Autofreiheit, Begrünung & neue Shopping-Konzepte: Wie kann sich die klassische Innenstadt neu erfinden? 

Mit dem Fahrrad in der Innenstadt unterwegs zu sein, funktioniert ohne Autos noch besser. 

Optiker, Fast-Food-Ketten, Billigläden – die Innenstädte Deutschlands haben sich verändert. Immer mehr renommierte Händler schließen ihre Filialen, weil sie dem Druck der digitalen Konkurrenz nicht mehr standhalten. Kommen hohe Mieten und Unterhaltungskosten hinzu, sind Kaufhaus und Boutique, wie wir sie kennen, nicht mehr rentabel. 

Das Sterben der Innenstädte muss aufgehalten werden. Davon sind die meisten Politiker überzeugt und so gibt es viele Pläne für eine Art Wiedergeburt. Viele deutsche Großstädte haben hierfür schon konkrete Pläne vorgelegt – darunter z.B. Hannover, auf dessen Konzept später noch näher eingegangen wird.

Nutzungsvielfalt erweitern und die Attraktivität stärken 

Um heute als Händler die Entscheidung für den Shop in der Innenstadt zu treffen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Große Marken, wie zum Beispiel Adidas, setzen primär auf Flagship-Stores und haben sich mit dem Verkauf ihrer Waren im Netz arrangiert. 

Erlebnisorientiertes Shoppen in den Städten, aber digitaler Verkauf von Adidas auf boozt.com, bei Zalando und anderen namhaften Online-Shops ist die Devise. Ein Konzept, das vielversprechend klingt und den heutigen Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenkommt. Der Offline-Handel ist nicht out, er muss nur völlig neu gedacht werden. Die größten Störfaktoren aus Konsumentensicht sind: 

  • Hohe Preise im Vergleich mit dem Internet 
  • Mangelnde Verfügbarkeit von Waren 
  • Schlechte oder fehlende Beratung als Alleinstellungsmerkmal 
  • Lange Wartezeiten auf Nachlieferungen oder an Kassen 

Gelingt es Händlern nicht, ihr Konzept auf den effizienten und modernen Kunden anzupassen, wird es problematisch. Kleine Ladeninhaber sind stärker davon betroffen als große, denn für Marken wie Nike, Adidas und Co. geht der Verkauf im Netz weiter, wenn der Store in der City schließt.

Die Innenstadt muss wieder attraktiv werden und bleiben, damit der Einzelhändler weiterhin einen attraktiven Standort vorfindet. Welche Maßnahmen dafür nötig sind, zeigt sich an großen Städten wie Frankfurt am Main, Hannover und weiteren, die bereits aktiv planen und umsetzen. 

Autofreie Citys zur Steigerung der Attraktivität 

In Hannover steht das Konzept: Die Straßen der Innenstadt sollen autofrei werden. Im ersten Schritt werden hierfür die Parkplätze aufgelöst und die Angebote für Autofahrer reduziert. Ein Mobilitätskonzept ermöglicht es Autofahrern, ihr Fahrzeug direkt in einem der Parkhäuser mit rund 10.000 Parkplätzen abzustellen. Laut Oberbürgermeister der Stadt Hannover ist die Auslastung der Parkhäuser bislang gering, rund 50 % der verfügbaren Stellplätze sind belegt. 

Das Konzept sieht weiterhin vor, dass ein Großteil der Innenstadtstraßen für privaten und gewerblichen Autoverkehr gesperrt werden. In den Bereichen Aegidientorplatz, Georgsplatz und Kröpcke sollen künftig nur noch Fahrräder und Busse fahren. 

Die am Bahnhof befindlichen Straßentunnel werden gesperrt, rund um das Alte Rathaus wird der Verkehr auf Fahrräder beschränkt. Dabei denkt die Rathausspitze nicht nur an die Steigerung der Attraktivität für Verbraucher, sondern auch für Gastronomen. Mehr Freiflächen stehen für mehr Möglichkeiten und neue Locations zum Essen & Trinken

Der Stadt ist wichtig, dass die Innenstadt ein attraktiver Ort für Menschen bleibt. Um das zu ermöglichen, werden Straßen bis 2030 barrierefrei umgerüstet, zudem wird es deutlich mehr Parkplätze für Menschen mit Einschränkung geben. Für diese bleibt die Nutzung des Autos möglich, gleichzeitig dürfen auch Lieferfahrzeuge die Straßen nutzen. Durch eine optimale Taktung der Stadtbahnen und Busse bleibt die Innenstadt großzügig erreichbar, Taxis sind von den Verboten zudem ausgenommen. 

