Wie wird die abgespeckte Cannabis-Legalisierung von Unternehmern der Branche aufgenommen?

2021 nahm sich die Ampelregierung in Berlin vor, das Cannabisverbot noch in dieser Legislaturperiode zu kippen. Die Branche befand sich in einer Art Goldgräberstimmung. Nach zwei Jahren ist nun ein Gesetzesentwurf verabschiedet worden, in dem der Umfang der Legalisierung deutlich zusammengestrichen wurde. Wie kommt das Papier bei den Unternehmen an?

Die Kommerzialisierung von Cannabis wird von ausführlichen wissenschaftlichen Untersuchungen begleitet!

Welche Punkte umfasst der aktuelle Gesetzesentwurf?

Unter der Federführung von Karl Lauterbach wurde die Cannabis-Legalisierung in ein zwei Säulen-Modell umgewandelt. Die erste Säule regelt den privaten Konsum sowie den Anbau und steht kurz davor, in ein Gesetz gegossen zu werden. Die zweite Säule befasst sich mit der Kommerzialisierung und dem Handel. Hierzu herrscht noch kein einhelliger Konsens, sodass die gesetzliche Umsetzung in die Zukunft verschoben wurde. 

Dazu bemerkt Dannie Hansen, der Gründer und Geschäftsführer von Nordic Oil, einem führenden Unternehmen in der Cannabis-Branche, “dass mit diesem Zögern eine Menge wirtschaftliches Potenzial verschwendet wird”. Außerdem führt er aus, “dass wir nicht damit rechnen, dass in dieser Form der Schwarzmarkt spürbar eingedämmt werden kann.”

Erste Säule der Cannabis-Freigabe – Anbau und Konsum

Diese umfasst ein Herzensanliegen aller Gegner des Cannabisverbots. Der Konsum wird vollumfänglich legalisiert. Cannabis wird nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft und verschwindet von der Liste der gefährlichen Substanzen. Es wird zukünftig jedem Erwachsenen erlaubt sein, 25 Gramm der Substanz mit sich zu führen. Außerdem dürfen bis zu drei Pflanzen im Eigenanbau hochgezogen werden. 

Hansen erkennt dies als die größte Errungenschaft der neuen Regelung, “denn endlich müssen Genuss-Verbraucher nicht bei jedem Kauf über die Schulter gucken und im schlimmsten Fall um ihre Existenz fürchten.”

Überregulierung gefährdet die Substanz der Vereine

Doch schon beim Anbau und bei der Abgabe werden erste Kritikpunkte sichtbar. Der Prozess wird über sogenannte “Social-Clubs” in Gang gebracht, die keinen Profit machen dürfen und auf 500 Mitglieder begrenzt sind. 

Innerhalb der Clubräume darf kein Cannabis konsumiert werden und es ist darauf zu achten, dass in einem Umkreis von 200 Metern zu Schulen, Spielplätzen und Kitas nicht gekifft wird. Zudem wird den Clubs auferlegt, einen Suchtbeauftragten zu bestimmen und ein detailliertes Jugend- und Gesundheitskonzept auszuarbeiten.

Hansen bewertet diese Regelungen als bremsend. Zum einen “werde ohne Gewinnstreben die wirtschaftliche Substanz der Clubs gefährdet. Außerdem sei die Kontrolle des Konsums nicht die Aufgabe der Vereine, sondern der ausführenden Staatsgewalt”.

Zweite Säule der Cannabis-Legalisierung – Handel und Kommerzialisierung

Kritischer sehen Cannabis-Unternehmer jedoch die zweite Säule. Dabei sollen in absehbarer Zeit Modellregionen bestimmt werden, in denen der freie Handel und Vertrieb von Cannabisprodukten in einem Fünfjahreszeitraum erprobt wird. Der Verkauf an Erwachsene wird in staatlich lizenzierten und kontrollierten Abgabestellen stattfinden und die Wertschöpfungsketten unter wissenschaftlicher Beobachtung stehen. Die Erkenntnisse sollen am Ende der Probephase der EU-Kommission vorgelegt werden.

Langsames Vorgehen bremst Investoren aus

Besonders die langwierige Umsetzung der kommerziellen Belange ist den meisten Unternehmen ein Dorn im Auge. Ist diese doch für die Branche von vornehmlichem Interesse. 

Laut Hansen “haben viele Unternehmen mit dem Regierungswechsel eine Menge Geld in die Expertise von Anbau, Weiterverarbeitung und Vertrieb cannabishaltiger Produkte gesteckt. Diesen Anstrengungen stehen bis heute keine Renditen gegenüber, sodass viele kleinere Firmen auf dem letzten Loch pfeifen”. 

Dannie Hansen, Gründer von Nordic Oil

In dieser Situation werden Anbieter mit überschaubarem Unternehmenskapital zu einem begehrten Kaufobjekt von ausländischen börsennotierten Unternehmen wie Canopy Growth oder Tilray, die auf diesem Weg die Herrschaft über den deutschen Markt gewinnen könnten.

Andere Investoren halten sich zurück, bis von der Politik klare Rahmenbedingungen geschaffen werden. Nach Meinung Hansens “hätte es den verantwortlichen Politikern gut zu Gesicht gestanden, Phase zwei der Legalisierung vorzuziehen oder wenigstens zeitgleich zu verabschieden.”

Daher appelliert Hansen an die Entscheider in Berlin, die Vorgaben zur Kommerzialisierung so schnell wie möglich im Detail zu formulieren und noch in diesem Herbst eine Gesetzesvorlage einzureichen. Dann könnten er und seine Branchenkollegen endlich zur Arbeit schreiten, ohne weitere Rückschläge befürchten zu müssen.

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