werden. „Jetzt haben wir international erfolgreiche Kulturstätten geschaffen“, betont Gutbrod stolz.

In Zukunft soll es noch mehr Partys, Konzerte und Ausstellungen geben. Zurzeit werden die Wagenhallen als kreative Spielwiese schon sehr vielfältig genutzt: Am 9. August findet eine Lesung von King Rocko Schamoni statt. Am 29. September macht DSDS-Star Danile Negroni im Rahmen seiner Tournee hier halt. Künstler sind eine der Nutzergruppen. In 17 ehemaligen Eisenbahnwaggons arbeiten bereits seit 1999 rund 80 Künstler – Maler, Filmemacher und Skulpturschaffende. Es ist ein Ort der künstlerischen Begegnung geworden, ein Ort für Experiment und Forschung, der sich in ständigem Wandel befindet. Regelmäßig finden auch kulinarische Veranstaltungen statt. Das „Menu im kleinen Raum“ gibt es wieder am 2. August. Insgesamt 26 Gäste genießen im urigen Ambiente der Wagenhallen mit ihrem Industriegebäuden-Charme ein fünf-Gänge-Menu der Extraklasse.
Zudem vermieten die Betreiber die Wagenhallen an Bürger für Hochzeiten, Geburtstagsfeiern und Firmenfeiern. Eine kleine Kneipe bringt zusätzliche Einnahmen. Kommunale Förderungen gibt es nicht, Mellmann und Gutbrod müssen die Miet- und Personalkosten auf eigene Faust in die schwarzen Gewinnzahlen führen. Genau deshalb versuchen sie die Kulturstätte in Zukunft noch umfassender zu nutzen. Dies kann nur gelingen, falls für die sicherheitsrelevante Sanierung keine allzu großen Kosten anfallen…