Gegen den Klimawandel: Hannover begrünt Dächer und City

Hitze ist eine Folge des Klimawandels und erschwert den Aufenthalt in der City. Das Abendessen im Restaurant wird zur Herausforderung, wenn im Außenbereich die Temperaturen auf über 30 Grad klettern. Vor allem dort, wo die Menschen dicht gedrängt aneinander leben und agieren, braucht es Abhilfe. 

Die Anzahl der Spiel- und Grünflächen ist in den meisten deutschen Städten in den letzten Jahren zurückgegangen. Am Beispiel von Hannover zeigt sich, dass es hier Handlungsbedarf, aber auch Möglichkeiten gibt. 

Die Innenstadt Hannovers besteht zu mehr als 80 % aus Bauten, die zwischen den 50er – 70er-Jahren geschaffen wurden. Flachdächer sind an der Tagesordnung und diese werden im Sommer zum Problem. Es wird heiß, bei sommerlichen Starkregen gibt es kaum einen Schutz und die Kanalisation gerät in Bedrängnis. Mit sogenannten „Roofwalks“ will Hannover neue Inspirationen schaffen und gleichzeitig zum Wohl der Bürger beitragen. 

Am Parkhaus in der Schmiedestraße wird bis 2025 ein Pilotprojekt entstehen, das für viele andere Städte als Beispiel dienen kann. Das Parkhaus befindet sich nur wenige Meter vom Zentrum entfernt, genau dort, wo es an grünen Flächen mangelt. Mit dem geplanten Dachgarten soll ein Anreiz für die Bevölkerung geschaffen werden, sich an einem „grünen Ort“ aufzuhalten und die City wieder häufiger aufzusuchen. 

Auch aus ökologischer Sicht bringt das grüne Dach einige Vorteile mit sich: 

  • Speicherung von Niederschlagswasser
  • Abkühlung durch Grünfläche
  • Reduktion von freiem CO₂ durch Pflanzen
  • Verbesserte Luft durch Sauerstoff 

Die Pläne bis 2025 sind bereits fest gesteckt, doch auch darüber hinaus hat Hannover bereits Entwicklungspotenzial ermittelt. Das Konzept der Dachgärten soll weiter ausgebaut werden. Um die einfache Nutzung sicherzustellen, möchte man Roofwalks als Verbindung installieren. Sie sollen es Besuchern Hannovers ermöglichen, Spaziergänge zwischen den einzelnen Dächern durchzuführen und so die Innenstadt von oben zu erleben. 

Wie sich das Projekt dann weiterentwickelt, ist noch nicht ganz klar. Hannover setzt darauf, mit dem neuartigen Konzept auch den Tourismus anzuregen. Um die Bedeutung solcher Innovationen zu verdeutlichen, wurde bereits von Umweltbildung im Rahmen der Neuerungen gesprochen. Ausstellungen, performative Kunst und Bildungsveranstaltungen könnten auf dem Boden der neuen Dachgärten funktionieren. 

Fazit: Zusammenarbeit für neue Konzepte nötig 

Um die Attraktivität von Innenstädten aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen, braucht es dynamisches Teamwork an vielen Stellen. Städte sind dafür verantwortlich, mehr Grünflächen zu ermöglichen und damit die steigenden Temperaturen zu reduzieren. Orte zum Verweilen sind rar geworden, sodass der Shoppingbummel an Freude verloren hat. 

Niederschwellige Gastronomie-Angebote mit großen Außenflächen und weniger Bürokratie sind ebenfalls ein Schlüsselfaktor für die Städte. Durch mehr Vielfalt und insbesondere die Einbindung alternativer Ernährungsformen (z.B. Veganismus) wird die Stadt wieder mehr zu einem Ort für Begegnungen. 

Um Shoppingangebote am Leben zu erhalten, müssen sich Händler auf neuartige Konzepte einlassen. Hier ist als Beispiel „Click and Collect“ zu nennen, das nicht nur während der Corona-Pandemie auf viel Zuspruch stieß. Menschen shoppen online, holen ihr Wunschprodukt dann aber kostenfrei in der Filiale ab. 

Große Stores wie Media Markt, Ikea und Co. bieten das längst an, die kleinen lassen auf sich warten. Es bleibt abzuwarten, wie viel auch kleinere Städte von guten Beispielen wie Hannover lernen und umsetzen werden. 

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