Kunst und Kultur im Parkhaus: Willkommen in Sarahs Kultur Kiosk!

Ob Konzerte, Ausstellungen oder “Drag – Bingo” – das bunte Programm des Kultur Kiosks verleiht dem Züblin-Parkhaus im Stuttgarter Leonhardsviertel neues Leben. Hier begegnen sich Künstler*innen und Gäste bei einem Bier und guter Musik. Wir haben mit der Gründerin Sara Dahme über ihr Verständnis von Kunstvermittlung, das Konzept des Kultur Kiosks und ihre Lieblingsorte im Kessel gesprochen.

Die Gründer des Kultur Kiosks in Stuttgart
Sarah (r.) organisiert gemeinsam mit Michael Fiedler (l.) die “Tiny Window Konzerte” im Kultur Kiosk

Für ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste und Universität Stuttgart zieht es Sara Dahme in den Kessel. Heute ist die gebürtige Ravensburgerin immer noch hier und unterrichtet hauptberuflich Kunst und Literatur an einem Gymnasium. Seit 2020 betreibt die engagierte Kunstvermittlerin nebenher den Kultur Kiosk: ein Ort der als Café, Galerie und Veranstaltungsraum zugleich dient.

Während der Corona-Pandemie stellt Sara gemeinsam mit Michael Fiedler die Konzertreihe Tiny Window Concerts auf die Beine, um Musiker*innen aus Stuttgart eine Bühne bzw. das Schaufenster des Kultur Kiosks zu bieten. Die lokalen Künstler*innen und Bands könnt ihr vom 09.-11. September live bei dem Festival auf dem Oberdeck des Züblin-Parkhauses erleben. Außerdem gibt es im Kultur Kiosk alle zwei Monate eine neue Ausstellung zu entdecken. Das vielseitige Programm erwartet euch freitags und samstags ab 19 Uhr, sowie zu Veranstaltungen. Wir treffen Sara auf einen Saft im Weltcafé am Charlottenplatz, um mehr über sie und den Kultur Kiosk zu erfahren.

Du bist auf die verschiedensten Arten als Kunstvermittlerin tätig. Was ist dein Verständnis von Kunstvermittlung und inwiefern äußert sich dieses im Konzept des Kultur Kiosks?

Mir geht es darum, Menschen für etwas zu begeistern, was bis zu diesem Zeitpunkt keine Rolle in ihrem alltäglichen Leben gespielt hat. Ich habe oft das Gefühl, viele Leute haben einen falschen Respekt vor Kunst und Kultur und trauen sich deshalb nicht ran. Diese Barriere möchte ich gerne einreißen. Das ist auch die Basisidee des Kultur Kiosks: ganz unmittelbar Kunst und Kultur zu zeigen. Völlig selbstverständlich, aber nicht als Dekoration, sondern als Teil des Ganzen. Das heißt du kommst zum Beispiel abends, holst dir ein Bier an der Bar und läufst damit durch die aktuelle Ausstellung. Ich finde, das funktioniert ganz gut.

Wie kam es zu der Idee, den Kultur Kiosk zu eröffnen?

Ich hatte das nicht geplant, es hat sich eher zufällig entwickelt. Das Parkhaus kam auf mich zu und fragte, ob ich Interesse an dem freien Raum hätte. Und ich dachte erstmal: Was soll ich denn mit einem Kellerraum? Mein Freund hat mich dann aber unterstützt und gesagt “Komm, wir probieren das mal aus”. Wir hatten nicht wirklich ein Konzept oder Ziel, sondern sind offen an die Sache herangegangen. Daraus hat sich etwas sehr Schönes entwickelt.

Besucher*innen des Kultur Kiosks in Stuttgart
Besucher*innen betrachten die Werke von Künstler Marco Stanke

Was ist dir bei der Auswahl der Künstler*innen und beim Kuratieren der Ausstellungen wichtig?

Ich zeige natürlich Künstler*innen, die ich selbst ganz toll finde und von denen ich denke, dass andere Menschen auch Freude an den Arbeiten hätten. Außerdem möchte ich Ausstellungen zeigen, die wichtige Themen diskutieren. Die Inhalte entsprechen nicht immer meiner Meinung, aber ich finde es wichtig, dass sie formuliert werden, um in den Diskurs zu kommen. Ansonsten kommen die Künstler*innen auch auf mich zu und machen Vorschläge oder bringen ihre Freunde mit. So gebe ich den Freiraum, den ich habe, gerne an andere weiter.

Was erwartet die Besucher*innen an Programm im Kultur Kiosk?

Puh, ganz viel. Das Programm bei mir entsteht aus dem Jetzt heraus. Ich habe einen großen Pool an Leuten in meinem Netzwerk, die ich gerne anfrage, aber ich würde sagen 50 Prozent der Vorschläge kommen von den Besucher*innen. Erst letzten Sonntag haben wir ein Drag-Bingo veranstaltet. Flo, der öfter bei uns ist, machte mir einmal schüchtern den Vorschlag, eine Veranstaltung im Bereich Drag zu machen. Als ich ihn gefragt habe, was er sich vorgestellt hat, sagte er ganz trocken: “Bingo”. Und dann kam er mit seiner Freundin Veronica als Drag und wir hatten einen Riesenspaß. Der Nachmittag war der Knüller!

Der Kultur Kiosk ist ein kultureller Begegnungsort

Was war dein bisheriges Highlight im Kultur Kiosk?

Mein Lieblingsprojekt sind die Tiny Window Konzerte. Wir haben alle Konzerte schon abgefilmt und warten jetzt auf die große Abschlussveranstaltung am 09.,10. und 11. September auf dem Oberdeck des Züblin-Parkhauses. Bei dem Festival können wir die Artists endlich live präsentieren. Das Projekt hat mir großen Spaß gemacht, weil ich gemerkt habe, dass die Idee funktioniert. Gerade während einer Zeit, in der es keine Auftrittsmöglichkeiten gab und die Artists null Honorar bekommen haben, haben wir mit den Tiny Window Konzerten viele Leute erreicht.

Wie finanziert sich der Kultur Kiosk?

Die Tiny Window Konzerte sind eine Ausnahme. Dafür wurden wir das erste Jahr vom Kulturamt Stuttgart gefördert. Im zweiten Jahr haben wir die “Perspektive Pop”- Förderung vom MKW (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst) erhalten, sodass wir richtig groß arbeiten konnten. Ansonsten ist der Kiosk nicht institutionell gefördert. Bei uns ist die Devise: Je mehr die Gäste trinken, desto mehr Kulturveranstaltungen können wir anbieten.  Tatsächlich ist der Kultur Kiosk eine Art Kunst-Kultur-Charity-Projekt. Mir geht es darum, die Dinge auf die ich Zugriff habe, mit anderen zu teilen und ihnen mein Netzwerk anzubieten. Es macht mich glücklich, zu sehen was die Künstler*innen draus machen.

Gibt es einen Grund, warum der Kultur Kiosk nur am Wochenende und zu Veranstaltungen geöffnet hat?

Ich stehe nicht selbst hinter der Bar, sondern habe ein tolles Team, das mich unterstützt. Trotzdem muss ich als Kuratorin viel organisieren und den Kultur Kiosk neben meinem vollen Job machen. Bei unserer Ortslage müssen die Leute auch sehr gezielt kommen, da verirrt sich keiner zufällig hin. Tatsächlich war hier während der Corona-Zeit viel mehr los, weil wir eine der wenigen Läden waren, die offen hatten. Es waren zwei irre Jahre, aber jetzt sind die Leute träge. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, nur noch zwei Tage die Woche und zu Veranstaltungen auf zu haben. Lieber gut und klein, als dass sich der Laden totläuft.

Die Gäste im Austausch über Kunst und Kultur

Du bist in Stuttgart sehr engagiert, kommst ursprünglich aber aus Ravensburg. Was verbindet dich mit der Stadt?

Naja, ich bin hier eigentlich im Studium hängen geblieben. Auch während des Studiums habe ich keine verliebten Reden über die Stadt gehalten. Ich muss aber sagen, die Menschen mit denen ich hier zusammenarbeite sind unglaublich verlässlich. Sie halten ihr Wort und arbeiten sehr professionell. Stuttgart hat ungemein viele Qualitäten und es ist schade, dass wir Stuttgarter*innen uns dafür rechtfertigen müssen, dass wir noch im Kessel hängen geblieben sind, aber das ist so ein liebesvolles Foppen.

An welchen Orten trifft man dich in Stuttgart an, wenn du nicht im Kultur Kiosk bist?

Die Galerie Kernweine mag ich sehr gerne. Und der Württembergische Kunstverein ist ein toller Ort, der konsumfrei funktioniert und spannende Ausstellungen bietet. Ich muss auch neidlos zugeben, dass die schönste Bar der Stadt Gian Paolo e Marco ist. Ansonsten bin ich eigentlich am liebsten bei Freund*innen. Ich besuche gerne Künstler*innen in ihren Ateliers und trinke dort Kaffee, weil ich sehen möchte, wie sie arbeiten und ob ich vielleicht eine Idee für ein gemeinsames Projekt bekomme.

Machst du eigentlich auch selbst Kunst?

Ich habe lange Nein gesagt. Ich würde es nicht vagen mich als Bildende Künstlerin zu bezeichnen, aber wahrscheinlich sind meine Vermittlungsformate schon auch künstlerisch performativ. Ich sehe mich eher als eine Mischung aus Regisseurin, Dramaturgin und Mittlerin. Deshalb jein.

Kannst du uns verraten, wie es mit dem Züblin-Parkhaus und dem Kultur Kiosk weitergeht?

Wenn ich das wüsste, dann wäre ich Bürgermeisterin. Ich sitze zwar unten drin im Parkhaus, habe aber keine Ahnung. Ich darf den Kultur Kiosk bis Ende 2023 machen und dann fällt das Gebäude durch die Erbpacht an die Stadt Stuttgart zurück. Die Karten werden also neu gemischt. Wir werden sehen.

Weitere Infos findet ihr auf der Webseite: Home | KULTUR KIOSK (kultur-kiosk.de)

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